Noch ’ne Kiste…
Mein Schwager verstarb sehr plötzlich an einem Herzinfarkt. Allerdings nicht in Deutschland, sondern in Kinshasa, Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo, wo die Familie meiner Schwester damals lebte.
Meine Schwester kam dann sobald wie möglich in ihr hiesiges Domizil, von wo aus wir die Überführung ihres Gatten nach Deutschland und die Bestattung auf dem lokalen Friedhof organisierten. Ein Umstand allerdings gefährdete unerwartet unsere Planungen: Der Arzt in Kinshasa hatte im Totenschein als Todesursache etwas angegeben, was die deutschen Behörden mit „Herzversagen“ aus dem Französischen übersetzten. Herzversagen wird aber hierzulande nicht mit Herzinfarkt gleichgesetzt und gilt damit nicht als Nachweis einer natürlichen Todesursache, denn Herzversagen kann auch durch Vergiftung, Gewalteinwirkung o. Ä. hervorgerufen werden.
So nahm der Leichnam meines Schwagers nach seiner Ankunft in Deutschland einen unvorhergesehenen Umweg über das zuständige Rechtsmedizinische Institut. Meine Schwester rief, nachdem der Bestatter uns diesen Umstand mitgeteilt hatte, dort an, um zu erfahren, wie lange die Prozedur dauern würde. Sie hatte auch gleich Herrn P., den Leiter des Instituts, am Telefon. Seine ersten Worte: „Hab schon gehört, dass da noch ’ne Kiste kommt heute!“ Zum Glück gehört meine Schwester zu den Menschen, die auch in einer solchen Situation eine gewisse Bodenständigkeit und vor allem den Humor nicht verlieren…
Zum Glück ging’s alles recht schnell, so dass Trauerfeier und Beerdigung dann doch zügig organisiert werden konnten.
©Gerrit Gätjens 2016
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Schlagwörter: Kiste, Kongo, Schwester
Nicht fein die Aussage des Pathologen, aber ich denke, dass man gerade in so einem Beruf abstumpft, wo man den Menschen im sprichwörtlichen Sinne in- und auswendig kennenlernt.
Manche Bestatter sprechen ja auch davon, dass sie wieder „drei Stück gemacht haben“, was ich auch nicht sehr glücklich in der Wortwahl finde.
@Der Boandlkramer: Meine Geschichte hat zwei Topoi: Zum einen natürlich die etwas kantige Art, mit der Dr. P. – den „Doktor“ habe ich versehentlich unterschlagen; sorry, Herr Rechtsmediziner – das Gespräch mit einer trauernden (sollte man jedenfalls erstmal annehmen) Witwe eröffnet. Ich glaube, Kommentator Josef hat das mit „Selbstschutz“ gut auf den Punkt gebracht. Der Mann hat ja nicht nur mit auf alle denk- und undenkbaren Weisen ums Leben gekommenen Toten zu tun, sondern auch mit deren Angehörigen, was vermutlich manchmal schlimmer ist als die eigentliche Arbeit. Wir nahmen seine Bemerkung auch eher als kleinen komischen Moment in einer alles in allem traurigen Angelegenheit wahr.
Der andere Topos ist der bürokratische bzw. rechtliche Aspekt. Ich glaube zwar nicht, dass ein solcher Fall allzu häufig vorkommt, aber er zeigt auf, womit man rechnen muss, wenn die Todesursache nicht eindeutig formuliert ist.
In meiner Gegend sagte man das auch, ist aber nicht so gemeint wie sich es anhört. Das blieb ja unter den Kollegen, wenn mann sich erzählte das man vier oder sechs Stück gemacht hatte! Auch in Bezug auf den Kommentar des Pathologen sieht man, das in diesem Metier ein gewisser Abstumpf Effekt einsetzt.
Wahrscheinlich eine Art Selbstschutz, bei einem mehr ausgeprägt, bei anderen weniger.