DIREKTKONTAKT

Geschichten

Die Porno-Mafia ist ein 17-jähriger -3-

Mareike und Rudi sahen sich nur verständnislos an. Es kam in ihrer mager gestrickten Öko-Software überhaupt nicht vor, dass Menschen bei 8 Grad frieren könnten.
Man muss allerdings wissen, dass Rudi ausschließlich Fleece-Kleidung trug, immer. Also so Sachen, die andere Leute so im tiefsten Winter draußen anziehen. Doppelt gesteppt, innen mit Membran und außen kratzig-flauschig.
Und da Mareike und Rudi immer nur Partnerlook trugen, war natürlich auch die grauhaarige Madame so angezogen. Mit Kapuze auf!

Wir anderen hatte blaue Fingerknöchel und ich sah am Horizont schon Eisbären in der flirrenden Kälte…

„Jetzt gibt’s erst mal Tee, dann wird’s uns allen warm!“, verkündete Madame Mareike und Rudi holte von nebenan Getüme.

Also als er wieder reinkam, hatte er irgendwelche Ungetüme auf den Armen, irgendwelche Würste aus Stoff. „Das sind Wärmemäntel! Zieht Euch die doch an, die tragen wir abends auch manchmal. Um diese Jahreszeit wird es ja manchmal abends etwas frisch.“ Mit diesen Worten warf er jedem von uns so eine Stoffwurst zu.

Wie soll ich die Stoffdinger nun beschreiben? Hmmm…
Man kennt doch Schlafsäcke, oder? Okay, und nun schneide man in den Mumien-Schlafsack links und rechts Löcher für die Arme und Hände rein und unten vorne mache man einen Schlitz für die Füße.
Verschlossen wird das ganze durch einen von innen zu bedienenden Reißverschluss.

Sagen wir es mal so: Wären die Armlöcher in Schulterhöhe, hätte es bestimmt einer von uns geschafft, seine Arme hindurchzustecken. Da die Löcher aber so auf Hüfthöhe waren, konnte man mehr oder weniger nur seine Hände herausstecken. Ähnlich war es mit der Fußöffnung. Die befand sich zwar an der richtigen Stelle, war aber nur sehr schmal.
Die Allerliebste wollte aufstehen, um Mareike beim Teemachen zu helfen.
Es gelang ihr erst nicht. Erst durch die tatkräftige Mithilfe von Frau Büser und Volkhardt kam sie auf die Beine.
Sie sah in etwa aus, wie eine karierte Raupe mit dem Lauftalent eines mittleren Seeelefanten und der Eleganz eines arthrosekranken Pinguins beim Landgang.

Mehr hüpfend als laufend und nach zweimaligem Hinfallen schaffte meine Frau aber den Weg in die Küche.

„Wo ist eigentlich Tina?“, fragte Volkhardt und aus einer der Mumienwürste kam: „Luft! Ich ersticke gleich!“

Sie ist nicht erstickt, wir haben den Kopf der nur 155 großen Tina oben herausgezogen. Als Einzige konnhte sie dann ihren Tee nur mit fremder Hilfe trinken.
Wir anderen spielten Raupe und irgendwie gelang es uns, uns halbwegs zu bewegen. Aber ohne die Wärmewürste wären wir alle gestorben.
An der sensationellen Wärmwellenheizung bildeten sich inzwischen Eisblumen und die Scheiben in den Fenstern knackten vor lauter Kälte.

Ich glaube heute ja, dass Rudi uns nur gefriertrocknen wollte, um unsere Pläne zu torpedieren. Aber die Allerliebste ist fest davon überzeugt, dass Rudi und Mareike ein sehr spartanisches Leben führen. Dafür spräche, so meint meine Frau, dass sie keine Lebensmittel im Haus hatten, nur 10 Kilo Nudeln und ein Döschen Maggi Delikatess-Soße zum Anrühren.

An diesem denkwürdigen Nachmittag, der uns allen als Madentag im Gedächtnis geblieben ist, ging die Ära Rudi zu Ende.
Wir sahen ihn dann noch einmal beim Notar und dann nie wieder.

Ich kann gar nicht sagen, wie groß die Last war, die von mir abfiel. Um es lustig und kurz zu halten, habe ich gar nicht genug davon erzählt, wie sehr Rudi genervt hat und wie oft und lange er bei mir war.

Doch mit dem war es dann, zumindest in Hinblick auf uns, endlich vorbei.

Später erfuhr ich, dass sich Rudi forthin einem anderen Hobby widmete. Er verklagte Mieter. Drei große Mietshäuser, etwa 25 Mietparteien, da kann man als Vermieter schon ganz schön was zusammenklagen und Leute unnötig vor Gericht ziehen. Ein Fulltimejob! Jedenfalls heißt es in der Stadt, bei ihm habe noch nie jemand seine Kaution zurück bekommen. Im Gegenteil, die Forderungen für Nachbesserungen und Wiederinstandsetzung der „von Mietnomaden zerstörten Wohnungen“ würden auch heute noch die Gerichte beschäftigen.

Geschichten

Die Geschichten von Peter Wilhelm sind Erzählungen und Kurzgeschichten aus dem Berufsleben eines Bestatters und den Erlebnissen eines Ehemannes und Vaters.

Die Geschichten haben meist einen wahren Kern, viele sind erzählerisch aufbereitete Tatsachenerzählungen.

Die Namen, Geschlechter und Berufe der erwähnten Personen sind stets verändert.

Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 14. März 2019 | Peter Wilhelm 14. März 2019

Lesen Sie bitte auch:


Abonnieren
Benachrichtige mich bei
2 Kommentare
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anzeigen
Christian
5 Jahre zuvor

Das war mal wieder eine schöne „alte“ Geschichte. Davon darf es gerne wieder mehr geben, aber man kann es auch nicht erzwingen. Allerdings erschliesst sich mir der Titel des Dramas nicht. Eventuell kann der Autor da ja noch erläuternd tätig werden.

4 Jahre zuvor

Rudi klingt nach einer sehr ekelhaften Person. Sehr gute Charakterzeichnungen!

Ich liebe diese Geschichten sehr!

Liebe Grüße aus Jena




Rechtliches


2
0
Was sind Deine Gedanken dazu? Kommentiere bittex
Skip to content