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Endlich isse tot!

„Nee, watt bin ich froh, datt die Alte endlich tot is! Die is uns ja sowatt von auf den Sack gegangen, datt gaubense gar nich.“

Ich sage gar nichts, glaube gar nichts, denke mir nicht einmal meinen Teil, sondern nehme diese Aussage von Herrn Stammlage nur zur Kenntnis. Als Bestatter hört man zuviel, als daß einen jede Geschichte vom Hocker reißt oder jedes Schicksal interessieren könnte. Es kommen ja nicht nur Leute zu uns, die glauben einen Mord beobachtet zu haben und wir haben es auch nicht tagtäglich mit dramatischen Entwicklungen rund um Tod und Trauer zu tun. Das was hier im Weblog steht, ist eine Essenz.
Die meisten Fälle gleichen sich, es sind die immer wiederkehrenden Schicksale und Geschichten von Demenz, langer Pflege, Krebs und Altenheim, das Ende eines jeweils meist langen Lebens; Geschichten und Schicksale, die mich in meiner Vorstellung bestärken: Alt werden ist toll, alt sein hingegen weniger.

Herr Stammlage ist ein recht einfacher Mann, macht aber nun nicht den Eindruck eines herzlosen oder hartherzigen Menschen auf mich. Er wird also seine Gründe haben, warum er den Tod seiner Mutter mit den Worten: „Endlich isse tot!“ kommentiert.

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„Damitt’se mich nich falsch versteh’n: Die war schon ne ganz Liebe und ich bin ja auch watt traurich, aber datt war die Hölle mitti Alte.“

Dann erzählt er:

Sein Vater ist vor 18 Jahren gestorben und damals hatte die Mutter ihm großzügig das kleine Haus in der Besenfeldstraße überschrieben („Wegen die Erbschaftssteuer“).
Oben hat das Haus nur zwei Kinderzimmer und eine Toilette und die Mutter hatte sich bereit erklärt, dort oben einzuziehen, damit ihr Sohn mit Frau und Kind die Dreizimmerwohnung unten beziehen konnte. Soweit keine schlechte Idee, fand Stammlage damals und baute seiner Mutter oben eine Küche und ein kleines Badezimmer ein. Doch für all ihre Möbel war oben kein Platz und so verblieben ein Kleiderschrank im Schlafzimmer, ein Buffet im Wohnzimmer und ein Hochschrank in der Küche der unteren Wohnung. Da wollte Sie dann ab und zu mal was holen und sich allmählich dann so einrichten, daß sie irgendwann mal alles oben habe.

Bei diesem Wunsch ist es allerdings geblieben und stattdessen werkelte die alte Dame etwa zwölf Stunden am Tag ihrer Schwiegertochter zwischen den Füßen und Händen herum. „Es hat ja nix gegeben wo die nich drangegangen is. Die hat sogar die Wäsche von meiner Frau und mir anders inne Schränke umgeräumt und einfach Geschirr weggeworfen. Die hat alles bestimmen wollen, so als ob die da unten nie ausgezogen wär‘.“

lkkk,looooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooo (Gruß von der Katze)

Selbst wenn die Schwiegertochter Essen auf dem Herd stehen hatte, ist Mutter Stammlage einfach hingegangen und hat die Speisen nach ihrem Gutdünken nachgewürzt und einmal, das war vor etlichen Jahren, soll sie sogar einmal gesagt haben: „Ihr dürft es nich so oft machen, so oft wie ihr die Bettwäsche versaut…“

„Die is auch einfach anne Waschmaschine gegangen und hat die Wäsche aussortiert, manche Sachen hat die einfach inne Altkleidersammlung gegeben. Ich spiel bei die alten Herren Fußball und einma im Jahr bisse dran mit Trikots waschen. Da hab ich also die Trokots vonne ganze Mannschaft in Keller und die Omma geht runter und sortiert die Hälfte aus und schmeißt’se inne Altkleider.“

Ein anderes Mal kommen die Stammlages vom Einkaufen zurück und wollen ihre Vorräte in den Vorratskeller räumen, und mußten feststellen, daß die Alte während ihrer Abwesenheit nahezu sämtlichen bereits vorhandenen Vorräte in die Mülltonne entsorgt hat, weil ihrer Meinung nach heute alles so schnell schlecht wird. „Die hat sich die Mühe gemacht, alle Dosen mittem Dosenöffner aufzumachen, den Inhalt in die braune Tonne zu kippen und die Dosen in die grüne Tonne. Da konnteste nix mehr retten.“

„Fernsehen konnten wir auch nich watt wir wollten. Abends kam die wie selbstverständlich runter und hat die Fernbedienung genommen: ‚Hier, ich hab inne Fernsehzeitung angekreuzt watt heute Abend kommt‘.“

Ich sage es Herrn Stammlage nicht, aber ich denke mir meinen Teil. Schuld an dieser Situation trägt ganz alleine er. Ich finde, er hätte direkt nach dem Überschreiben des Hauses und dem Einzug für klare Verhältnisse sorgen müssen. Eine Übergangsphase und dann Schloss auswechseln und Privatsphäre schaffen, anders funktioniert das nicht.
Es wird zwar immer für die Mehrgenerationenfamilie plädiert, aber meine Oma hat immer gesagt: Alt und Jung unter einem Dach, das verträgt sich nicht.

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(©si)