Sie ist zwei Köpfe kleiner als ich, aber kein Gramm leichter. Deshalb besteht Frau Picksief-Otto darauf, daß sie sich auf eine kleine mitgebrachte zweistufige Leiter stellt, um von mir ein Foto zu machen. Dabei blitzt sie mir ungefähr 67 mal direkt in die Augen. sodaß meine Synapsen noch einige Tage an temporärer Verblitzung leiden. Ansonsten habe ich eine solche Verblitzung nur, wenn ich abends zuvor mit meinem Freund Bernd mal wieder ausprobiert habe, wieviele Boilermaker Deaths1 Mann so trinken kann.
Trotzdem sehe ich hinterher auf dem Foto in der Zeitung so aus, als habe mir eine Schnecke von unten in die Nase fotografiert. Frau Picksief-Otto ist nämlich frei-, neben- und unnötigberufliche Mitarbeiterin der hiesigen Tageszeitung und berichtet vorwiegend von vereinskulturellen und kirchlichen Ereignissen der unteren Bedeutungsklasse. Ihr ganz persönliches Markenzeichen ist das Einflechten von Begriffen aus dem hiesigen Dialekt, die allerdings allesamt, ebenso wie die Leute, die sie eventuell noch hätten verstehen können, ausgestorben sind.
Manchmal versteigt sich Frau Picksief-Otto auch ganz gerne mal in das Reimen von sich um nichts in der Welt reimenden Reimen, was zu den abenteuerlichsten Wortkonstruktionen führen kann.
Daß die Zeitung ihre 30-Zeiler überhaupt abdruckt, liegt möglicherweise daran, daß ihr Mann Chef der hiesigen Volksbank ist, die einer der größten Anzeigenkunden bei eben dieser Zeitung ist.
Es geht darum, daß wir für die Neujahrstombola der Stadt einen Preis gestiftet haben und sie darüber und über den glücklichen Gewinner berichten möchte.
Dazu hat sie das Ehepaar Sven und Mandy Dutzsch im Schlepptau, die nun von mir einen überdimensionalen Reisegutschein für eine Reise nach Kuba überreicht bekommen soll.
Zwar haben wir eigentlich einen schönen Kaffeeautomaten gestiftet, aber Frau Kruschke vom Reisebüro hat noch bis nach Heilige Drei Könige zu und deshalb soll ich an ihrer Stelle den Reisegutschein überreichen.
Frau Dutzsch nennt ihren Mann „Zwenn“ und er spricht dafür ihren Vornamen gar nicht aus, sondern sagt „Stinkerchen“ zu ihr, liebreizend.
„Zwenn wat soll ick in Kuba?“
„Das isset schön.“
„Watt is denn da schön? Da is heiß, ich mach‘ kein heiß, ich will wo hin, wo Sonne am Scheinen is‘ und wo nich‘ heiß is‘.“
„In Kuba is‘ die Sonne am Scheinen und da jibtet auch Tage wo nich‘ so heiß sind.“
„Aber wir soll’n im Juli fahren, da is‘ da heiß.“
„Nee, ick weiß jenau, datt dann da Winter is‘, also nich‘ son’n Winter wie bei uns, so mit Schnee, sondern so’n Winter wie bei uns Sommer, also schön.“
„Warum is‘ denn da im Juli Winter?“
„Weil die Erde sich dreht.“
„Weil die Erde sich dreht?“
„Ja genau.“
„Ich dachte immer et wär‘ Tach und Nacht weil die Erde sich dreht.“
„Stinkerchen, nee, Tach und Nacht kommt von die Polkappen, durch datt Drehen wirdet Sommer und Winter.“
„Ach watt, Zwenn, ehrlich?“
„Ja, Stinkerchen, kuck ma, der Passatwind streicht immer so anne Erdkugel vorbei und wenn der datt am tun is, bläst der auch Schnee vonne Polkappen in datt Weltall. Und durche Erdanziehung, die annen Äquator am stärksten is‘, wird der Schnee quasi im Winter bei uns runtergezogen. Deshalb tut et schneien.“
„Und in Kuba schneit et wann anders?“
„Klar, bei denen is‘ die Erde dicker, wegen den Äquator, da müßte der Schnee den Berg rauf, weil da die Erde doch am dicksten is‘ und datt schaffter nich‘, deshalb ist da zwar schon Winter, irgendwie, aber nich‘ so wie hier, mehr so mit Sonne.“
„Zwenn, watt Du allet weißt!“
„Tja, ich bin ja auch der Mann“, sagt Sven Dutzsch und wendet sich dann fragend an mich: „Sagen’se ma‘, können wir die Reise auch ohne Kreuzfahrt haben?“
Etwas verwirrt frage ich zurück: „Aber die Kreuzfahrt ist doch das Schönste an der Karibikreise mit anschließenden Urlaub auf Kuba.“
Er schüttelt den Kopf und sagt: „Mach ja allet sein, aber wir sind nich‘ so religiös.“
Frau Picksief-Otto macht noch dreihundertvierundsiebzig Fotos, die mich mit dem Ehepaar Dutzsch zusammen zeigen und ich fühle mich in meinem dunkelgrauen Anzug neben den beiden bunten Jogginganzügen leicht deplatziert.
Am übernächsten Tag sind zwei Fotos in der Zeitung, ich von unten ins Nasenloch fotografiert und die Dutzschs mit abgeschnittenen Köpfen.
Der Artikel schließt mit dem Text:
„So freut sich heut‘ juchheirassa
auf diese Reis‘ das Ehepaar.
Das aus dem Osten zu uns kam,
niemals über die Mauer kam,
sich heut‘ der Freiheit sehr erfreut
und gerne hier im Stadtteil käuft.“
Ich kotz‘ untern Teppich!
1 Ein Boilermaker ist ein Bier-Cocktail, der üblicherweise aus Guinness und einem Schuß Schnaps (Whiskey, Rum etc.) besteht. Ein Boilermaker Death wird aus einem 0,3 l Glas getrunken und besteht der Einfachheit halber zu 50% aus Guinness-Bier und zu 50% aus Bushmills black bush (irischer Whisky). Sehr gesund und nahrhaft, macht einen schlanken Fuß!
Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:
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Naja, das Guinness wird durch den Whisky aufgewertet, aber für den Bushmills ist es Frevel 😉
Ich bleibe lieber bei meinem Metbier (0,5l Glas 2/3 Schwarzbier + 1/3 lieblichen Met, gleichzeitig langsam einschenken)
Ja Zwenn, unter den Blinden ist der einäugige König.
unser sven hier wird schwenn genannt ^^
aber stinkerchen ist ja nicht gerade nett…wo das wohl herrührt ??!!! neee…wissen will ich das nicht….
Tom, wer so redet, kommt garantiert nicht aus dem Osten, was die Namenswahl ja wohl nahelegen soll wie auch der Reim. Das, was Du da so mundartlich geschrieben hast, ist Ruhrpott, aber sowas von. Insbesondere das „wenn der datt am tun is“, ist vollendete rheinische Verlaufsform, das kommt uns Ossis nicht über die Lippen.
Wenn’s einen schlanken Fuß macht, dann trink ich es 😉
@ Krischan
Ich „kenne“ eine Menge Mandys,Doreens,Jackelines Rennes Ronnys und Ricos die heute um die Zwanzig sind..aus den letzten Zuckungen der DDR geboren ..Manche schwäbeln sogar mit Inbrunst :-))))
Lg
Anouk
@YasoKuhl: Noja, schlanken Fuß vielleicht, aber dafür nen dicken Kopp. *g*
Und jo, das war wirklich Ruhrpott live. Die tun hier in echt so reden. *g*
Ich bin Frau Picksief-Otto wie ihr wisst,
weiß aber dummerweise nicht was Versmaß ist.
ich kenn nur Paarreim,
komm bald ins Altersheim.
Schmerzen, diese Schmerzen… 😀 Das tut echt weh, was der da an geographischem Unsinn von sich gibt ^^
Und ich glaube, mir würde Boilermaker Death ohne Guinness noch besser schmecken *g*
@Mortician: Metbier ist lecker, das stimmt echt!
Immerhin kannte er den Begriff „Passatwind“ 😀
jaja
im Osten damals was das Kirchengedöns nicht so verbreitet …
und dann gewinnen ausgerechnet DIE ne Kreuzfahrt. Manchmal spielt einem das Leben Streiche *kopfschüttel*
😀
Klasse, stockdumme klischeebedienende Ossis, die ne Kubareise gewonnen haben … darauf einen Boilermaker Death!
meint Ossi Ma Rode
Ich finde es toll, dass uns TOM mit seinen schönen Gedichten erfreut, auch wenn er seine poetische Ader zaghaft hinter der Fotografin versteckt. Bescheiden ist er auch noch! Das könnte man glatt fortführen *räusper*
Ihr sollt hier gar nicht leiden
beim Lesen von dem Schreiben
ich schick nur viele Grüße
im Schweiße meines Angesichts
jetzt reimt sich’s oder reimt sich’s nicht.
___
Ich glaub, das mach ich jetzt öfter!
@Komposti
Musst Du unbedingt heir wüste Drohungen aussprechen?
Ich liefere eine Smiley nach: 😉
Ich glaube wenn ich diesen Leuten länger zuhören müsste würde ich verblöden.
Wo ist der Alk? *such*
@kall
[quote]
Musst Du unbedingt heir wüste Drohungen aussprechen?
[/quote]
Sonst macht’s ja keiner …
jetzt versteh ich
erst den abschnitt mit der eins lesen und anwenden
dann erst den text weiter lesen
so schmerzen stinkerchen und zwenn nicht so
Banause! Wie kann man nur. Tsss, tss, tss. Bushmills mit Bier versauen.
Weia, wat bin ich froh, dass ich keinen Doppelnamen hab 🙂
@LKS
Solange man nicht die Single Malts von Bushmills dafür nimmt …
Falsch TOM, der Drink heisst Broilermaker.
Schlechter kann sich ein Grillhänchen auch nicht fühlen.
„Wir sind nicht so religiös…“ O___o
Wie genial!! Einfach nur genial! Ich hau mich weg…
Aber – nur mal so am Rande – wenn Ossis (die komplett im Osten die Schule durchlaufen haben) etwas wissen, dann wo die „Bruder- und Schwesterstaaten“ zu finden sind, denn dort konnte man eventuell mal hinreisen. (Kuba war eines der Ziele für gut betuchte DDR-Touristen mit Beziehungen.)
Ansonsten ging es eher in die Sowjetunion (mein Vater hatte da mal eine Reise hin gewonnen) oder in die Tschechoslovakei (bekam ich immer tolle Koh-i-Noor-Buntstifte mitgebracht ) oder nach Bulgarien und Ungarn (Hochzeitsreise meiner Eltern).
Eine solche Reise war aber natürlich eine einmal-und-danach-vermutlich-nie-wieder Angelegenheit. Ansonsten packte man alles was nötig war in den Trabi, quetschte den Rest der Familie dazu und ab ging es an die Ostsee. (Ich weiß zwar nicht wie repräsentativ meine Familie war, aber FKK haben wir übrigens nicht gemacht.)
Tja, ich war die ersten 6 Jahre meines Lebens DDR-Bürger, jetzt bin ich Thüringerin (wohnhaft in Baden-Württemberg.).
Picksief-Otto!
Gibt’s pixyfoto eigentlich noch?
… und nicht zu vergessen die tollen Zeichenutensilien aus der ČSSR wie z.B. Skribente, Schriftschablonen und Kurvenlineale …
… Ölsardinen und Pilze in Büchsen … Windeln hab ich auch mal bekommen … und Schlitten … in der ČSSR gab es doch tatsächlich Schlitten … Ohne stundenlanges Anstellen … einfach so … ok, man mußte mit vollbesetztem Auto 5 x rüberfahren und die Kronen eisern sparen … aber DANN konnte man einen Schlitten kaufen … ware DAS noch Zeiten – Mein Gott, was ist da schon eine Kreuzfahrt nach Kuba *inErinnerungschwelgtundGänsehautbekommt* … was hatten wir für einen Schiss, daß die uns die Kronen beim letzten Mal reinfahren wieder abnahmen und wir dann nicht nur mit leeren Händen, sondern auch mit jeder Menge Ärger dastanden… alles wegen einem Schlitten und ein paar Konserven …
Solche Begebenheiten sollte man wirklich nicht vergessen, vor allem die Angst nicht !!! Wer das nicht erlebt hat, kann sich das nicht wirklich vorstellen.
Tja, da wurde der Tom also geblitzdingst.
Vielleicht hat er deshalb vergesse, den Goldfisch fertigzustellen…
Mal was anderes… diese unfähigen LokalreporterInnen (wie die fotografierende Schnecke), die weder vernünftig schreiben noch vernünftig fotografieren können und trotzdem bei allen möglichen und unmöglichen Veranstaltungen von der Kaninchenzüchterschau bis zur Stadtratssitzung die Berichterstattung machen… werden die irgendwo in Massen gezüchtet und dann auf die Menschheit losgelassen oder wo kommen die alle her? 🙂
Nee komm Tom, DEN nehme ich Dir nicht ab! Niemand hat SO abstruse Vorstellungen von den Jahreszeiten. O_o
Ich nehm den Boilermaker Death – aber bitte ohne Guiness. Und immer diese Kreuzfahrer auf den passatbewindeten Kreuzfahrtschiffen…
m(
Die Doppelnamen gehen mir langsam auf den Keks. Eine nervige, dicke Frau, ist ja klar, das die einen Doppelnamen kriegt. Du hättest doch am liebsten wieder die Birnbaumer-Nüsselschweif für diese Rolle genommen, aber die kann ja nicht auch Lokalreporterin und Frau vom Bankdirektor sein. Aber genug der Meckerei, der Rest des Beitrags gefällt mir. 😀
Manchmal tät‘ man sich ja wünschen, der Undertaker hätte sich all das nur ausgedacht, um uns zu ergötzen. Allein es fehlt der Glaube…
@Uli-mit-Hut
Wat meinste was wir immer schwitzen mussten auch als „Wessi“ aus Berlin. Die Einreise war jedesmal ein blanker Horror gewesen mit der vollen Kontrolle der Papiere bis hin zur kompletten anschauung des PKW von innen, außen und überall einfach.
War schon nicht leicht einen Vater zu haben der Böses Zeugs in der DDR machte und deshalb inhaftiert wurde und von den Wessis freigekauft. Bis lange nach dem Fall der Mauer blieb das an uns haften irgendwie es kamen Dinge wie „Ihr Vater kommt aus dem Osten, wer weis ob er Angehöriger der Stasi ist“ *grmpf*
Der feine Herr Bestatter kennt den Pan-Galactic Gargle Blaster noch nicht…
Die zutaten sind auch ziemlich schwer zu beschaffen (bis auf die letzte):
1 Flasche Alten Janx-Geist
1 Teil Wasser aus den Meeren von Santraginus V
3 Würfel arkturanischer Mega-Gin
4 l fallianisches Sumpfgas
1 Teil qualaktinischer Hyperminz-Extrakt
Zahn eines algolianischen Sonnentigers
1 Spritzer Zamphour
Olive
und die irdischen Rezepte sind relativ harmlos
Die Erklärung der Jahreszeiten könnte von Dittsche stammen! 😀
Bei der „“Erklärung““ der Jahres und Tageszeiten war mein Gehirn kurz vorm Totalausfall, wegen Überlastung der Blödheitssensoren.
Und das einzige, was man in Guinness mischen solte ist ein guter Schuss Portwein. 🙂
„war mein Gehirn kurz vor dem Totalausfall..“-> ich habe es übersprungen… 🙂
Der *turtle Drink* hat auch eine coole Wirkung. 🙂
http://www.youtube.com/watch?v=Boo9llCz4CM
Danke für die info turtle!
kall: „und die irdischen Rezepte sind relativ harmlos“
*lachflash*
Ich beiß gleich in die Tischkante… Sowas wie die Erklärung der Jahreszeiten von „Zwenn“ habe ich ja selten gehört :O
Reim dich, oder ich hau dich! 🙂
*lol*