Geschichten

Die Fee der Nacht -31-

„Das war ja mal ein absolutes Scheiß-Gespräch“, schimpfte der Journalist Joachim Joswig. „Du hättest viel mehr nachhaken müssen, die Alte mehr unter Druck setzen müssen. Die hat doch nur rausgelassen, was sie wollte, das von dem sie dachte, daß wir da sowieso drauf kommen.“

Kriminalhauptkommissar Petermann grinste nur und sagte: „Ach, Jojo, komm wieder runter! Hast Du nicht gesehen, daß die alte Frau von der Tratow fix und fertig war? Die ist weich, wie eine reife Birne und beim nächsten Besuch pflücke ich die. Aber jetzt, wenn ich jetzt noch mehr Druck gemacht hätte, dann hätte die stumm, still und schweigend in ihrem Sessel gesessen und aus dem Fenster gestarrt. Die ist doch so bockig, da hättest Du selbst mit Daumenschrauben nichts heraus bekommen.“

„Mag sein, aber was wissen wir denn jetzt mehr?“

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„Wir wissen, daß sich die Brockhagens in Hosengewand aufhalten.“

„Höchenschwand heißt das und das liegt im Schwarzwald. Warte mal, ich tippe das mal ins Handy ein, die müssen doch eine Gemeindehomepage haben.“

„Du mit Deinem modernen Krempel.“

„Krempel hin, Krempel her, immerhin konnte ich Dir vorhin zeigen, wo das liegt.“

„Auch wieder wahr.“

„Aua!“

„Was aua? Hast Du Dir weh getan?“

„Nee, aber die Seite unter hoechenschwand.de brennt mir gerade die Augen raus. Hoffentlich geht das Display vom Handy nicht kaputt!“

„Ich sage es doch: Alles moderner Scheiß.“

„Hat Dir schon mal jemand gesagt, daß Du ein technikfeindlicher, alter Knötterpitter bist?“

„Jau, hab ich schon gehört. Direkt nach meiner Geburt, da hob mich die Hebamme hoch und sagte: ‚Ach guck mal da, schon wieder so ein technikfeindlicher Knötterpitter‘.“

„Idiot!“

„“Nee, das hat’se nicht gesagt, das muß bei Deiner Geburt gewesen sein.“

Petermann war von Frau von der Tratows Haus gleich auf die Umgehungsstraße abgebogen und nach einem kurzen Blick auf die Nadel seiner Tankanzeige drückte er das Gaspedal etwas durch und ließ den blubbernd wummernden Achtzylinder auf etwas mehr als 2.000 Umdrehungen hochlaufen. Der schwere und große Chevrolet wippte und wankte, als er kurzerhand auf den Zubringer zur Autobahn abbog.

„Was denn jetzt? Wo fahren wir hin?“

„Wir? Na, wir fahren jetzt nach Hosendingsa.“

„Weißt Du wie weit das ist?“

„Weiter als 75 Liter Super?“

„Bei Deinem Wagen schon, der wird sicher so an die 20 Liter verbrauchen, oder?“

„Ach was, in der Stadt vielleicht oder wenn jemand wie verrückt fährt. Aber wenn Du denn schön vor sich hin blubbern läßt, dann nimmt der sich zwischen 8 und 10 Litern, auf der Autobahn bei Tempo 110 sogar noch weniger.“

„Dann kommen wir hin und zurück, glaube ich.“

„Also, dann auf nach Hosendorf!“

Petermanns rechte Hand griff zum Radio und drehte den Knopf. Aus den Lautsprecherboxen des Wagens klang kurz darauf Frank Sinatra, was Joswig dazu veranlasste, die Augen zu verdrehen, er war mehr für klassische Musik zu begeistern.
Während der Fahrt ließ Petermann die Ereignisse der letzten Tage Revue passieren. Er war schon so lange als Ermittler tätig, daß ihm vor Tagen bereits, beim Betrachten der Villa Brockhagen der Fall als gelöst erschienen hatte. Als ihm klar geworden war, daß das Haus mit seinen Einbauten kaum von den jungen Leuten, Nathalie und Roland, so umgebaut worden sein konnte, da wußte er, daß Minister Brockhagen eine andere Rolle spielte, als nur den trauernden Vater.
Und diese Rolle hatte er verdammt schlecht gespielt. Die Trauer der Brockhagens war in etwa so ausgeprägt, als wenn ein Firmeninhaber eines größeren Betriebes einen langjährigen Mitarbeiter beerdigt, den er aber gar nicht wirklich gekannt hatte.
Den Brockhagens war es in erster Linie darum gegangen, den Leichnam schnell zu bestatten und die Selbstmord-Variante aufrecht zu erhalten. Dafür hatte der ehemalige Minister sogar seine Beziehungen spielen lassen.
Nathalie Brockhagen war also nur versehentlich in die erste Reihe geraten. Am liebsten hätte Brockhagen sie auch aus allem heraus gehalten, aber das Mädchen und die Bestatter hatten ihm da einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Sie mußte aber eine bedeutende Rolle in der ganzen Posse spielen, denn warum hätte man sie sonst ruhig gestellt?
Und Ignaz? Ignaz war der Mann fürs Grobe.
Ja und Frau von der Tratow, die hatte er bisher eher als Kerkermeisterin eingeschätzt, jetzt hatte sich aber gezeigt, daß sie sich eher als Beschützerin des Mädchens sah.

„Du denkst über den Fall nach?“ fragte Jojo und unterbrach Petermanns Gedankengänge.

Der nickte und schwieg.
Joswig sagte: „Ich auch. Was meinst Du?“

„Ich? Ich meine, daß wir es da mit einer ziemlich durchgeknallten Gruppe zu tun haben. Ich bin davon überzeugt, daß es sich bei Roland und Nathalie um die eigentlichen Opfer in der ganzen Sache handelt. Sie haben in diesem Arierverein eine ganz besondere Funktion und geleitet wird das Ganze doch von Brockhagen, so viel ist klar.“

„Dann werden wir jetzt den Herrn Minister mal fragen. Übrigens: Wie willst Du den da in Höchenschwand finden?“

„Finden? Ich habe bisher jeden gefunden.“

„Ach nee? Und Nathalie? Hast Du die auch gefunden?“

„Ja, aber klar doch. Es gibt nur zwei Plätze auf dieser Welt, wo das Mädchen sein kann.“

„Und wo soll das sein?“

„Einer dieser Plätze ist dieses Kaff da im Schwarzwald. Vielleicht ist sie bei Brockhagen.“

„Nochmal meine Frage: Wie willst Du den da finden?“

„Einfach in der Kneipe blöd fragen.“

„Ja und Du meinst, Nathalie ist wirklich bei Brockhagen?“

„Ich sagte doch, das ist einer von zwei Orten, wo sie sich aufhalten kann. Also gucken wir da jetzt mal nach.“

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