„Ach was, Chef, nee, wirklich nicht“, sagte Herr Horb und erklärte, er kaufe den Alkohol doch nur, weil er es so am Magen habe. Da nehme er hin und wieder einen winzig, kleinen Schluck Magenbitter und zwar dreimal am Tag, jeweils nach den Hauptmahlzeiten, das sei in seiner Familie einerseits so Tradition und er habe einen sehr nervösen Zwölffingerdarm. „Machen Sie sich keine Gedanken, ich trink doch nicht, da kann der Manni mich ruhig jeden Morgen blasen lassen, na hören Sie mal, ich bin doch kein Säufer. Nee, nee, außerdem gebe ich die Fläschchen abends immer unserem Hauswart, der pitscht sich gern‘ mal einen weg.“
„So, wie Sie dem Friedhofsverwalter vom Südfriedhof immer was bringen?“
„Ach, das hab‘ ich doch bloß gesagt, damit da kein Gerede aufkommt. Ist doch nur wegen meinem Magen. Nur drei winzige Schlückchen, ehrlich!“ beharrte Herr Horb, stand auf, klopfte sich auf seine Brust und sagte: „Sie können mir jetzt auf der Stelle mein Herz rausreißen und nachmessen, da ist kein Alkohol drinne‘.“
„Erstens soll ich sowieso nicht so viel Innereien essen und zweitens ist das hier ein heller Boden, da geht das Blut so schlecht raus, Herr Horb, ich habe also nicht vor, Ihnen irgendetwas rauszureißen. Aber ich erkläre Ihnen noch mal, um was es mir geht.“
Und dann holte ich weit aus, nicht zu weit, aber weit genug, um ihm zu erklären, weshalb es so wichtig ist, daß meine Männer nicht nach Schnaps riechen, nicht besoffen am Steuer sitzen, welche gesundheitlichen Auswirkungen übermäßiger Alkoholgenuß haben kann und daß ich immer ein offenes Ohr für alle habe, die ein Problem haben.
Er lachte nur, entblößte dabei seine Zähne und deutete auf eine Zahnlücke oben rechts und meinte: „Ja, wenn ich mir mal die Zähne machen lasse, dann könnten Sie mir etwas unter die Arme greifen, so auf Raten, ich pack diese Zuzahlung aus eigener Kraft nicht. Die haben doch den Arsch auf, die da oben. Einerseits wollen die, daß wir bis fast 80 arbeiten und andererseits sollen wir so hohe Zuzahlungen leisten, damit wir fit bleiben. Ist doch wahr, die machen sich ’nen lauen Lenz und unsereins soll sich kaputt buckeln. Die sollen erst mal 30 Jahre Särge schleppen und sich den Rücken kaputt machen. So vom Abgeordnetenstuhl aus, kann man ja locker alle Leistungen streichen und unsereins bleibt auf der Strecke.“
Geschickt, geschickt! Er hatte das Thema ruk zuck gewechselt und seine letzten Sätze mit großer Vehemenz und gespielter Aufregung vorgetragen. Ich lächelte und nickte einfach mal zustimmend, nahm mir aber vor, den Mann im Auge zu behalten, denn ehrlich gesagt, ich glaubte ihm kein Wort.
Nein, ich war davon überzeugt, daß der Mann trank und das leugnete. Und wenn Leute trinken und das leugnen, dann trinken sie meist richtig, das heißt sie sind dann oft schon abhängig. So waren wenigstens meine Erfahrungen.
Ich klopfte ihm auf die Schulter und ermahnte ihn nochmals: „Wenn Sie fahren, dürfen Sie nicht trinken, auch keine wönzögen Schlöckchen, das wissen Sie ganz genau, Herr Horb. Und erwischen wir Sie mit Alkohol am Steuer, dann muß ich Sie vor die Tür setzen. Sollten Sie aber irgendein Problem mit dem Alkohol haben, dann sagen Sie das und wir werden sehen, was man tun kann. Aber seien Sie sicher: Wenn das zu einem Problem bei der Arbeit wird, haben Sie mit Konsequenzen zu rechnen. Sie können jederzeit hier in der Werkstatt arbeiten, ohne zu fahren, bis die Sache ausgestanden ist. Aber fahren und Außenkontakte mit Schnaps im Blut, das geht nicht.“
Er lachte, winkte ab und meinte: „Nee, dann laß ich das mit dem Magen und lutsch‘ wieder die Emser-Salztabletten, die gehen auch, aber brauchen immer so lange bis sie wirken. Ich trinke nicht, ehrlich nicht. Können’se glauben. Ich doch nich‘.“
Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:
Keine Schlagwörter vorhanden
Da klingeln leider alle Glocken. Das scheint ein tieferes Problem zu sein, welches Herr Horb mit/ohne dem Alkohol hat. Man kann nur hoffen, dass er Ihr Hilfeangebot annimmt, wobei das Leugnen von einer noch sicheren „im Griff haben“ Taktik spricht.
Herzliche Grüße
Ich fürchte, da ist die Messe gesungen. Ich würde den Herrn so schnell als möglich loswerden, solange das noch mit vorgeschobenen Gründen geht. Aber ich vermute mal, Tom wird stattdessen eine Entziehungskur finanzieren. Erstens ist die nutzlos oder nur Zeitgewinn, zweitens ist damit dokumentiert, dass Tom von der „Krankheit“ wusste und hat auf ewig diesen Klotz am Bein. Reiche niemals einem Alkoholiker einen kleinen Finger, das wird ein Faß ohne Boden. Wer sich nicht selbst helfen kann, dem ist nicht zu helfen.
Warum keine Hilfe anbieten?
Toms Versuch ist doch der richtige Weg. Vertrauen und Bindung schaffen, dazu gehört es eben den kleinen Finger zu reichen, aber mit der klaren Ansage der evtl. Konsequenzen. Man muß ja erstmal zu jemanden durchdringen, bevor man helfen kann. Klar, nicht jedem ist zu helfen oder jeder läßt sich helfen, aber versuchen muß man es zumindest einmal. Und Herrn Horb wurde klar gemacht, dass sein Tun nicht unbeachtet geblieben ist.
Genau so habe ich früher auch gedacht und ich bin jedesmal enttäuscht worden. Es ist unglaublich, wieviel Phantasie Alkoholiker entwickeln um die Gründe für ihre Sucht – die in ihren Augen eigentlich keine ist – bei anderen zu suchen. Hier hilft nur, Herrn Horb die Ernsthaftigkeit seiner Lage klar zu machen, in dem man ihn feuert. Erst wenn er begriffen hat, dass er mit seiner Sucht auf dem falschen Weg ist, hat er den Anreiz, sich selbst zu helfen. Aber das soll nicht mehr Toms Problem sein. Ein früherer Chef von mir hat Führerschein, Haus, Hof und Existenz versoffen und hat bis zu seinem Tod (Speiseröhrenkrebs als Folge seiner Sucht) die Gründe für seinen Niedergang immer bei anderen gesucht oder auf widrige Umstände geschoben. Bei zweien meiner Mitarbeiter ist das ähnlich verlaufen. Jegliche Hilfsversuche haben mich nur Geld, Zeit und Nerven gekostet, waren allesamt vergebliche Liebesmüh. Deswegen ist Schluß damit, ich werde nicht mehr meine eigene Existenz aufs Spiel setzen, um Leuten zu helfen, die sich nicht helfen lassen wollen oder denen nicht zu helfen… Weiterlesen »
Alkoholiker KÖNNEN sich nicht selbst helfen. Aber meist kapieren die das erst, wenn die am Boden liegen und man noch 2, 3x drauf rumgetrampelt ist. 🙁 Mit Alkoholikern umzugehen ist auch schwierig. ABER, an alle die hier gerade mit dem erhobenen Zeigefinger stehen: Alkohol ist eine Droge, die gesellschaftlich akzeptiert ist, man entkommt ihm nur schwer. Und ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer es ist zu sagen: „Nein, ich trinke nix, ich möchte das nicht, hast ne Cola?“ Die Blicke und das Verhalten der anderen sind dann schnell in Richtung „Du alte Spaßbremse“ und man wird ausgegrenzt. Und ja, das hab ich selbst schon so erlebt. Ich trinke nur sehr selten Alkohol. Nein, natüüüüüüüüüürlich ist das alles nicht so gemeint. Nein, natüüüüüüüürlich mag man den dann noch, natüüüüüüüüüüürlich verurteilt man denjenigen nicht. Man tuts aber doch. Und dann gehen gerade die, die über schwächer ausgebildete Persönlichkeiten verfügen, hin und versuchen dann standzuhalten. Und aus „problematischem Trinkverhalten“ wird sehr schnell eine Sucht. Aber: Weil Alkohol eben gesellschaftlich anerkannt ist, fällt es so schwer, zuzugeben, dass… Weiterlesen »
Amen.
Und nun mal vorstellen, was im Mutterland von Wein und Cognac los ist… da gilt Bier und Wein oft nicht mal als Alkohol…
Ich biete selten genug überhaupt Alkohol an, schon gar nicht wenn ich weiß, der muß noch fahren. Und bin selbst auch strikt 0%o am Steuer.
Und selbst wenn ich zu Fuß unterwegs bin… Wie sollte ich auch dem ersten um halb vier ja sagen zu einem kleinen Pineau, dem zweiten um halb fünf aber nein? und dann dem dritten um halb sechs? „Aaa…aaba nnuannn wwwwinnzchchlein…“?
Kein Problem mit Alkohol. Nur ohne.
Kann ich bestätigen. Mein namensgebender Ex fand Baileys bei klarem Verstand sowas von ekelhaft, aber als er sich eines Morgens allein in meiner Bude fand und auf seinen Level kommen musste, hat er das Zeug vor lauter Entzug trotzdem getrunken.
(Wobei mein Ex in diesem Blog übrigens genau deswegen namensgebend für mich war, weil seine Sucht damals nicht überlebt hat.)
Den Bailey oder die Sucht im Allgemeinen? Wobei die Angehörigen u.U. noch von Glück reden können, wenn der Süchtige an seiner Sucht zugrunde geht, bevor er die ganze Familie mit in den Abgrund reißt.
Da er vorher gegen seinen Tremor, der beim Versuch eines kalten Entzugs nicht aufhören wollte, laut Zeugen vermutlich gut die doppelte Dosis starker Beruhigungsmittel geschluckt hatte, hätte Baileys ihn mühelos umgebracht. Aber er arbeitete als Kellner ja an der Quelle, es wird wohl schon was g’schmackiges gewesen sein.
Laut Hörensagen hatte oder erwartete meine Nachfolgerin ein Kind von ihm. Es wird aber wohl nicht mehr die Zeit gewesen, die beiden allzusehr reinzureißen.
mir geistern da 2 varianten des fortgangs der geschichte durch den kopf:
variante a: dies ist die geschichte der neuanschaffung eines wunderschönen neuen bestatterfahrzeuges
variante b: dies ist die traurige geschichte eines einsatzes bei einem kollegen
oh, variante c: beides