Branche/Kommune

Die Leichenschuhe

Wusstet Ihr, daß es Leichenschuhe gibt?
In meinem letzten Artikel beschrieb ich ja schon, warum man bei uns normalerweise den Verstorbenen keine Hüte, Schuhe oder Brillen anzieht. In anderen Ländern haben die Menschen aber andere Vorstellungen und so ist es beispielsweise in einigen Gegenden Italiens üblich, dem Verstorbenen stets einen neuen Anzug und nagelneue Schuhe anzuziehen.

Die Bestattungsautos der italienischen Kollegen sind, nebenbei bemerkt, auch besonders üppig ausgestaltet. Große Panoramafenster, viel Chrom, Laternen- und Fahnenhalter und alles was man braucht, um einen Sarg mit viel Blumenschmuck offen sichtbar zu fahren. Beerdigungen werden dort ohnehin viel aufwändiger zelebriert als bei uns.
Als ich 1989 an einem Krankenhaus einen italienischen Kollegen mit seinem, für meine Begriffe schönen, Bestattungswagen sah, sprach ich ihn an. Glücklicherweise konnte er mehr Deutsch als ich Italienisch. Er war froh, daß ich mich freundlich zeigte, denn er hatte ein Problem. Der Italiener war gekommen, um einen Verstorbenen aus dem Krankenhaus abzuholen und wollte wissen, wie lange er den noch da lassen könne, denn er habe den Wagen noch voll.

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Ich komme zuerst aber noch einmal auf den neuen Anzug und die neuen Schuhe aus dem oberen Absatz zurück: Nicht alle betroffenen Familien können es sich leisten, nur für die Beerdigung das Geld für einen nagelneuen Anzug und ein Paar Schuhe aufzubringen. Das wissen auch die Bestatter und haben deshalb Anzüge aus ganz einfachem, dünnen, schwarzen Tuch im Angebot, ohne Futter, mit nur angedeuteten Taschen und ganz simpel zusammengenäht. So einen Anzug kann man einem Toten anziehen, muss aber dabei schon vorsichtig sein, daß er nicht auseinanderfällt. Zugegebenermaßen sieht so ein Anzug aber sehr gut aus, eigentlich keine schlechte Idee.
Es gibt auch Schuhe, die aussehen, wie wertvolle Lederschuhe, aber aus nichts anderem als lackierter Pappe bestehen.

Zurück zu unserem italienischen Bestatter, der den Wagen voll geladen hatte.
Der italienische Bestatter erzählte mir, daß er den Wagen vollgeladen hat mit Bestattungsanzügen und Leichenschuhen und die seinem Bruder bringt, der sich in Sachsen niedergelassen hatte. Diese Bruder verkaufte dann diese Anzüge als italienische Modellmode und auch die Schuhe für teures Geld.
Seine Masche war es, die Ostdeutschen auf Rastplätzen anzusprechen, denen gute Anzüge und gute Schuhe zu zeigen und dann nach der Bezahlung Schachteln mit den minderwertigen Totenwaren herauszugeben. Wenn die Käufer dann die Sachen zu Hause anprobierten, mussten sie feststellen, daß die Schuhe schon nach wenigen Schritten aus dem Leim gingen und die fadenscheinigen Ersatzanzüge allenfalls einem männlichen Stripper zum Vom-Körper-Reißen dienen konnten.

Ich will noch kurz einen kleinen Hinweis auf die mangelnde Konsumerfahrung der Ost- und Mitteldeutschen Bürger kurz nach der Wende loswerden. Das nun oben Gesagte soll die so genannten „Ossis“ nicht als dumme Menschen darstellen, sondern verdeutlichen, wie leicht es damals war, die in diesen Dingen oft recht unerfahrenen Ossis übers Ohr zu hauen und auf welche Ideen manche gekommen sind, um eine schnelle Mark zu machen.

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#leichenschuhe

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