Geschichten

Herr Völkner 3

Am anderen Morgen meldet mir Frau Büser das Erscheinen eines gewissen Herrn Brommers.
„Dr. Klaus Brommers“, stellt sich der Mann vor und erklärt, er sei der persönliche Referent der Stadtdezernentin Frau Dr. Küppers-Frauthenhonz und solle sich im Auftrag der Stadt um die Bestattungsfeierlichkeiten für Herrn Völkner kümmern.

Nein, nicht die Friedhofskapelle auf dem kleinen Waldfriedhof, das käme ja gar nicht in Frage, schon wegen der Logistik, sondern die große, schmucklose Beton-Trauerhalle auf dem Hauptfriedhof; das sei so mit Frau Völkner alles schon besprochen, von der er auf direktem Weg zu uns komme.

„Natürlich wird Herr Völkner aufgebahrt, im schwarzen Anzug, versteht sich ja von selbst und dann wird der Sarg zugemacht und einen Tag lang in der Halle auf dem Hauptfriedhof aufgestellt. Es werden ja unfaßbar viele Blumen und Kränze kommen.“

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Während er das sagt, hakt er alles auf einer kleinen Liste ab. Er diktiert und wir sollen gehorchen. Und damit da auch gar nicht erst der geringste Zweifel aufkommt, wer da das Sagen hat, fügt er noch hinzu: „Schließlich trägt die Stadt den Großteil der ja nicht gerade unerheblichen Kosten.“

Ich lasse den Mann reden, mache mir Notizen, lächele freundlich aber unverbindlich, beteuere, daß alles sicherlich ganz perfekt laufen wird und verspreche ihm, mich bei ihm zu melden, wenn Herr Völkners Sarg auf dem Hauptfriedhof eingetroffen ist.

Anschließend fahre ich zu Frau Völkner.

Die ist ganz verunsichert, wollte eine schöne aber durchaus überschaubare Bestattung und vor allem, daß Trudi so in den Sarg kommt, wie sie glaubte, daß Trudi es gewollt hätte, nämlich mit Stöckelschuhen, Seidenstrümpfen, Spitzenunterwäsche, einem schönen Kleid und mit ihrer Perücke.

„Nun wird das aber so’n großes Ding und das gleitet mir alles aus den Händen. Wenn die Stadt da an die 300 Personen erwartet und die anschließend auch noch zu einem Umtrunk und Imbiß einlädt, dann sprengt das einfach meinen Rahmen. Wir haben einiges an Geld, aber so viel habe ich gar nicht flüssig.“

Eine ganze Weile sitzen wir beisammen und überlegen hin und her und dann sage ich: „Wissen Sie was, Frau Völkner? Trudi soll alles so bekommen, wie Sie sich das wünschen. Wir werden da einen Weg finden, das verspreche ich Ihnen.“

Frau Völkner hat Tränen in den Augen während sie mir die Sachen für Trudi heraussucht und liebevoll in eine Peek & Cloppenburg-Tüte packt.

Sandy hält die Sachen wenig später in den Händen, kaut weiträumig, sehr amerikanisch auf ihrem Wrigley’s Juicy Fruit herum, stülpt dann die Unterlippe vor und nickt langsam: „Krieg ich hin, Chef, keine Bang, ich mach‘ das schon. Das wir ’ne tolle Trudi.“

Kein Zaudern, keine Sekunde lang auch nur eine hochgezogene Augenbraue, nichts an der jungen Frau zeigt an, daß sie sich auch nur im geringsten Gedanken darüber machen könnte, es könne vielleicht doch etwas merkwürdig sein, wenn ein alter, knochiger Mann mit Viertagebart in Tante Trudi verwandelt werden soll. Nichts, sie zeigt keine Regung, sieht das nur professionell, als Aufgabe, die es zu bewältigen gibt. Sandy eben.

„Äh, Moment mal!“ bremse ich den Elan der Langbeinigen, die schon ihre neuerdings stets schwarzen Gummihandschuhe über die Hände schnalzen lassen will: „Warte mal, da gibt es nämlich ein Problem.“

„Was’n für’n Problem? Nee, echt jetzt, Chef, mach Dir keinen Kopp, ich mach das super.“

„Glaub‘ ich Dir ja, darum geht es auch nicht. Ich muß da erst noch was klären. Mach Herrn Völkner mal ganz normal zurecht, also erstmal die Grundbehandlung, Säubern, Rasieren und dann Tuch drüber und wieder in die Kühlung.“

Sie zieht einen Schmollmund, nickt aber.

Kurz darauf habe ich Herrn Dr. Klaus Brommers am Telefon und erkläre ihm einen Teil des Plans, den Frau Völkner und ich ausgeheckt haben. Die Aufbahrung und die Trauerfeier könnten problemlos auf dem Hauptfriedhof stattfinden, so wie er sich das gewünscht habe, aber dann bestehe die Witwe unter allen Umständen darauf, daß die Beerdigung auf dem Südfriedhof stattfinde.

„Je, nee – nee, aber wirklich nicht! Wie soll das denn gehen?“ brüllt er fast ins Telefon. „Also wirklich nicht, nein, unter keinen Umständen. Es haben sich Redner der Parteien angesagt, die auch am Grab noch etwas sagen wollen, eine Abordnung des Orchesters wird erst in der Trauerhalle und dann am Grab spielen. Die ganzen vielen Leute müßten wir ja dann vom Hauptfriedhof zum Südfriedhof bringen…“

„Es sei denn, wir machen auch die Trauerfeier dort“, schlage ich vor, weiß aber selbst nur zu genau, daß das gar nicht geht. Auf diesem Friedhof gibt es nur eine sehr alte, sehr schöne, aber auch sehr kleine Kapelle und die steht auch noch so blöd an der Straße, daß man keine Vorzelte oder Ähnliches aufbauen kann.

„Nein, nein, das verbietet sich von selbst“, sagt Dr. Brommers und scheint zu überlegen. Da ergreife ich wieder das Wort und sage: „Na ja, Sie sind doch die Stadt, die Stadt hat doch jede Menge Busse, wäre es da nicht möglich, die Trauerfeier auf dem Hauptfriedhof zu machen und dann die Gäste mit Bussen zum Südfriedhof zu fahren…“

„Das wäre ja DIE Idee!“ ruft der Dezernentinnenreferent, schweigt einen Moment und meint dann: „Ja doch, das könnte gehen, aber dann müssen wir einen gewissen zeitlichen Zwischenraum einplanen. Sagen wir die Trauerfeier sei von 10 Uhr bis 10:45 Uhr, dann dürfte die Beerdigung nicht vor 12 Uhr sein. Doch, doch, je mehr ich darüber nachdenke, umso besser gefällt mir diese Idee. Das gibt der Sache ja noch einen größeren Rahmen und das paßt dann auch gut mit dem Imbiß, den wir anschließend reichen, das soll sowieso im Haus der Handwerkskammer stattfinden und das liegt ja näher am Südfriedhof. Doch, doch, so machen wir das!“

Am Tag der Beerdigung ist Herr Völkner in seinem besten dunklen Anzug aufgebahrt und etliche Personen nehmen von ihm Abschied. Dann wird der Sarg geschlossen und unter den Klängen des Trauermarsches in die Trauerhalle des Hauptfriedhofs geschoben. Die Trauerfeier ist schön, unendlich langweilig und vor allem dadurch gekennzeichnet, daß bestimmt hundertmal gesagt wurde, Herr Völkner sei ein Mann des Aufbaus und der Entschlossenheit gewesen.

Und während das Orchester noch etwas geigt, rollen Manni und seine Kollegen den Sarg aus der Halle und verladen ihn in unseren Bestattungswagen.
Frau Völkner bittet den Oberbürgermeister um Verständnis, daß sie ihren Mann begleiten möchte und so setzen sich unsere Fahrzeuge in Bewegung.

Vor der Trauerhalle am Hauptfiedhof versammeln sich die Trauergäste und unterhalten sich, es wird erst leise gesprochen, dann immer lauter, schließlich wird gescherzt und geraucht und man wartet auf die Busse.

Unterdessen wird das Ehepaar Völkner zu uns ins Bestattungshaus gebracht. Frau Völkner wird von Antonia genötigt im Büro ein Glas Sekt zu trinken und Herr Völkner macht endlich nähere Bekanntschaft mit Sandy und ihrer Kunst.

Als um exakt 12.13 Uhr der Sarg ins Grab gelassen wird und Trompeter des Orchesters etwas sehr Trauriges blasen, ahnt keiner der etwa 220 Anwesenden, daß im Sarg Tante Trudi liegt, mit Stöckelschuhen, mit Seidenstrümpfen, mit Spitzenunterwäsche und mit Kleid und Perücke.
Frau Völkner hat im Aufbahrungsraum 1 unseres Hauses bereits von Trudi Abschied genommen und ihr eine rote Rose in die gefalteten Hände gelegt.

Vielleicht mag sich der eine oder andere Trauergast gefragt haben, wer wohl Tante Trudi ist, denn einer der schönsten Kränze ist mit einer Schleife versehen, auf der geschrieben steht: „Auf ewig Dein, Tante Trudi“

Nur wir und Frau Völkner wissen aber, wie dieser Schleifentext gemeint ist.

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(©si)