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Herr Horb -5-

Ich glaubte dem Mann kein Wort. Auf der anderen Seite neige ich dazu, Problemen aus dem Weg zu gehen und will immer das Schöne und Gute in den Leuten sehen und so gab ich Manni abends den Wink, er möge in Bezug auf Alkohol doch ein waches Auge auf Herrn Horb haben, aber diskret bitte und ohne den Mann bloßzustellen.

Tagelang geschah nichts und weder Frau Büser kam und meldete eine Alkoholfahne, noch hörte ich von Manni etwas Diesbezügliches über Herrn Horb.
Na ja, dachte ich, siehste, war doch wieder nur übertriebene Vorsicht, wahrscheinlich ist da gar nichts dran und die ganze Geschichte würde sich in Wohlgefallen auflösen.

Grundsätzlich ist es ja so, daß um mich herum irgendwie alle saufen, nur ich nicht. Und dann werde ich oft so ein bißchen wie der Loser, der Lutscher, das Weichei und der Spiel- und Spaßverderber hingestellt.
Meine Güte, vielleicht ein- bis dreimal im Jahr ein Glas Cognac oder alle paar Monate mal den obligatorischen Ouzo beim Griechen… Sonst will ich gar keinen Alkohol.

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Meine Frau trinkt ab und zu gerne mal was, Frau Büser schwört auf ihr „Viertele“ am Abend und Sandy, aua, aua, die kann zwei Flaschen „Hirschwasser“ (Jägermeister) wegputzen, ohne das man überhaupt eine Veränderung bemerkt.
Bei Antonia ist es so, daß sie wohl manchmal Sekt trinkt, wenn die Damen da vorne Geburtstag feiern und bei den Männern in der Werkstatt höre ich immer wieder, daß das ein erhebliches Argument ist, wenn es um die Verteilung der Wochenendbereitschaften geht: „Dann kann ich ja nichts trinken.“

Mir war Alkohol noch nie wichtig. Sagen wir es mal so, wenn es morgen keinen mehr gäbe, ich würde nichts vermissen.
Aber mir macht es auch nichts aus, wenn Leute Spaß daran haben, solange sie es nicht übertreiben. Was ich gar nicht mag, noch nie mochte und nie mögen werde: Wenn auf irgendwelchen Feiern um mich herum sich alles allmählich im Dunste des Rausches entgeistigt und ich irgendwie der Einzige bin, der das mitbekommt und der sich den Stuß den manche dann von sich geben, auch noch anhören muß.

Die Sache mit Herrn Horb geriet in Vergessenheit und Manni, der von da an jeden Fahrer mal zum Anhauchen aufforderte, immer hübsch spontan und ohne Vorankündigung und ohne Ausnahme, stellte auch diese Aktion irgendwann wieder ein.

Bis…
…ja bis eines Tages Herr Horb auf den Hof fuhr und den Volvo-Bestattungswagen in die Tiefgarage fahren wollte. Man muß nach dem Einbiegen auf den Hof erst ganz nach rechts steuern, bis man fast gerade auf die Mauer zu Herrn Nasweis-Lästigs Anwesen zufährt, dann scharf links einschlagen und genau dann hat man den richtigen Bogen, um mit dem langen Fahrzeug die Einfahrt in die Kellergarage zu schaffen.
Ich hörte an diesem Tag das elektrische Gitter vom Hof zur Seite fahren, ein etwas nerviges, metallisch-klapperndes Geräusch, und dann den Motor des Volvos viel zu stark aufheulen und dann machte es Bums.

Herr Horb hatte den Wagen frontal gegen die Nasweis’sche Wand gesetzt, trocken, stumpf und ohne viel Anlauf.
Manni war sofort oben auf dem Hof und brüllte herum, der Volvo war ihm wichtig und er behütete ihn stets wie ein Neugeborenes.
Jetzt war die dicke Stoßstange, die Volvos damals hatten, unter den Wagen gedrückt.

„Ach, du Scheiße!“ entfuhr es mir, der ich die Szene vom Fenster aus beobachtete und setzte mich nur kopfschüttelnd wieder auf meinen Sessel.
Wäre ich auch hinausgegangen, hätte ich mich nur noch mehr aufgeregt. Autos kann man reparieren, meine Nerven vielleicht irgendwann nicht mehr.

Manni würde irgendwann zu mir kommen und mir alles erzählen.
Doch nein, Manni kam nicht, sondern es wurde weiter lautstark diskutiert und ich hörte nicht nur Mannis Stimme, sondern auch die von Herrn Hob und die klang eindeutig nach der Stimme eines Besoffenen.
Und tatsächlich, als ich dann doch unten auf dem Hof ankam, stand Herr Horb neben dem Wagen, stützte sich mir steif ausgestreckten Armen am Wagendach ab und versuchte krampfhaft sich umzudrehen, um gerade vor Manni zu stehen. Das gelang ihm aber nicht, zu weich waren seine Knie, zu sehr hatte er mit der Schwerkraft zu kämpfen und mit hängendem, hochrotem Kopf und glasigen Augen lallte er, während im der Speichel aus dem Mund tropfte, daß das alles die Schuld der anderen wäre, der Heini habe doch Geburtstag und er könne gar nichts dafür, außerdem wäre die Wand gestern noch nicht da gewesen, man müsse mal das Auto kontrollieren, da seien die Bremsen kaputt und er habe nichts damit zu tun. „Nichts! Gar nichts! Ihr wollt mir nur was anhängen, ich bin noch ganz fit. Ganz fit bin ich, ich bin so fit! Guckt her!“
Und wieder versuchte er aus der abgestützten Haltung in eine Position zu kommen, die mehr nach aufrechtem Gang aussah. Nach vielen Versuchen gelang es ihm und schwankend, mit durchgedrücktem Kreuz blieb er stehen, während seine Halsmuskulatur nicht in der Lage war, den Kopf auszubalancieren.

Wieder mußte er mit einer Hand nach dem Auto greifen, faßte aber ins Leere und fiel seitlich gegen den Wagen, rutschte daran herunter und fing dann, auf dem Boden sitzend an zu heulen wie ein kleines Kind.

Immer wieder schmatzte und spuckte er die Worte: „Ihr wollt mir alle nur was anhängen!“

Inzwischen hatte ich mir den Schaden angesehen und war zu der Auffassung gelangt, daß das nichts Weltbewegendes war und schnell repariert werden konnte. Das ist das Wichtigste. Die Kosten sind ehrlich gesagt zweitrangig, die übernimmt die Versicherung – irgendwie…
Aber ein langer Ausfall des Wagens, das wäre eine Katastrophe gewesen.
Ich erinnerte mich an den Fall, da ein VW-T4-Leichenwagen einen Heckschaden hatte. Nun war aber ausgerechnet diese Heckklappe eine Sonderanfertigung und der Karrosseriemann hatte fast 14 Tage auf das passende Teil vom Bestattungswagen-Umrüster gewartet.

Ich warf Manni einen ernsten Blick zu und winkte ihn etwas zur Seite: „Es hat doch keinen Zweck, den jetzt auszuschimpfen, der kriegt doch sowieso nichts mit. Packt ihn in einen Wagen, bringt ihn nach Hause und dann schafft den Wagen in die Werkstatt. Vorsichtshalber macht mal ruhig ein paar Fotos, auch wie der da rotzend neben dem Auto hockt. Morgen sehen wir weiter.“

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(©si)