Ich war ja auch mal ein kleines Kind. Und als solches hatte man mich, durchaus gegen meinen Willen, in den Kindergarten gesteckt.
Die Nonnen, die anfänglich diesen Kindergarten betreuten, waren aber sehr liebe Frauen und bastelten, sangen und spielten viel mit uns.
Das war 1963.
Und genau in diesem Jahr durften wir Kinder kleine Blumentöpfe mit den damals ganz neuen Fingerfarben bemalen.
Nach dem Trocknen und Lackieren wurden diese Töpfchen dann mit kleinen Ablegern einer im Eingangsbereich des Kindergartens wachsenden Pflanze bestückt.
Tja, und diese Pflanze hat von 1963 bis heute bei mir überdauert. Während meines Studiums stand im Treppenhaus bei meiner Mutter ein Riesentopf mit bestimmt 60 Blättern. Das spricht dafür, dass diese Pflanze unverwüstlich und anspruchslos ist.
Das Wichtigste bei der Pflege ist, dass man gar nichts macht. Ich habe herausgefunden, dass die Pflanze eher vorübergehende Trockenheit verzeiht, als zu viel Nässe. Außerdem mag sie gar nicht so oft umgetopft werden und liebt es, eng im Topf zu stehen.
Selten düngen, sparsam gießen und schön in Ruhe lassen, das sind die Geheimnisse.
Meine Mutter hat sie ab und zu umgetopft, sie wuchs am hellen Fenster in unserem Treppenhaus zu prächtiger Größe heran, und nach dem Tod meiner Mutter im Jahr 1992 rettete ich wenigstens einen kleinen Teil davon.
Aus diesem kleinen Teil ist natürlich auch wieder eine große und prächtige Pflanze geworden, die mitunter auch blüht.
Die Blüten sind ca. 30 cm lange, hohle Stengel von ovalem Querschnitt mit etwa 3 cm Durchmesser. Oben bildet sich eine tulpenartige weiße Blüte mit aus dem Blütenkelch hervorstehenden gelben Dödeln mit Bestäubungszeugs. (Mir fallen die korrekten Bezeichnungen der pflanzlichen Geschlechtsorgane gerade nicht ein. Ich habe da sexuell andere Präferenzen.)
Die Blätter gleichen aber ein wenig Zungen und haben kleine, feine Härchen.
Das abgebildete Pflänzchen ist also so gesehen bei mir schon über 60 Jahre alt geworden. Leider habe ich die Pflanze vernachlässigt und es war dann nur noch wenig davon übrig.
Neulich hatte ich es vom schäbigen Rest getrennt und neu umgetopft. Sicher wird auch diese Pflanze wieder groß und prächtig und wird mich noch oft an die in der Rückschau doch ganz schöne Zeit im Kindergarten erinnern.
Doch, wie heißt diese Pflanze?
Die Nonnen haben sie vor über einem halben Jahrhundert Ochsenzunge genannt, aber das war wohl kaum der korrekte botanische Name.
Als ich diesen Artikel 2012 schon mal veröffentlichte, sagte mir jemand, die Pflanze hieße nicht Ochsenzunge, sondern Elefantenohr.
Der botanische Name ist Haemanthus albiflos.
Dazu gibt es bei Wikipedia auch einen interessanten Artikel: https://de.wikipedia.org/wiki/Haemanthus_albiflos
Dort ist auch die Blüte zu sehen, die exakt so aussieht, wie die Blüte an meiner Pflanze. Ich hatte seinerzeit auch keinen Zweifel mehr daran, daß meine Ochsenzunge in Wirklichkeit ein Elefantenohr ist, auch wenn sie so gar nicht nach dem Ohr eines Elefanten aussieht.
Allerdings irrt Wikipedia da ein bisschen, wie ich meine. Elefantenohr ist der Trivialname einer ganz anderen Pflanze, deren Blätter auch Ähnlichkeit mit Ohren haben.
Meine Pflanze, so sagte mir jetzt eine Gärtnermeisterin, die bei mir zu Besuch war, heiße trivial Elefantenzunge. Und das ergibt, angesichts der Form der Blätter, auch viel eher Sinn!
Auf jeden Fall ist es ein Haemanthus albiflos. Und die Pflanze lebt immer noch, seit 1963. Und da wurde der Ableger ja schon von einer riesengroßen Pflanze abgenommen, die sicherlich auch schon 15 Jahre oder länger im Kindergarten gewachsen war. Man könnte also durchaus annehmen, dass die Pflanze kurz nach dem Zweiten Weltkrieg schon im Mutterhaus der Nonnen gepflegt wurde und so ihren Weg in unseren Kindergarten gefunden hat. Somit könnte es gut sein, dass das Pflänzchen zwischen 70 und 80 Jahre alt ist.
Bildquellen:
- pflanze009: Peter Wilhelm
Hashtags:
Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:
#Elefantenohr #Elefantenzunge #Haemanthus albiflos #Ochsenzunge
Erst dachte ich an eine Clivia, aber die ist nicht behaart und blüht orange.
Offenbar eine Haemanthus: http://gaertnerblog.de/blog/2009/ochsenzunge-bestimmung/
@Irene:
Unter diesem Link scheint Herr Wilhelm selbst bereits 2012 einen Kommentar hinterlassen zu haben. Die Geschichte klingt jedenfalls sehr ähnlich. Hat es denn nicht gepasst mit der „Haemanthus albiflos“, Herr Wilhelm?
@Anja: Ja ja, das Alter! 🙂 Jetzt erinnere ich mich, daß ich das schon einmal irgendwo gefragt habe. Der Kommentar dort ist tatsächlich von mir.
Ich hatte bloß den Namen wieder vergessen.
Das ist ja eine sehr schöne Art, eine Erinnerung am Leben zu halten!
In der 3. oder 4. Klasse machten wir dasselbe – aber mit Buntnesseln. Das Ding starb aber nach etwa zwei oder drei Jahren.
Beim Wechsel meiner Tochter auf Gymnasium installierte die neue Lehrerin mit der neuen Klasse eine „Klassenpflanze“, jeder bekam ein Töpfchen mit einem Exemplar auf die Klassenzimmerfensterbank. Vor den Ferien nahm jeder Schüler sein Pflänzchen, so es denn noch lebte, mit nach Hause. Ein Goethepflänzchen, oder auch Brutblatt, das an den Blatträndern immer neue kleine Pflänzchen produziert. Mittlerweile haben wir einen mittelgroßen Goethepflänzchenkindergarten und meine Tochter versorgt alle Schüler, die keinen grünen Daumen haben, regelmäßig mit neuen Pflänzchen. Als ich die Lehrerin mal fragte, ob sie die Ableger eigentlich auch zurücknimmt, wurde sie ganz blaß…
Mir fallen die korrekten Bezeichnungen der pflanzlichen Geschlechtsorgane gerade nicht ein. Ich habe da sexuell andere Präferenzen
https://www.youtube.com/watch?v=iYbx46We6SU
Es könnte den Blättern nach eine Amaryllis sein… LG Andrea
@Andrea aus Gerasdorf: An Amaryllis hatte ich auch gleich gedacht, darauf passte die Beschreibung 🙂
Ich kenne nur Rosen und Tulpen alles andere ist Hortensie/ Rododendoron Rododesie.
DAS ding kenn ich aber, steht in wirklich jeden zumindest Ü80 Haushalt, gern in Hausfluren.
Witzig, irgendwie scheinen Elefantenohren (wie oben schon aufgelöst handelt es sich wohl tatsächlich um ein solches) so etwas an sich zu haben: Bei uns in der Schule war es üblich, dass die Kinder die Topfpflanzen aus dem Klassenzimmer über den Sommer zur Pflege mit nach Hause nahmen. Da es das Jahr 1991 war, als das Schulsystem umgestellt wurde, kehrte ich nie an meine alte Schule zurück und die Pflanze blieb. Mein Elefantenohr hat sich in den letzten 25 Jahren von drei schlappen Blättern auf 5 große Töpfe vermehrt und ist wahrlich unverwüstlich.
Allerdings finde ich, dass die kräftigen spargelartigen Blütentriebe immer ein wenig… unanständig aussehen (;>)…
Also wenn das tatsächlich eine Haemanthus sein sollte, kannst Du mit Ablegern richtig Geld machen. Da kostet schon bei den roten ein Ableger 30 bis 40 Euro.
Wir haben schon mal im Bonsaiforum darüber diskutiert, ob Pflanzen so gesehen nicht eigentlich unsterblich sein könnten. Ableger machen und neu anfangen – aber es ist ja immer noch genetisch dieselbe Pflanze.
Auch Bäume sterben ja meistens, weil sie sich etwas holen, Parasiten oder so, und/oder weil ihr Holz ihre schiere Größe nicht mehr aushält. Bäume wachsen ein Leben lang, und wenn sie sich selber zu groß und schwer werden, dann zerbrechen sie.
Nur: unsere Bonsai bleiben ja klein und erreichen nie diesen Punkt.
@Christians Ex: Das ist eine interessante Frage. Zumindest wir Menschen haben am Ende der DNA-Stränge die sogenannten Telomere, das sind eigentlich völlig unsinnige DNA-Abschnitte, die bei jeder Zellteilung ein wenig kürzer werden. Sind die Telomere zu kurz, weigert sich die Zelle, überhaupt noch zu teilen. Und das ist der Grund, weshalb wir altern.
Jede Zelle kann sich ca. nur 50 mal teilen. Und da Krebstumore dadurch definiert sind, dass sie sich unbeschränkt teilen, egal ob irgendwelche Hormone „Stopp“ sagen oder nicht, ist diese sogenannte „Hayflick-Grenze“ von 50 Zellteilungen eine Lebensversicherung gegen Krebs. Krebszellen wachsen, egal ob die Telomere genug lang sind.
Ob Pflanzen eine solche Grenze kennen, weiss ich nicht. Aber soviel ich weiss, sterben Pflanzen tatsächlich nur durch „Unfälle“ (Kälte, Hitze, Dürre, Überschwemmung, Baum kracht unter seinem eigenen Gewicht zusammen, Orkan) oder Krankheiten, wie Pilzinfektionen. Aber irgendwann ist die Fähigkeit, Wasser aus den Wurzeln in die Baumkrone zu transportieren, aus rein physikalischen Gründen limitiert. Denn die Energie, die für den Wassertransport notwendig ist, muss ja in den Blättern produziert werden, aber irgendwann reicht die Photosynthese einfach nicht mehr aus.
Interessanterweise wachsen die meisten Bäume am schnellsten (d.h. Massezuwachs, nicht Höhenzuwachs) wenn sie zwischen 90 und 100 Jahre alt sind.
@turtle of doom:
Pflanzen an sich können sehr wohl „natürlich“ sterben. Jeder Kürbis oder jede Melone wächst nur eine Saison lang. Die nachfolgende Generation muß sich aus den Kernen der Früchte neu entwickeln. Das „Problem“ der Unsterblichkeit haben also nur mehrjährige Pflanzen.
@Lochkartenstanzer: Gemüse war mir schon immer suspekt…
@turtle of doom:
Einige Bäume wie Pappeln oder Birken werden in der Regel nicht mal 90-100. Aber sie haben auch weiches Holz und zählen zu den Pionierpflanzen. Nach ihrer Lebenspanne von etwa 70 Jahren kommen in dem neugeschaffenen Wald auch schon härtere und langlebigere Hölzer wie Eiche, Buche oder Linde zum Zuge. Wenn die dann nach der Lebensspanne von den Pionieren erst so richtig loslegen, macht das Sinn.
Bei uns Menschen teilen sich die Zellen nur ca 50x, aber man stelle sich mal vor, was für eine ungeheure Masse erst aus einem Samenkorn eines Baumes werden kann. Was die jährlich an Laub produzieren! Und das teilweise hunderte von Jahren.
Und das ist noch nicht mal viel, der Hallimasch in Oregon soll gut 2400 Jahre alt sein und 600 Tonnen schwer und man vermutet weitere, noch ausgedehntere Bestände an „klonal wachsenden Pflanzen“ wie Heidelbeeren oder Schilf.
Die Telomere haben AFAIK bei uns die Funktion, die DNA zu beschützen, damit diese beim Kopieren nicht beschädigt wird. Sind die Telomere aufgebraucht, gehts an die DNA, und die Zelle geht kaputt oder die Kopien können nicht funktionieren. Vermute mal, das hat mit der Spezialisierung der Zellen zu tun. Aus einem Steckling kann ich eine funktionierende Pflanze ziehen, aber beim Menschen/Tier geht sowas nicht.
@Christians Ex: „Aus einem Steckling kann ich eine funktionierende Pflanze ziehen, aber beim Menschen/Tier geht sowas nicht.“
Also, ich hab mit meinem Steckling schon funktionierenden Nachwuchs erzeugt. Nur mal so nebenbei erwähnt.
@Peter Wilhelm:
Wenn man aber immer wieder liest, daß „die Deuschten aussterben“, funktioniert der Steckling offensichtlich bei vielen nicht mehr wie vorgesehen. 🙂
Das ist ja eine interessante Pflanze! Ich kenne das Elefantenohr auch gut, das ist wirklich widerstandsfähig. Toll, dass es so alt ist und noch thront! #Haemanthus #Pflanzenliebe