Geschichten

Herr Maurer III

Wie wird der Mund einer Leiche verschlossen?

Was soll ich mit solchen Angehörigen?
Die Schwiegertochter meint, sie habe schon mehr als genug getan „für diese Leute“. Seit Jahren geben sie sich so viel Mühe, den Kontakt auf ein Mindestmaß zu beschränken: „… und jetzt involvieren Sie mich, jawohl, Sie involvieren mich!“
Ihr Mann, der Sohn des Verstorbenen, ist zu geschäftlichen Terminen in die neuen Bundesländer gefahren. Wann der wiederkommt, das weiß seine Frau auch nicht. „Der ist IT-Experte und macht in Solar! Sie wissen ja, was das bedeutet.“

„Nö, was bedeutet das denn?“

„Das sind Zukunftstechnologien, das Programm ist von der EU gefördert und mein Mann ist an vorderster Front.“

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„Ja, aber jetzt liegt da ein toter Mann bei uns im Kühlraum und Ihr Mann ist dessen Sohn. Ich finde, er müßte sich jetzt mal so ein ganz kleines bißchen um seinen Vater kümmern.“

„Wieso das denn? Der ist doch tot! Der läuft uns nicht weg.“

Ich denke an die Verwesungsvorgänge, die trotz Kühlung früher oder später einsetzen werden und verkneife mir, zu sagen „Irgendwann schon“…

Ihr Mantel weht weit hinter ihr her, als sie mit buchstäblich wehenden Fahnen unser Haus verläßt.

Den ganzen Vormittag über hat Frau Büser versucht, die Frau des Verstorbenen zu erreichen. Erst gegen Mittag hat sie einen Teilerfolg und spricht mit einem Hausmeister oder Rezeptionisten, der kein Wort Deutsch versteht. Kurzerhand nimmt Sandy ihr das Telefon weg und parliert in breitestem Spanisch mit dem Mann am anderen Ende.
Nach drei Minuten heftigen Geschnatters, das sich eher danach anhörte, als streite sie mit dem Mann, sagt sie: „Alles bestens, die Frau ist gestern Abend gestorben.“

„Wie jetzt?“ frage ich erstaunt.

„Na, das wolltest Du doch wissen, Cheffe, oder“.

„Nee, äh, sach mal, äh, – verstehe ich das jetzt richtig, Du hast Dich in ein Gespräch eingemischt und es zu Ende geführt, ohne zu wissen, um was es geht?“

„Ja klar, ich habe auf dem Zettel auf Frau Büsers Tisch den Namen gelesen und den Typ am anderen Ende nach dieser Frau Maurer gefragt. Die ist gestern Abend in einer Bodega gewesen, in Begleitung eines jüngeren spanischen Herrn, hat viel Rotwein getrunken und ist aus der Kneipe raus gekommen. Und dann hat der Alkohol zugeschlagen, aber nicht so, daß sie nen dicken Rausch bekommen hat, ne, die ist einfach tot umgefallen. Wir sollen in ’ner halben Stunde nochmal da anrufen, dann gibt der Typ uns die Nummer von der Polizei durch.“

„Ach was!“, entfährt es mir.

„Und woher kannst Du Spanisch?“, ist alles, was Frau Büser in diesem Moment interessiert.

„Spanisch, das mußt Du in Amerika können, sonst kannst Du Dich ja nicht mit Deiner Putzfrau unterhalten. Die Amis tun immer so, in Wirklichkeit würde da alles zusammenbrechen, ohne die Latinos.“

Schöne Aussichten, so ganz nebenbei erfahre ich von der Sprachbegabung meiner Mitarbeiterin und, daß wir wahrscheinlich noch einen zweiten Auftrag haben.

Und das mit den Angehörigen hier vor Ort. Meine Fresse!


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Geschichten

Die Geschichten von Peter Wilhelm sind Erzählungen und Kurzgeschichten aus dem Berufsleben eines Bestatters und den Erlebnissen eines Ehemannes und Vaters.

Die Geschichten haben meist einen wahren Kern, viele sind erzählerisch aufbereitete Tatsachenerzählungen.

Die Namen, Geschlechter und Berufe der erwähnten Personen sind stets verändert.

Lesezeit ca.: 4 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 19. Mai 2015

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Marco
9 Jahre zuvor

Je älter die Cliffhanger werden, desto erstaunter bin ich, wie lange ich hier schon mitlese… 😉
Mal gespannt, ob noch Cliffhanger beendet werden, deren Beginn ich nicht nur vergessen, sondern tatsächlich noch nicht gelesen habe.




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