Geschichten

Dominic -5-

Ich habe mir den Mund fusselig geredet, um Dominic klarzumachen, dass er den jungen Mann anständig bezahlen soll. Und dieses Gespräch war auch das erste Mal, daß ich mich über sein Verhalten nicht nur wunderte. Er schlug mit der flachen Hand auf den Tisch und brüllte: „So wie ich das mache, ist es richtig, da lasse ich mir von niemandem reinreden!“

Gut, gut, gut… Immer mit der Ruhe! Ich nahm Abstand davon, Dominic in seine Angelegenheiten reinzureden, ich hatte es ja nur gut gemeint. Aber gut gemeint ist ja bekanntlich die häßliche Schwester von scheiße gemacht.

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Es blieb dabei, ich besuchte Dominic alle paar Wochen, mal kochte ich was, mal backofte er uns was.
Im Laufe der Zeit lernte ich alle Personen kennen, die zu seinem Hofstaat gehörten.

Das war einmal die Reinemachefrau Frau Bolte. Sie ist auch schon über 70, macht schon seit 25 Jahren bei Dominic sauber und kam alle 14 Tage.
Dann war da noch eine kecke blonde Mittvierzigerin mit einem unaussprechlichen polnischen Namen, die Dominic alle drei Wochen die Haare schor. Außerdem kam eine Fußpflegerin zu ihm und einmal in der Woche eine Physiotherapeutin.
Außer mir hat Dominic noch drei Personen, die ab und zu zu ihm kommen, sowie die beiden Damen, die einmal die Woche zum Fremdsprachenunterricht erscheinen.

Abgesehen von mir und Bernd, von dem ich noch erzählen werde, sowie den beiden „Schülerinnen“ waren alle Leute also irgendwie von Dominic abhängig. Sei es durch den Obolus, den er für ihre Dienste zu entrichten hatte, sei es aber auch durch die Rückzahlung kleinerer Darlehen, die er diesen Leute gewährt hatte.
Denn finanziell geht es dem 80jährigen gut, er hat vor Jahren einen schönen Schnitt mit einem klugen Aktiengeschäft gemacht und bekommt obendrein auch eine gute Rente.

Nun könnte man ja meinen, ein wohlhabender Rentner hätte sich im Laufe seines Lebens viel Schönes angeschafft und lebe in einer schönen Wohnung.
Dem war aber nicht so. Die Wohnung war klein, hoch oben im Haus, hatte nur ein winziges fensterloses Bad und Dominic mangelt es an jeglichem Geschmack, was die Einrichtung seiner Wohnung anbetrifft.
Es gibt Möbel, aber kaum ein Stück paßt zum anderen, alles ist lieblos eingeräumt, so als stünde es noch dort, wo die Möbelpacker es beim Einzug fürs Erste abgestellt hatten.

Die Schränke, das habe ich dann später gesehen, sind größtenteils leer. An Kleidung besitzt er einen schmalen, halben Schrank voll. Aber Werkzeug, Kabelreste, Elektronikgeräte deren Erfinder längst verdorrt sind und jede Menge Schrauben, Dübel, Nägel und Klemmen liegen überall in der Wohnung, meist in der Nähe einer größeren Pharmasammlung herum.

Sein Wohnzimmer habe ich nie länger als zwei Minuten betreten. Es zu heizen und zu beleuchten lohne sich nicht, und in der Küche sei es doch mal viel gemütlicher.

Überhaupt spielte sich Dominics Leben hauptsächlich zwischen Küche und seinem Büro ab. In diesem Büro stand sein Computer, an dem er seine unzähligen Excel-Tabellen führte und seine Mails verfasste.

Per Mail stand er auch in Verbindung zu seinen Kindern, die alle weit entfernt, an Frankreichs entlegenstem Zipfel wohnen.

Und per Mail stand Dominic mit beinahe jedermann in Verbindung, der ihm über den Weg lief.

Oft genug zeigte mir Dominic eingegangene Mails, um meine Meinung dazu einzuholen. Dabei durfte man dann auf einem niedrigen Tischchen hinter ihm Platz nehmen und ihm über die Schulter schauen.
Jetzt funktionieren ja eigentlich alle Mailprogramme so, daß der Benutzer eine Liste seiner Mails sieht. Dort stehen der Absender, das Datum, der Betreff und eventuell noch eine Zeile des Textes. Man klickt nun eine Mailzeile in der Liste an, und die dazugehörige Mail wird im danebenliegenden Fenster geöffnet. Man liest oder beantwortet sie und klickt dann die nächste Vorschauzeile an, um die nächste Mail zu bearbeiten.

So läuft das normalerweise.

Aber nicht bei Dominic. Er startet mit dem Windows-Desktop, öffnet über das unten links liegende Menü das Mailprogramm und sieht dann die eben beschriebene Liste. Er doppelklickt eine Mail an und diese öffnet sich in einem neuen Fenster. Dominic markiert und kopiert den Inhalt der Mail, schließt das komplette Mailprogramme, öffnet einen Texteditor und fügt dort den Inhalt der Mail zum Lesen ein. Dann liest er.
Nach dem Lesen öffnet er ein Fenster, in dem sich hunderte von Unterordnern befinden und verschiebt die eben erzeugte Textdatei in einen dieser Ordner. Da gibt es einen mit meinem Namen, in den meine Mails kommen, einen Ordner für die Amazon-Bestellungen und wie gesagt noch 20 Dutzend andere.
Im nächsten Schritt startet er sein Mailprogramme neu, das dauert ewig, dann geht das gesamte Spiel von vorne los.
Um vier oder fünf Mails zu lesen, benötigt man auf diese Weise knapp eine Stunde.

„Gestern bin ich erst um halb drei ins Bett gekommen, ich hatte so viele Mails zu beantworten, es waren sechs oder sieben.“

Ich wäre nicht der Erste, der versucht, ihm zu erklären, daß man das alles auch zeitsparender erledigen könnte. Doch davon will er nichts wissen, denn das ginge ihm von der Zeit ab, die er dafür benötigt, ungefähr die Hälfte der Mails auszudrucken und dann beim nächsten Besuch von Kevin abheften zu lassen.

Aber immerhin, Dominic ist über 80 Jahre alt, da ist es schon etwas Besonderes, daß er überhaupt mit dem Computer umzugehen weiß.

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    #Dominic #erst #Verhalten

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