Geschichten

Her mit der Kohle!

Das ist ja eine merkwürdige Geschichte.
Frau Himmelreiter steht vor mir und will 3.000 Euro von mir. Ihren Salz-und-Pfeffer-Mantel hat sie aufgeknöpft und öffnet nun auch den um den Hals geknoteten Schal, so warm ist es ihr vor lauter Aufregung geworden.

„Das ist ja Halsabschneiderei!“ ruft sie empört aus und fuchtelt mir mit einem Schnellhefter vor der Nase herum. „So kommen Sie mir nicht davon!“

Ich versuche, die Frau etwas zu beruhigen und biete ihr einen Platz und ein Getränk an, doch sie lehnt entrüstet ab und fordert: „Her mit der Kohle! Wenn Sie mir jetzt einfach mein Geld geben wollen, bin ich schon wieder verschwunden.“

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Zum wiederholten Male erkläre ich ihr die Situation:

Ihre Mutter, eine gewisse Frau Schönleber, war vor zwei Jahren bei uns gewesen und hatte eine Bestattungsvorsorge über eben jene 3.000 Euro abgeschlossen. Wir hatten das wie üblich gehandhabt und Frau Schönleber verschiedene Möglichkeiten angeboten, sie hatte sich für das Anlegen eines gesperrten Sparbuches entschieden.

Allerdings war die alte Dame dann schon vor über einem Jahr wieder bei uns gewesen und hatte die Vorsorge aufgelöst. Weil sie in eine andere Stadt zu ihrer Tochter, eben dieser Frau Himmelreiter, gezogen ist, hatte sie uns gebeten, die Vorsorge auf ein Bestattungsinstitut am neuen Wohnort zu übertragen.

Das haben wir auch gemacht, die Unterlagen wurden ungültig gestempelt, das Sparbuch auf ausdrücklichen Wunsch an Frau Schönleber ausgehändigt und dafür eine Quittung von ihr bekommen.

Ich erkläre das nochmal: Man sollte das Geld für eine Bestattungsvorsorge niemals in bar an den Bestatter bezahlen oder an ihn überweisen. Hat ein Unternehmer das Geld erst einmal so erhalten, hat man nichts weiter als eine vertragliche Verpflichtung in Händen, also quasi das Versprechen, daß der Bestatter dereinst die Bestattung zu diesen und jenen Konditionen ausführen wird. Es wird zwar immer geglaubt, der Bestatter sei verpflichtet, solche Gelder auf einem Konto anzulegen, jedoch spricht überhaupt gar nichts dagegen, daß man in nach geltendem Recht eine Ware oder Dienstleistung lange vor der Lieferung oder Leistung im Voraus bezahlt.
Im Grunde kann der Bestatter das Geld direkt in sein Geschäft fließen lassen.
Leider geht das manchmal in die Hose und deshalb sollte man sich grundsätzlich auf solche Abmachungen nicht einlassen.
Es gibt mannigfaltige Möglichkeiten, das Geld sicher anzulegen, jedoch sind viele ältere Menschen von allem was mit Banken und Versicherungen zu tun hat, nicht besonders begeistert.
Sehr flexibel und den alten Menschen sehr leicht zu vermitteln, aber darüberhinaus auch sehr sicher, ist das von uns präferierte Verfahren mit dem Sparbuch. Der Vorsorgekunde zahlt den Vorsorgebetrag auf ein Sparbuch ein und dieses wird mit einem Sperrvermerk versehen „Nur im Falle meines Todes gegen Vorlage einer Sterbeurkunde an das Bestattungshaus XYZ auszuzahlen“. Das Buch verbleibt beim Bestatter, so ist dieser sicher, daß der Kunde das Geld inzwischen nicht abhebt und ausgibt; und der Kunde kann durch den Sperrvermerk sicher sein, daß auch der Bestatter nicht vor der Zeit an das Geld kommt.

So ein Sparbuch gab es auch für Frau Schönleber und eben dieses haben wir auch an sie ausgehändigt, worüber ein Aktenvermerk und eine von ihr selbst unterschriebene Quittung bestehen.
Normalerweise würden wir das Sparbuch an den übernehmenden Bestatter senden, aber Frau Schönleber wollte das nicht und erklärte das seinerzeit damit, daß sie noch den Namen des Bestatters im Sparbuch bei der Bank ändern lassen wollte.

Jetzt hat die gute Alte vor zwei Tagen im Buch der Lebenden den Erledigungsvermerk bekommen, ist also verstorben. Nun steht ihre Tochter vor dem Problem, daß das Bestattungshaus Kuhmeier behauptet, kein Geld von Frau Schönleber bekommen zu haben.
Bei uns hat sie das Sparbuch abgeholt aber bei Kollege Kuhmeier weder das Buch abgegeben, noch das Geld bezahlt.
Sie habe gesagt, sie verfüge über genügend Geld und es sei im Falle ihres Todes genug da.
Auch solche Bestattungsvorsorgen kann man abschließen, ganz ohne Geld, aber logischerweise ist der Bestatter nur dann auch zur Bestattung verpflichtet, wenn das Geld auch wirklich zur Verfügung steht.

Wir jedenfalls haben Frau Schönlebers „Kohle“ nicht mehr und das können wir belegen.
Aber das interessiert die Tochter, Frau Himmelreiter, überhaupt nicht: „Sehen Sie zu, wie Sie das Geld zusammenbringen, ich komme heut‘ Nachmittag mit meinem Mann vorbei und hole es ab.“

Noch ehe ich irgendwas sagen kann, hat sie den Schal wieder festgezurrt und verläßt wutschnaubend unser Haus.

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(©si)