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Geburtstagsgewinnspiel

TEILNAHME BEENDET

Ich habe lange hin und her überlegt und bin nun, nach Beratung mit meiner Frau, zu folgendem Ergebnis gekommen:

Aus den ganzen Einsendungen zum zweiten Geburtstag des Bestatterweblogs lassen wir die Leser des Weblogs einen Gewinner auswählen.
So gibt es keine Enttäuschten, die sich mit dem zweiten oder dritten Platz begnügen müssen und nur einen Trostpreis bekommen.

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Zu gewinnen gibt es diesmal entweder ein Buchpaket oder einen Tom-Anruf, die Gewinnerin oder der Gewinner kann dann auswählen, ob er lieber das Bücherpaket, das ich gleich noch vorstellen werde, haben möchte oder ob sie/er lieber mal mit mir ein Telefonschwätzchen führen möchte.

So sieht das Bücherpaket aus:

Ich habe aus allen Büchern, die mir in der letzten Zeit zugegangen sind, eine schöne Auswahl getroffen.

Hier ist Beitrag Nr. 1 von Philipp:

Er hat sich Gedanken zur Pietät Eichenlaub gemacht und folgendes Design entworfen (groß durch Anklicken):


Beitrag Nr. 2 stammt von Tanja:

Sie hat uns eine Geschichte geschrieben:

Der verwunschene Ort

Kastanienbäume stehen vor dem großen Wald im Wind. Es ist ganz still, man hört nur das rauschen des Windes in den Bäumen. Alles scheint friedlich. Die Rehe grasen in den verwilderten Wiesen am Waldrand. Die nächste Stadt ist weit weg. Nur vereinzelt laufen Spaziergänger über die weitläufigen Wanderwege. Im Herbst ist dieses Fleckchen Erde ein verwunschener Ort. Der Wald und die Wiesen leuchten in der tief stehenden Sonne in tausend Farbnuancen. Der Hall des Schusses während der Abenddämmerung hält nur kurz an. Es ist als wäre nichts gewesen. Holly ist das egal, sie ist tot. Sie wurde gerade erschossen. Eben ist sie noch mit ihrem Freund Johannes durch den Wald spaziert. Sie haben geflirtet, gelacht und sich verliebt im Arm gehalten. Johannes geht, ungeachtet des toten Körpers seiner Freundin, weiter über die weitläufigen Wanderwege ins nächste Dorf. Holly liegt einfach nur da und rührt sich nicht. Wie auch? Ihr Gehirn ist im Umkreis ihrer Leiche verstreut, das macht ihr das Aufstehen sehr schwer. In der Eckkneipe des kleinen Dorfes, nahe des verwunschenen Ortes, trinkt Johannes ein kühles Bier mit den einheimischen. Nach einer Stunde kommt ein Mann in die Kneipe. Der Wirt stellt ohne ein Wort ein Bier vor ihm auf den Tisch. Der Rest der Männerrunde nickt ihm mitfühlend an. Johannes versteht nicht was das bedeutet, er weiß nur, er hat gerade seine Freundin umgebracht und es stört ihn nicht. Er trinkt hier in Ruhe sein Bier und alles läuft wie vorher.
Der Mann, später lernt er ihn als Heinrich kennen, weint leise. Ein paar andere Männer zahlen ihre Biere und klopfen Heinrich beim raus gehen aufmunternd auf die Schulter. Der Wirt sieht den Polizisten und Tom zuerst. Tom ist der Dorfbestatter. Er verkündet: „Morgen früh auf dem Friedhof neben der Kirche wird die geliebte Frau von Heinrich, Else Schneider, geborene Jung, vor 2 Stunden verstorben, beigesetzt. Mit ihr wird auch die unbekannte Schöne vom Kastanienbaum beerdigt.“
Dies ist das einzige was Johannes bis jetzt gehört hat. Hier spricht keiner. Nicht einmal der Dorfpolizist als er Johannes antippt, macht er nur Gesten, die Johannes sofort versteht. Er hält sich die Augen zu, danach die Ohren. Am Ende legt er noch den Zeigefinger auf den Mund. „Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen“ denkt sich Johannes und trinkt weiter sein Bier.
Mit dem fünften Bier schiebt der Wirt eine Visitenkarte zu Johannes. Eine Pension im Dorf. Er zahlt und macht sich auf den Weg zur Pension. Katharina nickt nur als er die Pension betritt und gibt Johannes einen Zimmerschlüssel. Die nächsten Wochen tut er nichts. Auch auf die Beerdigung von Holly am nächsten Tag, geht er nicht. Wenn er morgens aufwacht geht er zum Kastanienbaum, legt eine Blume nieder, danach geht er in die Kneipe, setzt sich neben Heinrich und trinkt ein Bier nach dem anderen. Genauso wie alle anderen Männer im Dorf. Frauen gibt es hier nur wenige. Warum, das ist im Dorf ein offenes Geheimnis. Jeder weiß es, aber keiner spricht darüber. Im Frühling, als Johannes langsam das Geld ausgeht kommt Heinrich in die Pension und holt ihn ab. Sie gehen gemeinsam zu Heinrichs Haus, in dem Johannes fortan wohnt. Um Geld zu verdienen arbeitet er Aushilfsweise bei Tom. Wenn gerade keiner stirbt, kleidet er auf Vorrat die Särge aus, wenn Leute sterben hilft er sie zu waschen und an zu kleiden. Tom hat noch eine alte Leichenkutsche, die Pferde dafür müssen gepflegt werden. Johannes hilft auch dabei. Mit dem Geld was er bei Tom verdient, kann er Heinrich die Miete und die Zeche in der Kneipe zahlen. Das reicht ihm. Es ist nun schon Herbst, fast ein Jahr ist es her, das Johannes seine Freundin Holly kaltblütig erschossen hat. Noch immer geht er täglich zum Kastanienbaum und legt seine Blume nieder. Noch immer weiß er nicht was in ihn gefahren ist, vor einem Jahr, als er die Pistole am Baum liegen sah. Am Jahrestag der Ermordung geht er nicht zum Kastanienbaum. Er hat Angst vor dem was er da sehen könnte.
Nach der Arbeit sitzt er wieder in der Kneipe, als ein junger Mann die Kneipe betritt. Er setzt sich an den Tresen und bestellt ein Bier. Johannes hat ihn noch nie gesehen. Er kann auch nicht von hier kommen, hier redet keiner. Kurz nach dem Unbekannten kommt der Mann von Katharina der Pensionsbesitzerin rein, setzt sich an den Tresen und weint leise, während er sein Bier trinkt. Johannes kennt diese Situation und bekommt Angst.
Er will schon gehen, als der Dorfpolizist und Tom die Kneipe betreten. Johannes wartet ab, was passiert. Tom kündigt an: „Morgen früh auf dem Friedhof neben der Kirche wird die geliebte Frau von Simon, Katharina Heimann, geborene Tross, vor 2 Stunden verstorben, beigesetzt. Mit ihr wird auch die unbekannte Schöne vom Kastanienbaum beerdigt.“
Christian macht wieder die Gesten, die Johannes vor einem Jahr bereits gesehen hat.
Er trinkt sein Bier aus, bezahlt und klopft beim raus gehen Simon aufmunternd auf die Schulter.


Beitrag Nr. 3 kommt von Chani:

Sie schreibt dazu:

Ich bin im Moment im letzten Jahr meiner Ausbildung zur staatlich geprüften Graphic Designerin. Unser „großes Projekt“ in diesem Jahr war das komplette Gestalten eines motalich erscheinenden Magazins mit freier Themenwahl: ich entschied mich für ein Satire-Magazin rund um das Thema Tod. „Todsicher“ ist also ein zutiefst sarkastisches zynisches Meisterwerk der Misanthropie, vollgestopft mit interessanten Fakten und Dingen die man gerne weiß, aber nie brauchen wird. Eine monatlich erscheinende Rubrik des Magazins ist der „Bestatter des Monats“, und lustigerweise passt der Artikel wunderbar zu eurem Wettbewerb! Meine Einsendung ist der doppelseitige Artikel aus dem Magazin. Also Vorhang auf für Jack Ripper, unseren klavierspielenden Bestatter des Monats!

Durch Klick auf das Bild gibt es den Text noch mal in groß.
Das Bild in groß gibt es, wenn man hier klickt.
Falls es schlecht zu lesen ist, hier das Ganze nochmals als PDF.


Beitrag Nr. 4 kommt von Kerstin, die uns auch eine Geschichte geschrieben hat:


Der alte Mann

Der alte Mann nahm seine Sachen zusammen und blickte sich noch einmal um. Die Hütte…lange Jahre war sie sein Refugium gewesen. Sein Rückzugs- und Fluchtort vor einer oftmals grausamen Welt.
Doch jetzt wurde es Zeit, aufzubrechen. Sie warteten draußen schon auf ihn und der Weg war lang, den er zu gehen hatte.

Er drehte sich um und besah das Bett, in dem er so viele Jahre verbracht hatte. Seine Kinder wurden hier geboren, um die mussten sich jetzt andere kümmern. Und die Älteste war auch schon groß genug. Verheiratet sogar. Und eigene Kinder. Richtig. Er hatte es fast vergessen.

Er ging zur Tür, öffnete sie und trat in den warmen Frühlingsmorgen. Sie begrüßten ihn mit einem Lächeln, es wurde Zeit, höchste Zeit zu gehen. Vor dem Sonnenuntergang mussten sie ihr Ziel erreicht haben.

Er schulterte sein Päckchen und sie gingen los, immer Richtung Westen. Die Wiesen und Felder waren ihm so vertraut, seit seiner Jugend waren sie immer gleich geblieben. Sommer wie Winter kamen und gingen. Die Bauern, sie wurden älter, gingen fort und die Nachkommen sorgten für den Anbau, doch war tröstlich zu wissen, dass das Land sich niemals änderte.

Niemals?
Er sog tief die süße Frühlingsluft ein. Die Farben waren frischer als alles, was er je kennengelernt hatte. Die Luft wirkte wie Seide auf der Haut. Es war sein Land, und doch war es das nicht. Es wirkte verändert – oder hatte er sich verändert? Er wusste es nicht.
Er bewegte sich schneller und elastischer als seit langer Zeit…wie lange war es her, dass er einfach loslaufen konnte, aus purer Freude am Dasein? Er wusste es nicht und es kümmerte ihn nicht. Seine Gefährten folgten ihm lachend und voll Freude über seine neu gewonnene Kraft. Auch ihnen ist es einst so gegangen.

Mit einemmal ging ihm auf, dass alle Zwänge von ihm abgefallen waren. Zum erstenmal seit er denken konnte, gab es nichts, was er tun musste, was von ihm verlangt wurde. Er war frei, im absoluten Wortsinne. Er konnte tun und lassen was er wollte. Er hielt an und drehte sich um. Einer seiner Gefährten legte ihm die Hand auf die Schulter und schüttelte den Kopf.
„Nein“, sagte er. „Der Rückweg ist verschlossen.“ Ein vages Gefühl der Trauer wollte in ihm aufsteigen, doch dann überwog die Freude dessen, was er jetzt war.

Gegen Mittag wurde die Landschaft ebener, nicht mehr die sanften Hügel, die sie hinter sich gelassen hatten. Die Luft wurde feuchter und der Boden morastiger. Offenbar näherten sie sich einer Sumpflandschaft.
Plötzlich erhob sich ein leichter Nebel und zum erstenmal seit Beginn seiner Reise regte sich in ihm so etwas wie Angst.
„Ich will da nicht hin.“ dachte er und seine Schritte stockten.

Seine Gefährten umringten ihn, besorgt. Aber ebenso entschlossen, ihn mit durch den Sumpf zu nehmen. Einer legte den Arm um seine Schultern und zog ihn mit sich, ein anderer nahm seine Hand. „Komm“ lockten sie. „Nur ein kleines Stück“. Er machte einen Schritt, und den nächsten und mit einemmal war er mitten im Sumpf, knöcheltief stand er im Morast, der Boden drohte, unter ihm nachzugeben.

Seine Gefährten sprachen ihm Mut zu und zogen ihn mit sich. Zögernden Schrittes folgte er ihnen. Das Licht verdunkelte sich zusehends, Wolken zogen auf und kühlten die Luft merklich ab.

Der Wind flüsterte in den toten Bäumen, von denen die Algen wehten. War es wirklich der Wind? Seit wann hat der Wind denn Stimmen? Er schauderte vor Angst. Die Dunkelheit dräute von allen Seiten herein. Seine Angst wuchs und wuchs, bis er kaum noch in der Lage war, einen Fuß vor den anderen zu setzen.

Seine Gefährten hatte er längst verloren, sie waren nicht mehr da, er war alleine. Zu seiner wachsenden Angst gesellte sich auch unendliche Einsamkeit.

Die Stimmen im Wind flüsterten von seinen vergangenen Sünden, von den Boshaftigkeiten, die er begangen hatte, von den Leuten, denen er weh getan hatte und von den unendlich vielen Kleinlichkeiten und Engherzigkeiten in seinem Leben.
Er kauerte auf dem Boden, unfähig, auch nur noch einen Schritt zu gehen. War er wirklich so schlecht?

Er sah ein Gesicht, dass er einst gut kannte. Die Frau sah ihn anklagend an. Sie starb seinetwegen, um das Kind zu gebären, dessen er so sehr bedurfte, dass er darüber vergaß, wie schwer es für sie sein würde.

Nein, er hatte es nicht vergessen. Wenn er ehrlich zu sich war, hatte es ihn nicht interessiert. Er wollte das Kind, was sie ihm schenken sollte, aus reinem Egoismus. Ein Kind sollte weiterleben und seine Genialität weitertragen.

Es kostete sie das Leben.

Und weil er nicht ertrug, an ihrem Tode schuldig zu sein, betrank er sich täglich, um zu vergessen.
Die Stimmen peitschten nun auf ihn ein. Er spürte, dass nur noch Ehrlichkeit vor sich selbst ihn retten konnte. Nur noch dieser kleine Bereich, in dem sich niemand betrügen kann, blieb ihm um sich hier zu retten.
Zögernd gestand er sich ein, dass er nicht trank, um seine Trauer zu verdecken, denn er spürte kaum welche. Es ging ihm darum, vor seinen Pflichten zu verstecken. Vor diesem Kind, das zu pflegen er sich nicht zutraute.
Nein, dass zu pflegen er nicht wollte. Er wollte Nachkommen haben, doch kümmern wollte er sich nicht um sie.
Stück für Stück nahmen die Stimmen seine ganze, erbärmliche Existenz auseinander. Alles, worauf er je stolz gewesen war, wurde Stück für Stück von ihnen weggenommen. Ganz zum Schluß stand er nackt und bloß zitternd im Wind – ihm war nichts geblieben. Seine Selbstachtung, sein Stolz, sein Mut, unerbittlich wurde es weggerissen von den Stimmen. Nichts ließen sie ihm.

Gerade, als er auch die letzte Hoffnung aufgeben wollte bemerkte er unten am Fuße des Hügels auf dem er stand ein Licht, was sich langsam nach oben bewegte.
Er beobachtete das Licht, wie es langsam nach oben ging, während der Sturm und die Kälte weiter zunahmen und inzwischen eisig genug waren, um ihn mit einer dünnen Eisschicht zu versehen.
Doch das Licht wärmte ihn und er beobachtete hungrig, wie es stetig und unaufhaltsam auf ihn zukam.
Endlich war das Licht oben bei ihm angekommen und ihn erfüllte Wärme bei seinem Anblick.
Es waren seine Gefährten, die ihn gefunden hatten.

Er war noch nie so glücklich gewesen, sie bei sich zu haben. Doch waren sie seltsam verändert, sie wirkten klarer und schöner als alles, was er je sah. Wann hatten sie sich so verändert?

Doch plötzlich wurde ihm bewusst, dass nicht sie sich verändert hatten, sondern er. Seine Gefährten, sie waren dieselben wie den ganzen Weg über, doch er nahm sie jetzt ohne dieses Gefühl der Überlegenheit wahr, ohne das Gefühl, etwas besseres zu sein. Die Stimmen hatten ihm nichts gelassen – außer sich selbst. Und das gab er ihnen, mit vollem Herzen.

Und sie nahmen es dankbar an. Dankbar dafür, ihn zu haben, ihn nicht endgültig an die Stimmen verloren zu haben, wie so manchen anderen, den sie durch den Sumpf begleiteten.

Gemeinsam gingen sie weiter. Gemeinsam verließen sie den Sumpf und betraten die weiten Ebenen, die ihm folgten.

Als die Sonne unterging, erreichten sie ihr Ziel. Und als sie über die Brücke aus reinem Licht gingen, ließ er sein Leben und alles, was ihm einst bedeutete, freudig zurück um das zu werden, was er immer gewesen war.


Beitrag Nr. 5 kommt von Leserin Andrea, die ein schönes Foto gemacht hat:


Beitrag Nr. 6 kommt vom „Schnitzel“ von blogbrother.de:

Er hat uns einen kleinen Comic gezeichnet:


Beitrag Nr. 7 kommt von Leser Fabian, der uns auch ein Foto geschickt hat:


Beitrag Nr. 8 ist von Jörg und der schreibt dazu:

Erst ein mal herzlichen Glückwunsch zu Deiner Leistung als Schreiberling. Ich lese den Bestatterwebblog immer wieder mit Freuden.
Als Beitrag zum Gewinnspiel hab ich eine freie Interpretation des (wirklich) letzten Weges oder des Lichtes am anderen Ende anzubieten. Ein Foto, Belichtungszeit ca. 14 Sekunden mit fast geschlossener Blende, morgens im ohnehin gruseligen Hausflur. Besonders schön finde ich, wenn man mal länger hinguckt, das Notausgang Schild. 🙂


Beitrag Nr. 9 stammt von Mirjam, die ein Collagengedicht gemacht hat:


Beitrag 10 kommt von Christina, der einen Bildschirmhintergrund entworfen hat:


Beitrag Nr. 11 wurde von Andreas G. eingesandt.
Er schreibt dazu:

Als Anhang ein Bild der Friedhofskirche von Tirschenreuth.
Ganz interessant ist die Skulptur auf der Spitze des Glockenturms:
es ist der „Sensenmann“ der sehr eindrucksvoll die „Schnittstelle“ vom diesseitigen zum jenseitigen Leben symbolisiert.
Da sich die Skulptur im Wind dreht wird hierzu erzählt, dass der nächste Sterbefall in der Ecke der Stadt sein wird, in die der Sensenmann schaut.
Gut dass ich nicht in Tirschenreuth wohne.


Beitrag Nr. 12 kommt von Tiana, die eine Geschichte geschrieben hat und ein Bild zur Illustration mitsendet:

Tanzparty

Mittwochs wollen wir in diesen Club im Bergischen. Was stand da heute noch mal auf dem Programm? Ah ja, geöffnet – klar – mit Disco.

Wir parken am falschen Eingang, müssen außen herum laufen und treten ein. Schlager-Musik.
Na ja, einer der DJs hat hier eh ab und an mal derartige Ausfälle, dass man meinen könnte, er will die Tanzfläche eher leer als voll spielen. Vielleicht hat er also gerade mal wieder seine dollen fünf Minuten.

Wir ziehen uns um und beginnen den Aufenthalt in gewohnter Weise.
Schließlich finden wir uns an der Bar wieder. Immer noch Schlager-Musik, und zwar Hardcore-Schlager, also deutsch, mit überaus dümmlichen Texten und im Discofox-Takt.

Discofox-Takt… war da nicht… klar, heute ist Discofox-Party. Na, so ein Glück!

Jetzt setzen wir uns aber zumindest direkt an die Tanzfläche, um dem bunten Treiben bestmöglich zuschauen zu können – wenn wir denn schon mal da sind!

Zwei Paare tanzen. Die einen sind in den 60ern und geben ein hübsches Bild zusammen ab: beide sehr gepflegt, fürs Alter gut in Form. Tanzschul-Tanzschritte kann ich bei ihnen nicht aus machen, was aber durchaus ein positiver Aspekt ist. Sehr gut aufeinander eingespielt und sichtlich verliebt geben sie ein schönes Paar ab.
Dennoch umweht sie ein bissl der Spirit der 70er-Jahre-Swinger – beide mit goldenen Strings…
Wir überlegen wie die beiden es wohl damals schon haben krachen lassen und sind erfreut.
Übrigens liegen die beiden heute eindeutig im Altersschnitt. Um uns herum finden sich fast nur Leute, die gut auch meine Eltern sein könnten.

Das zweite Tanzpaar ist wohl um die Anfang 50, beleibter und hat eindeutig vor einiger Zeit einen Tanzkurs gemacht. Unverkennbar, wie sie sich auf die Schrittkombinationen konzentrieren. Dabei und aneinander haben sie aber eindeutig Spaß und sehen zusammen auch ganz nett aus.

Nun kommt ein deutlich jüngeres Paar – schätzungsweise Mitte 30 – auf die Tanzfläche. Beide sind sehr schlank und gestylt, schöne Menschen.
Als sie anfangen zu tanzen, machen sie den guten Eindruck aber direkt wieder kaputt: eindeutig fleißige Tanzschul-Besucher, Marke Goldstar-Kurs. Sie reihen eine Figur an die andere, sehen dabei aus, als hätten sie jeweils einen Stock im Hintern, bewegen sich knapp am Takt vorbei und schauen gar nicht unauffällig, ob auch jeder sie beobachtet.
Dazu scheinen sie die Musik noch wirklich toll zu finden.

Ja, die Musik. Weiterhin Schlager. Es gäbe ja hilfsweise noch weniger anstrengende Liedchen – eher in Richtung Pop – in passendem Takt. Der DJ spielt aber ausschließlich Wolle und Co. Vielleicht sollte man das hier besser Schlager-Party nennen?

Die Goldstar-Tänzer haben immer noch nicht alle Figuren durch. Wissen die eigentlich, wie unerotisch die sind? Deren Tanzen in allen Ehren, aber diese Beifall heischenden Blicke…
Ich glaube, alle Goldstar-Tänzer sind so!

Mag überhaupt jemand Goldstar-Tanzkurs-Besucher? Wir jedenfalls nicht unbedingt. Und – hatte ich das schon erwähnt? – Schlagermusik muss auch nicht wirklich sein!

Ne, dann lieber die Goldstrings oder die beiden mit den schönen Namen*. Die tanzen wenigstens für sich und nicht zu Showzwecken, machen dabei aber eine bessere Show als die Goldstars.
Süßer, wenn wir diesen beiden gleich in einem Spielraum begegnen, wäre es mir lieber, wenn wir in einen anderen Raum auswichen… Hättest du eh so gemacht? Fein, dann sind wir uns ja wieder mal einig.

Apropos Spielräume – da wollten wir ja auch noch hin.

Überall finden wir spielende Paare im Alter unserer Elterngeneration. Merke: Wenn man als Beinahe-Mittdreißigerin einen Raum betritt und einem „Huch, da iss ja ein junges Mädschen!“ entgegenschallt, ist irgendwas mit dem Altersdurchschnitt anders als sonst! Öhm…. hatte ich erwähnt, dass hier alle so fürchterlich bergisch reden? Stimmt, mag dran liegen, dass wir uns hier im Bergischen befinden.

Wir ziehen uns in die Paare-Ecke zurück. Auf der Spielfläche außerhalb dieses Bereichs liegt ein Knäuel aus Mädschen-Ruferin, ihrem Mann und einem Typ, der entweder zum Haus gehört oder einen seltsamen Fetisch pflegt – oder beides. Er ist – überhaupt nicht Club typisch – wie ein Arzt oder Masseur mit langer Hose und Polo-Shirt ganz in weiß gekleidet und hat ein Köfferchen dabei. Na ja, ein Knäuel ist es eigentlich nicht, aber ein besserer Begriff fällt mir nicht ein. Die Frau liegt in den Armen ihres Partners, der Mann in weiß kniet irgendwie davor und befingert sie, was die Dame mit zustimmenden Lauten quittiert.

Wir vergessen inzwischen alles und jeden um uns herum und kriegen erst wieder mit, dass die Frau ihrem Mann mitteilt, dass es nun auch Zeit geworden sei, dass der Herr in weiß sich zurück gezogen habe, da sie langsam keine Lust mehr hat. Ihr Partner geht nur in so fern darauf ein, dass er sich erfreut darüber äußert, wie oft es „wutsch“ gemacht habe und ihr daraufhin aus seinem Leben erzählt, welches sie aber schon zu kennen scheint.
Die Etagenbeschallung dauert nicht mehr all zu lang, die beiden verziehen sich nach unten.

Wir bleiben oben, sind kurz durch das „Wutsch“ aus dem Konzept, fassen uns aber bald wieder und haben eine kurze Begegnung mit einem Paar. Zum Schluss teilt sie mir flüsternd mit, dass es nach einem besseren Kennenlernen „mehr“ gäbe. Aha. Komische Ansage!

Unten gibt’s noch ein Getränk. Die Goldstars sind nicht mehr zu sehen. Anscheinend haben sie sämtliche Figuren durchgetanzt und keinen Grund mehr, noch zu bleiben. Wir haben an sich auch keine Veranlassung mehr, noch weiter an der Bar zu sitzen und gehen erneut durch die Räume. Wieder lockt ein Paare-Bereich.
Das Paar von eben kommt nach kurzer Zeit dazu, wohl um uns näher kennen zu lernen, aber wir bleiben nicht mehr lange bei ihnen. Der Raum gegenüber wird frei und den mögen wir besonders wegen einer Art Kran mit eingehängter Spreizstange, an der man die Beine befestigen kann. Fast wie eine Art Schlingertisch!
Mich lässt so was an Kur und Entspannung denken und ist auch sehr entspannend, obwohl etwas martialisch aussehend.

Eine allein herumlaufende Frau schaut ein bisschen zu, schlendert jedoch weiter als sie einen Bekannten sieht. Große Begrüßung mit Küsschen und „Spatzi“ hin und „Schatzel“ her.
Man sei sich ja länger nicht begegnet. Obwohl – der Mann von „Spatzi“ frequentiere diesen Club ja sehr gerne und sie selbst sowieso. So habe jeder seins: Der Gatte, der – im Vertrauen gesagt – ja schon seit zehn Jahren impotent sei und sich an der Bar die „netten Mädels“ ansähe und sie selbst auch. Warum sagt sie nicht und überlässt es unserer Phantasie, ob sie sich gar durch die Gruppen alleinstehender Herren fickt oder doch lieber plaudernd in Spielräumen sitzt.
Zu Letzterem lässt man sich nun anscheinend nieder, spricht etwas leiser und wir können das Gespräch als Hintergrundsummen überhören.

Aufmerksam werde ich erst wieder durch ein „Isch lass’ mich ja verbrennen.“ Ich muss mir das Lachen verbeißen. Dass die Hausdamen hier gerne über Krankheiten reden, ok, wir haben uns daran gewöhnt, aber dass ältere Swinger über Beerdigungen reden… – geht eigentlich noch mehr Klischee? Und so alt, dass zu befürchten ist, dass sie heute nicht mehr heile nach Hause kommen, sind sie eigentlich gar nicht.
Das Thema scheint aber beide zu interessieren. Sie sprechen ausführlich über Feuer- und Erdbestattung, die verschiedenen Möglichkeiten der Grabpflege und Sterbeversicherungen. Dabei reden sie sich in Rage und werden immer lauter. Ich lese in letzter Zeit häufiger im Bestatterweblog – die Jahreszeit samt Regenwetter macht wohl Lust auf Morbides – und könnte daher sogar auch das ein oder andere zum Thema beitragen. Mag ich jetzt aber nicht, sondern ich konzentriere mich lieber auf uns.

Als wir erneut zur Bar kommen, macht der Club fast schon wieder zu. Wir gehören hier fast immer zu den Letzten, ansonsten bleiben aber viel mehr Leute bis zum Schluss. Na ja, die älteren Leute wollen vielleicht früh schlafen gehen.

Zu Hause werfen wir noch einen Blick auf die Clubhomepage. Tatsächlich wird nur auf Discofox hingewiesen, nicht, dass der Abend sich an ältere Swinger richtet oder so. Komisch, dass sie sich dadurch anscheinend besonders locken lassen.
Bleibt nur zu hoffen, dass Swingerclubs in zwanzig Jahren etwas weiter denken und Seniorenabende zu House- oder Technomusik anbieten. Dann kommen wir gern!


So, das waren die Einsendungen, die mir bis zur Stunde vorliegen. Wenn ich jemanden vergessen haben sollte, was ich mir nicht vorstellen kann, soll er/sie sich rasch per Mail melden und die Einsendung wiederholen, ich hänge es dann noch an.

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    Lesezeit ca.: 28 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 15. April 2009 | Revision: 22. Februar 2014

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