Geschichten

Die Fee der Nacht -10-

Dieser Kommissar, das muß ich sagen, war mir sympathisch. Wir hatten an dem Abend noch eine Weile zusammengesessen, geraucht und Kaffee getrunken. Viel geredet haben wir nicht mehr, der Mann ging in seinen Gedanken offenbar den Fall noch einmal durch und auch mich ließ der Gedanke nicht mehr los, daß diese schöne Fee der Nacht eine Mörderin sein sollte.
Aber immerhin hatte sie mich fast schon angefleht, ich solle ihre Version von der Sache mit dem Gewehr bestätigen.
Petermann, das hatte ich im Gefühl, würde nicht am anderen Morgen mit gezückten Handschellen bei der Frau klingeln und dann den Fall anhand von Indizien abwickeln und zur Anklage bringen.

Nathalie wohnte in einem der schönsten Häuser, das ich je gesehen hatte und es war ja ganz eindeutig, daß es ihr auch finanziell nicht schlecht ging. So etwas wirft man ja nicht einfach so weg, um es dann gegen eine Zelle in einem Gefängnis einzutauschen.
Und wenn es so war, wie der Kommissar gesagt hatte, eine ungeplante Tat im Affekt?
Wenn man einen Menschen nur lange genug reizt… Zu was ist man dann alles fähig?

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Es war als habe Petermann meine Gedanken gelesen. Er paffte einen Rauchring in die Luft und starrte ihm sekundenlang hinterher, bis er von der dezent laufenden Lüftungsanlage erst verwirbelt und dann ins Nichts gesogen wurde.
„Nee, die war das, da bin ich mir fast sicher“, sagte er. „Aber das reicht nicht, ich werde ihr von meinem Verdacht nichts sagen und Sie werden das auch nicht tun!“

Ich schüttelte den Kopf und sagte: „Ich will eigentlich nur meine Ruhe.“

„Ich will nämlich wissen, was da die Gründe sind, da steckt doch mehr dahinter.“

„Was könnte denn dahinter stecken?“

„Einmal sind das reiche Leute, es könnte also ganz plump um die Kohle gehen, sie wollte an das Erbe ihres Mannes ran. Und dann könnte es eine Beziehungstat gewesen sein, was weiß ich, Eifersucht, vielleicht hatte er eine andere oder sie hat einen anderen oder irgend so etwas. Bei Frauen blickt man nicht durch.“

„Ja aber, ist es nicht so, daß man sagt, Frauen würden eher mit Gift morden?“

„Sie gucken zu viel Fernsehen.“

„Ja, wieso? Das sagt man doch immer.“

„Fernsehquatsch, den sich Drehbuchautoren ausgedacht haben und der von einem zum anderen immer wieder übernommen wird. Ja, es ist so, daß Frauen sich manchmal Methoden aussuchen, die weniger blutig sind. Männer sind da grober, gewaltbereiter und schlachten auch mal blutig jemanden ab. Das stimmt schon. Aber unterm Strich habe ich bei Frauen als Täter schon alles gesehen, Messer, Pistolen, einmal sogar eine Handgranate und Feuer, Gewehre und Beile.“

„Beile?“

„Ja, Beile. Fein in kleine Stücke zerlegt, in 86 kleine handliche Stücke und die hat sie das Klo runtergespült.“

„Meine Güte!“

„Ich würde mal so sagen: Wenn Frauen so etwas lange planen und es sich irgendwie aussuchen können, neigen sie vielleicht tatsächlich zu irgendeiner Methode, die mit weniger Blut und Brutalität verbunden ist. Aber bitteschön, sagen Sie mir, wo man heutzutage noch Gift her bekommt!
Aber da hier, das war keine geplante Tat, sonst wäre die Frau hinterher nicht so kopflos gewesen.“

Mehr wurde nicht gesagt, er trank den letzten Schluck aus seiner Tasse, klatschte mit beiden Handflächen auf seine Knie und erhob sich. Zum Abschied tippte er sich mit dem Zeigefinger an die nicht vorhandene Hutkrempe und schlug den Kragen seiner Lederjacke hoch.

Ich kramte in Frau Büsers Schublade im unendlichen Sortiment der Büserschen Tabletten und hinten, ganz hinten, hinter den Tabletten gegen Sodbrennen fand ich die Packung, die ich suchte. Das erste Mal seit Ewigkeiten nahm ich an diesem Abend eine Tablette zum Einschlafen.
Ich mußte einfach mal wieder eine Nacht so richtig schlafen.

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