Geschichten

Die Kuckucksuhr -II-

Die meisten Leser des Bestatterweblogs kennen ja Frau Birnbaumer-Nüsselschweif bereits, wer sie noch nicht kennt, der wird sie schon noch kennenlernen. Es genügt zunächst, Folgendes zu wissen: Die kinderlose, etwas dralle und omnipräsente Frau Birnbaumer-Nüsselschweif ist Mitglied des kirchlichen Mütterkreises, Vorsitzende der Afrika-Gruppe und Mitglied in weiteren wenigstens 20 Vereinen. Unter dem Deckmäntelchen, für jeden Hilfsbedürftigen nur das Beste zu wollen, hat die Birnbaumer allerdings nur im Auge, sich selbst als lebendig gewordener Schleimauswurf von Mutter Theresa und nachgerade als deutsche Multiinkarnation des Dalai Lama darzustellen.

Wenn irgendwo Geld für ein Jugendhaus gesammelt wird, dann helfen da ganz viele mit, in der Zeitung sieht man später nur die Birnbaumer-Nüsselschweif. Sie ist es, die morgens vor der Schule patrouilliert, um durch ihre viertelstündige Präsenz sowohl Kinderschänder, Drogendealer, als auch potentielle Amokläufer einzuschüchtern. Und sie ist es auch, die dem „Sicherheitskomitee zur Verbietung offener Flammen beim Martinsumzug“ vorsteht und die gerne auch mal mit einem umgehängten Plakat vor der einzigen Raucherkneipe gegen den Nikotinmißbrauch protestiert.

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Jetzt steht sie mir also an der Wohnungstür der Mandels gegenüber und wird von Frau Mandel schon erwartet. Denn die Birnbaumer-Nüsselschweif ist diejenige, die im Auftrag der Kirchengemeinde die nicht mehr benötigte Kleidung des verstorbenen Herrn Mandel abholen soll.

Ich nicke ihr nur kurz und kühl zu und gehe an ihr vorbei. Und während Frau Mandel hinter mir die Tür schließt, höre ich, wie die Birnbaumer-Nüsselschweif begeistert juchzt: „Ach, was ist das denn da für eine schöne Kuckucksuhr, die ist ja supersüß, die wollen Sie doch bestimmt auch nicht mehr, oder? Die geben Sie auch her, oder nicht?“

Pietätlose, habgierige Fettschlampe, schießt es mir durch den Kopf und denselben noch eine ganze Weile schüttelnd fahre ich zum Büro.

Gut, ich kenne das ja nur zur Genüge, kaum ist jemand tot -manchmal lebt er auch noch so gerade eben so ein bißchen vor sich hin- da sind immer schon die Aasgeier da und kreisen über der vermeintlichen Beute und dabei handelt es sich nicht um den Kadaver des Verstorbenen, sondern um die ganzen vielen kleinen Habseligkeiten, die er hinterlassen hat oder wird.

Kennt noch jemand diese kleinen Plastikharken mit etwa ein Meter langem Stiel? Man benutzt(e) die, um die Fransen eines Teppichs immer schön in redlich-deutschem Gleichstrich zu halten. Um so eine doofe Plastik-Fransenharke entbrannte in einem unserer Beratungsräume einmal ein Streit unter den Hinterbliebenen. Die einen waren der Meinung, daß derjenige, der den Teppich bekommt, logischerweise auch die Harke beanspruchen darf und die anderen vertraten den Standpunkt, daß es ja wohl sonnenklar sei, daß alles gerecht geteilt werden müsse und einer den Teppich und der andere die Harke bekommen müsse.
Wenn man mich fragt, ich hätte den Teppich bevorzugt, aber mich fragt ja keiner und so stritten sich die Leute in vollkommene Rage und zankten sich mit hochroten Köpfen um eine Plastikharke für 3 Euro 50.
Merke: Für jeden Firlefanz gibt es einen passenden Aasgeier.

Doch zurück zu Frau Mandel und ihrem toten Schorsch.

Dank des glücklichen Umstands, daß ich Pfarrer und Friedhofsamt rasch erreicht hatte, konnte die Beerdigung schon drei Tage nach dem plötzlichen Herztod von Georg Mandel stattfinden. Am Morgen des Beerdigungstages kam Frau Mandel zu uns ins Haus und besuchte ihren „Schorschi“, der in einem unserer Aufbahrungsräume auf seinen Abtransport zum Friedhof wartete.

„Ach, Schorschi, was machst’e denn? Jetzt liegst du da und ich hab‘ die ganze Scheiße am Backen. Komm her, ich kämm‘ dich noch mal, damittu auch schön die Haare fein hast, Schorschilein.“

Ich ließ Frau Mandel mit ihrem Schorsch alleine und nach einer guten halben Stunde kam sie dann heraus, ein leichtes Lächeln lag auf ihren Lippen und ich konnte sehen, daß sie Abschied genommen hatte.
Als wir wenig später den Deckel auf den Sarg machten, schien es mir fast so, als würde auch Schorsch ein wenig lächeln.

Zur Beerdigung an sich gibt es nichts Besonderes zu berichten. Gut zwei Dutzend Leute waren gekommen, die meisten davon Nachbarn. „So nimm denn meine Hände“, das Ave Maria, eine gut vorgetragene Standardrede vom Pfarrer und dann drei Schaufeln Sand auf den Deckel, das war’s.

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