Geschichten

Die Fee der Nacht -36-

Das Haus der Brockhagens oberhalb des malerischen Südschwarzwaldortes Höchenschwand, lag wie vom Imbisswirt beschrieben, seitlich an der Kuppe des Berges. Es hatte nur anderthalb Stockwerke und ragte weit über den Abhang hinaus, wo es von drei dicken Stützen aus geschwungenem Beton gehalten wurde. Beton, dunkelgrauer Schiefer und Glas herrschten vor und auf dem Flachdach störte eine große Satellitenschüssel den sehr gelungenen und modernen Entwurf.
Joswig und Petermann beobachteten das schwach beleuchtete Haus durch einen Zaun.
Das Auto hatten sie ein paar Dutzend Meter vom Haus entfernt nahe an einer Böschung geparkt und waren zu Fuß die letzten Meter gelaufen.

„Und jetzt? Hast Du einen Durchsuchungsbefehl?“

„Einen Durchsuchungsbeschluß? Für was? Wir haben uns doch nur im Wald verirrt. Los komm, Hänsel!“ forderte Petermann seinen Freund auf und zog sich an der oberen Strebe des Zaunes neben dem stabilen Tor hoch, kam dann jedoch nicht weiter. „Würden Sie eventuell mal schieben, Herr Joswig!“

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„Sag bloß, Du kommst da nicht rüber?“

„Doch, wenn Du mich schiebst. Ich habe unten herum so schwere Knochen.“

„Hm, den Spruch habe ich aber auch schon irgendwo gehört.“

„Quatsch nicht, schieb lieber!“

Wenig später schlichen sich die beiden zum Haus der Brockhagens. Jojo flüsterte: „Da gibt es, soweit ich das sehen kann, keine Kameras, keine Leitungen, keinen Stacheldraht, nichts.“
Petermann wußte, worauf sein Freund hinaus wollte und antwortete: „Ist mir auch aufgefallen. Die fühlen sich einfach sicher. Die fühlen sich so sicher, daß sie, was auch immer sie tun, mitten in unserer Stadt in der Villa getan haben und hier oben haben die erst recht keine besonderen Sicherheitsmaßnahmen, so abgelegen wie das hier ist.“

„Das muß ein Vermögen gekostet haben. Diese Lage, diese Aussicht! Bei Tag kann man da bestimmt bis in die Schweiz gucken.“

„Wer will das schon?“ knurrte Petermann und gab seinem Freund einen leichten Stoß: „Vorwärts!“

Am Haus hielten sie kurz inne, besprachen sich und trennten sich dann. Der Kommissar ging rechts herum und der Journalist nahm die andere Richtung.

Petermann kam an der seitlich gelegenen, fensterlosen Haustüre aus dunkelgrauem Holz vorbei und konnte einen Blick in die daneben, im Haus gelegene, Garage werfen, wo die bereits bekannte schwere dunkle Limousine des Ministers, ein leichter grüner Suzuki-Geländewagen und ein großer, dunkelblauer Landrover standen.
Der Kommissar umrundete das Haus und mußte einige Meter vom Haus weggehen, weil ein Geräteschuppen auf dieser Seite den Weg versperrte. Als er sich wieder dem Gebäude zuwandte, konnte Petermann die Rückseite des Hauses sehen und er hielt unwillkürlich kurz die Luft an. Auf dieser Seite, wo das Haus über den Hang ragte, gab es eine Art Untergeschoß, das mit dunklem Schiefer verkleidet war. Drei kleinere Fenster gab es da, hinter denen kein Licht brannte. Das Obergeschoß hatte eine einzige große Glasfront und war hell erleuchtet. Jojo hatte recht, tagsüber mußte man von da aus eine wirklich sagenhafte Aussicht haben.
Aber das war es nicht, was Petermann kurz den Atem verschlug.
Am großen Fenster stand Nathalie und in diesem Moment wurde Petermann klar, warum der Bestatter die junge Frau in einem Gespräch „Die Fee der Nacht“ genannt hatte.
Nathalie Brockhagen trug nur den Hauch eines Negligés mit nichts als ihrer weißen Haut darunter und der Stoff vermochte ihren Körper nicht wirklich zu verhüllen, sondern es war, als würde die zarte, weiße Seide die sanften Rundungen ihres Körpers beleuchten und betonen.

Der Kommissar schloß kurz die Augen und öffnete sie sofort wieder. Das Bild verschwand nicht, es war keine Einbildung und keine Fata Morgana. Die junge Frau stand immer noch so gut wie nackt am Fenster, rührte sich nicht und schaute mit starrem Blick in die Dunkelheit des Tals.

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