Geschichten

Günther -II-

Günther arbeitete damals bei der Eisenbahn im Schichtdienst und hatte, nicht weit vom Möbelland entfernt, hinten über der Straße, wo ein Wohngebiet ist, ein kleines Einfamilienhaus für sich, seine Frau und seine beiden Kinder gekauft. Sein Junge war mit offenem Kopf geboren worden, schwer geistig behindert und der Liebling der ganzen Familie. Das ist oft bei Sorgenkindern so.

Eines Tages entdeckte Günther beim Spazierengehen mit seinem Hund das Grundstück mit der Villa Kunterbunt und dachte sich, das könne doch ein schöner Garten und Abenteuerspielplatz für seine Familie sein.
Es war gar nicht so einfach, den Besitzer des Grundstücks zu ermitteln, denn der alte Mann, der da vorher seinen Garten hatte, der hatte sich einfach nur darum gekümmert, weil es sonst keiner tat.

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Selbst beim Kataster- und Grundbuchamt wurde Günther nicht fündig. Nach dem Krieg sei da so viel hin und her gegangen, daß man zwar wisse, daß das Grundstück letztlich der Stadt gehöre, aber es gäbe da eine Familie, der man in den Nachkriegsjahren ein lebenslanges Nutzungsrecht zugebilligt habe und so lange von denen noch jemand lebt, könne diese Familie über das Grundstück frei verfügen. Das sei ja auch der Grund, weshalb man die Villa Kunterbunt nicht längst abgerissen habe.
Immerhin komme ja irgendwann die Erweiterung des Gewerbegebietes und dann müsse sie sowieso weg.

Mit vielen Mühen fand Günther dann heraus, daß eine gewisse Frau Semmelbrot in Schwäbisch Hall der letzte Abkömmling jener Familie war, die die Rechte an dem Grundstück hatten. Und zu der fuhr er eines Tages hin.

Frau Semmelbrot war knapp über sechzig Jahre alt und erinnerte sich mit Freude an die schöne Zeit in der Villa Kunterbunt. In ihrer Erinnerung waren nur die verklärt romantischen Teile übriggeblieben, die Not und die mangelhafte Versorgung, all das war über die Jahre in den Hintergrund getreten.
Sie hatte sogar noch Fotos aus der Zeit und wußte ganz genau, daß sie die Rechte an dem Grundstück hatte. Sie war aber davon ausgegangen, daß das alles längst hinfällig sei, da sie sich ja schon Jahrzehnte nicht mehr um die Villa Kunterbunt gekümmert hatte.

Ein Stück Papier, ein Kugelschreiber und zehn Minuten Zeit, dann hatte sie Günther die Nutzungsrechte überschrieben. „Herr Günther Salzner ist hiermit berechtigt, das Grundstück in der Siebnerstraße 33 nach freiem Willen zu nutzen. Er zahlt dafür eine jährliche Pacht von 90 Mark.“

So kam Günther an das Grundstück.

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Die Geschichten von Peter Wilhelm sind Erzählungen und Kurzgeschichten aus dem Berufsleben eines Bestatters und den Erlebnissen eines Ehemannes und Vaters.

Die Geschichten haben meist einen wahren Kern, viele sind erzählerisch aufbereitete Tatsachenerzählungen.

Die Namen, Geschlechter und Berufe der erwähnten Personen sind stets verändert.

Lesezeit ca.: 3 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 1. Juni 2012 | Peter Wilhelm 1. Juni 2012

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2 Kommentare
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Big Al
12 Jahre zuvor

Ca. 13:00.
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Morpheus
12 Jahre zuvor

das klingt wieder stark nach nem längeren cliffhanger… *gespannt warte*




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