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Grün statt schwarz

Rechtschreibung geprüft

Das Ehepaar steht neben Frau Büsers Büro an einem Stehtisch und blättert eine Mappe mit Mustern für Trauerkarten durch.
Ich komme zufällig durch die Halle, nicke kurz grüßend zu den beiden hinüber und tue geschäftig beschäftigt.

„Gehör’n sie auch hier zu?“ fragt mich der etwa 35jährige Mann in kurzen rotgeblümten Sommershorts und Badelatschen und ob dieser Frage hätte ich ihm am Liebsten die zwei Aktenordner, die ich bei mir trage, auf den Kopf gehauen. Einfach so und weil ich die Frage so Scheiße finde.
Als berufs- und gewohnheitsmäßiger Anzugträger gehört man ja sowieso und besonders bei diesem Wetter zu einer Minderheit und ich kann gar nicht sagen, wo und bei welchen Gelegenheiten ich schon gefragt worden bin, ob ich auch dazu gehöre.

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Sehen die Leute im Einkaufsmarkt einen Menschen mit Krawatte, dann assoziieren sie sogleich, daß das jemand vom gehobenen Verkaufspersonal sein muß und fragen mich dann gerne mal, wo denn die Ravioli aus dem Sonderangebot stehen oder wollen sich bei mir über die Frau von der Käsetheke beschweren.

Erst fand ich das mehr als lästig, mittlerweile höre ich mir die Anliegen dieser lieben Mitmenschen ausführlich an, geben ihnen gerne und umfangreich Ratschläge, meistens aus dem Bereich des geschüttelten Nonsens und verabschiede mich dann höflich.
Meine Frau findet das peinlich und wenn sie mich wieder im Gespräch mit Wildfremden antrifft, versteckt sie sich zumeist hinter irgendeinem Regal und wartet ab, bis das vorbei ist.

Neulich erst habe ich einem alten Herrn in die Hand versprochen, das gesamte Kassenpersonal bei real zu entlassen, weil die ihn immer so lange warten lassen und einer jüngeren Frau sicherte ich zu, daß dieser Magerquark für Schönheitsmasken geeignet sei, empfahl ihr aber, doch zwei Pfund mehr zu kaufen und ließ sie dann verdutzt stehen.

Ob denn Miele besser sei als AEG, wollte ein Rentner-Ehepaar im Media-Markt von mir wissen und hielt mich für ein ganz hohes Tier, denn die Mediamarkt-Leute liefen an diesem Tag mit lustigen Spruch-T-Shirts herum.
„So, Sie wollen also eine Waschmaschine?“

„Genau, welche würden Sie uns denn empfehlen?“

„Diese hier“, sagte ich, öffnete beherzt das erstbeste Gerät neben mir und strahlte die beiden an.

„Das ist doch aber ein Geschirrspüler!“ protestierte die Frau, ich warf einen Blick auf das Gerät und mußte feststellen, daß ihr Einwand durchaus berechtigt war. Aber so leicht lasse ich mich nicht aus der Ruhe bringen, hallo, ich bin Bestatter, das ist widerstandsfähiger als sei man ein Astronaut aus Teflon!

„Nein, das meinen Sie nur! Das ist ja gerade der Witz! Hierbei handelt es sich um ein neues Kombigerät. Sie können darin kühlen, waschen, trocknen, kochen und bügeln.“

„Ach was?!“

„Ja aber sicher! Ganz neues Modell von der Haushaltsmesse in Bitterfeld.“

„So was habe ich ja noch nie gehört“, sagte die kritische Hausfrau, ihr Mann kratzte sich am Kopf und zog den oberen Geschirrkorb heraus.
„Und wie soll das bitteschön funktionieren?“ wollte er wissen.

„Sie haben quasi 7 Geräte in einem! Dieser Apparat ersetzt ihnen den Kühlschrank, den Geschirrspüler, die Waschmaschine, den Mikrowellenherd, den Wäschetrockner, die Waschmaschine und das Bügeleisen.“

„Na hören Sie mal, das ist doch Blödsinn“, meinte er, doch beim Wort Bügeleisen war ein Leuchten über das Gesicht seiner Frau gegangen und sie sagte: „Warte mal, Erwin, das ist doch ein ganz praktisches Gerät, wenn man da nicht mehr bügeln muß!“

„Genau so ist es“, pries ich den Geschirrspüler aus osteuropäischer Fertigung an, schloß die Klappe und klopfte auf den Deckel: „Ein Wunderwerk der Technik! Und das Schönste: Der ganze Spaß kostet nur 325 Euro.“

„Sowas kann doch gar nicht funktionieren“, wandte der Mann ein und ich erwartete schon, daß er mir jetzt einen technischen Vortrag hält. Doch dann sagte er: „Das obere Gestell ist viel zu niedrig für Bierflaschen.“

„Kann man verstellen“, strahlte ich ihn an und seine Frau zog an seinem Ärmel. Das sollte wohl soviel heißen wie: „Erwin, ich will dieses Ding haben!“

Zeit, das Feld zu räumen: „Ich schicke Ihnen mal eine Fachverkäuferin vorbei. Und lassen Sie sich nicht von der einreden, das sei nur ein Geschirrspüler, die kennt sich noch nicht so aus. Fragen sie vor allem nach dem selbstreinigenden Hähnchenspieß!“

Dann zog ich von dannen, suchte eine Verkäuferin und machte sie auf die beiden Alten aufmerksam: „Und lassen Sie sich nicht von denen verrückt machen, die sind ein bißchen schwierig, wollen aber bestimmt einen Geschirrspüler.“

In diesem Moment kam meine Frau aus der CD-Abteilung und zog mich weg. Schade, ich hätte noch gerne etwas Mäuschen gespielt…


„Gehören Sie jetzt zum Haus oder nicht“, reißt mich der Typ mit den Badelatschen aus meinen Gedanken und ich nicke ihn freundlich an.

„Wir sind auf der Suche nach fröhlichen Grußkarten.“

„Nach fröhlichen Grußkarten? In einem Bestattungshaus?“

„Sagen Sie bloß, Sie haben so etwas nicht?“

„Nö, haben wir nicht.“

„Das ist ja mal ein Ding!“ sagt er mit protestierendem Unterton, hängt sich seinen Rucksack über die Schultern und will gehen.
Doch seine Frau will sich mit meiner Antwort nicht zufriedengeben: „Auch nicht in Grün?“

Ich will gerade Luft holen und den beiden neutralweiße Karten und einen grünen Filzstift verkaufen, was mir ohne jeden Zweifel gelungen wäre, da sehe ich, wie mich meine Frau Büser durch die offene Bürotür warnend anschaut.

Menno!

Fehler durch Lektorin Anya bereinigt.


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Lesezeit ca.: 7 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 7. August 2008 | Revision: 20. März 2016

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