Geschichten

Fett 3

Es ergab sich hinsichtlich meines Planes aber eine Schwierigkeit. Der Raum, in dem sich das Bett mit dem Verstorbenen befand, ließ es aufgrund seiner Dimensionen gar nicht zu, daß man in vernünftiger Weise die Helfer hätte postieren können.
Inzwischen war Martin mithilfe von drei Bettlaken so abgedeckt und eingewickelt, daß er komplett umhüllt war. Mit den Gurten hatten Manni und meine Männer an mehreren Abschnitten nun sozusagen Griffringe um den Körper gelegt.
Es kam mir vor, als würde ich in meinem Kopf mit Zinnsoldaten die Aufstellung zu einer komplizierten Schlacht durchspielen. Egal, wie ich die Männer auch postierte, es gab keine Möglichkeit, den dicken Mann auf eine irgendwie würdig erscheinende Weise aus seinem Bett heraus zu bekommen.

Das Problem ergab sich dadurch, daß es am Fußende des Bettes nur eine etwa 30 Zentimeter breite Schneise zwischen Fußbrett und Schrank gab. Die Helfer auf der anderen Seite des Bettes hätten also auf das Bett treten müssen. Man kann sich vorstellen, daß man keine große Last anheben kann, wenn man selbst auf einer wackeligen Matratze stehen muß.

Meine Überlegungen wurden durch ein lautes, mehrstimmiges Martinshorn1 gestört. Es hatte doch jemand die Feuerwehr verständigt. Sekunden später bekannte sich der eine der beiden Polizisten dazu; er habe auch noch ein paar Kollegen als Verstärkung angerufen. Man merkte dem Mann an, daß er durch diesen Aktionismus seine vorherige Haltung wiedergutmachen wollte.

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Wie befürchtet war die Feuerwehr mit großen Geläut aufgefahren und hatte neben der neuen Drehleiter noch zwei große Wagen, mehrere Kleinbusse und einige PKW mitgebracht.
Der leitende Feuerwehrmann kam kurz darauf ins Schlafzimmer und wandte sich an die Polizisten; die jedoch verwiesen ihn an mich.
Nach kurzer Inspektion der Örtlichkeit entschied der oberste Brandbekämpfer, daß eine Bergung mit der Drehleiter wegen der Balkone am Haus und der davorstehenden Bäume kaum in Frage käme.

„Ja, und was machen wir nun?“, fragte ich ihn: „Ich meine, es ist sehr schön und ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie mit so vielen Helfern gekommen sind, aber selbst wenn es hundert Mann wären, es fänden in dem Zimmer nicht genügend Leute Platz, um den Toten sinnvoll anzuheben und ihn hinaus zu befördern.“

Ja, sie hätten das so ein Transportbrett, extra für so beleibte Menschen. Das könne man hochbringen und mit vereinten Kräften unter den Toten schieben. Dann darauf festschnallen und raustragen.

„Okay“, sagte ich, „so weit, so gut. Aber bitte, wenn dieses Brett zwei Meter lang und gut einen Meter breit ist, wie wollen wir damit hier im Flur um die Ecke kommen? Da wäre dann sozusagen die Küche im Weg.“

„Auch wieder wahr. Bewegen kann man den nur, wenn er noch labberig ist“, stimmte der Feuerwehrler zu.

„Dann sollten wir uns beeilen, bevor die Totenstarre einsetzt, denn sonst wird der von alleine bretthart“, mahnte Manni.

Aus der Küche: „O weh, diese Schande!“

Ich griff zum Handy und kommandierte Sandy in die Wohnung, um der Frau in der Küche etwas Beistand zu leisten. Die Langbeinige brauchte eine Weile, um sich von den, sich um sie scharenden Feuerwehrmännern zu lösen, und kam dann herauf.

Der Feuerwehrhauptmann hatte eine Idee: „Na ja, dann zerlegen wir im Schlafzimmer halt den Schrank, dann haben wir am Fußende mehr Platz. Vielleicht können wir auch das Bett zerlegen, indem wir unten das hohe Fußbrett absägen. Dann können wir ihn nach vorne, also zum Fußende hin aus dem Bett herausdrehen und bis in den Flur ziehen.“

„Und dann?“, fragte ich.

Gemeinsam gingen wir den Weg ab. Sechs bis acht Leute brauchte man, um Martin bewegen zu können, so viel war klar.
Aber die müßten seitlich vom Verstorbenen an den Haltegurten gehen. Wenn überhaupt, würde Martin aber gerade so, und das nur seitwärts, durch die Schlafzimmertür und die Wohnungstür passen.

„Holt Ihr das fette Schwein?“, tönt auf einmal aus dem Flur eine Stimme. Eine Frau mit spitzer Nase hatte ihren Kopf aus der Wohnungstür gegenüber gesteckt und glotze uns mit aufgerissenen Augen an.
Ich muß meine Leser für diese Ausdrucksweise um Entschuldigung bitten, aber mehr als ein „Verpiss Dich!“ kam mir nicht über die Lippen.

„Moooment ma‘!“, ertönte die Stimme des Feuerwehrkommandanten hinter mir und der Hüne schob mich, der ich auch nicht gerade eine zierliche Person bin, einfach beiseite. Mit zwei Schritten war er an der Tür der neugierigen Spitznase und hinderte die beleidigt Dreinschauende am Verpissen: „Was hammwer denn da?“ Er deutete mit dem Zeigefinger geradeaus durch den Flur der Spitzmauswohnung: „Einen Balkon zur Seite!“

Er hatte Recht! Wir mußten Martin nur aus dem Schlafzimmer herausbekommen, ab da ging es kerzengerade durch den Flur seiner Wohnung, über den Hausgang, durch den Flur der Spitzen bis zum Balkon am Ende des Flures. Alles geradeaus. Und der Balkon war frei zugänglich und von außen mit der Drehleiter erreichbar.

Dreißig Minuten später bot sich ein völlig verändertes Bild.
Martins Mutter wurde von einer Bekannten weggebracht. Die Frau hatte zwar nur noch einen Zahn im Mund, kümmerte sich aber äußerst liebevoll um die Mutter. So war die wenigstens mal aus dem Weg und mußte sich die ‚Schande‘ nicht weiter angucken.
Ein Feuerwehrmann sägte in der Wohnung der Spitznase das Fensterkreuz der Balkontüre grob heraus und auch das Balkongeländer mußte daran glauben.

„Mein Gott, mein Fenster, mein schönes Fenster! Mein Balkon, mein Gott, mein Balkon!“

Ich gestehe, ich habe auch heute noch kein Mitleid mit der Vorlauten.

Das Fußbrett von Martins Bett ereilte das selbe Schicksal, es wurde ebenfalls mit dem größten Sägeblatt, das ich jemals an einer Handkreissäge gesehen habe, abgesägt.

Dann ging alles ganz schnell. Etwas pietätlos machte Martin einmal plumps, dann diente eine Gewebeplane als Rutschhilfe und mit vereinten Kräften war er keine vier Minuten später am Balkon der gemeinen Spitzmaus angekommen, immer noch eingeschnürt wie eine Mumie.

Schaulustige sah man nur wenige. Nur vom Park schräg gegenüber schauten einige Leute neugierig nach oben. Allen anderen war von der Feuerwehr der Weg von der Straße seitlich zum Haus verwehrt worden.

Die große neue Drehleiter konnte allerhand, in erster Linie machte sie mal viel Getöse. Vor allem aber brachte sie das angekündigte breite Liegebrett. Das wurde von zwei Feuerwehrmännern auf den Balkon gezogen und dann folgte der schwerste Akt. Martin mußte angehoben und auf das Brett gerollt werden. Auch wenn er jetzt in einer günstigeren Position lag, viel geräumiger als Martins Wohnung war der Kobel der spitznasigen Haselmaus nicht.
Unterdrücktes Fluchen, Ächzen und zwei, drei halblaute Hau-Rucks, dann war es geschafft. Und obwohl viele helfende Hände da waren, japsten alle.
Es ist eben einfach ein Unterschied, ob sechs oder acht starke Männer einen starren VW-Polo an die Seite schieben oder ob man einen schlaffen, biegsamen Menschen, der wie der sprichwörtliche nasse Sack am Boden zu kleben scheint, anheben will.

Es hatte schon fast etwas Majestätisches, als das Brett mit der weißen Mumie vom Balkon nach unten schwebte.

Dann nochmals ein Masseneinsatz feuerwehrlicher Kraft: Wieder Ächzen und Stöhnen, verständlicherweise die eine oder andere Verwünschung, die so ähnlich lauteten wie: „Muß man denn so fressen?“
Aber alles vorgetragen mit Schweiß auf der Stirn und ernstem Gesicht, diesen Helfern war niemand böse, es war nur allzu verständlich, daß sie ob des ungeheuren Gewichts in sich hinein schimpften.

Kurz später lag Martin in voller Größe auf dem nackten Boden des Laderaums unseres Bestattungswagens. Er nahm die volle Breite des VW-Transporters ein. Manni wollte die Klappe schon zu machen, da kam Sandy noch gelaufen und brachte Martins Teddy.

-Fortsetzung folgt-

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INFO KASTEN

1)Zur Schreibweise siehe bitte „Martin-Horn oder Martinshorn?“

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(©si)