Allgemein

Hey, Alter, wohin mit den Kippen?

orgel

Meine Fresse, heute ist Dein Todestag. Keine Ahnung, warum ich mir den in den Kalender geschrieben habe. Nächstes Jahr, am 5. Februar, da wärst Du 100 Jahre alt geworden.
Mitten im Ersten Weltkrieg wurdest Du geboren, im zweiten Krieg hätten sie Dich beinahe verheizt. Nur knapp hast Du die Front überlebt, um dann in Gefangenschaft zu geraten.
Ich höre heute noch die Geschichte in meinem Ohren, wie Du aus der Gefangenschaft weggelaufen bist und Dich zu Fuß bis nach Hause durchgeschlagen hast. Sonst hast Du ja nie was vom Krieg erzählt, wie so viele andere Männer auch.

Und dann? Dann hast Du Dich, ausgemergelt von Krieg, Gefangenschaft und Flucht, bei der Zeche gemeldet und bist unter Tage gegangen. Und da wurdest Du verschüttet und bangtest um Dein Leben, einen ganzen Tag und eine ganze Nacht lang, bis sie Dich schwer verletzt herausgezogen haben. Tja, Du wärest nicht Du, wenn Du damals hingeschmissen hättest, stattdessen bist Du zur Grubenrettung gegangen und hast viele andere Kumpels aus ebensolchen und noch viel schlimmeren Situationen befreit.

Ich war noch klein, als Du den 90 Kilo schweren Kohleofen bei der Tante abgeholt und auf dem Rücken sechs Kilometer nach Hause getragen hast. Wie stark warst Du eigentlich? Hammer!
Aber gut, Du bist auch mit 60 Jahren noch auf Bäume geklettert…

Werbung

Ich könnte nicht tapezieren, klempnern und Kabel legen, hättest Du mir das nicht alles beigebracht. Danke dafür!
Aber ganz besonders dankbar bin ich für diese kleinen Dinger, die Du mir mitgegeben hast, Deine Gene. Diese Gelassenheit, die innere Ruhe und die Kraft, immer dann besonders klar zu denken, wenn andere in Aufregung geraten.

Weißt Du, was mich so stolz macht?
Ich wollte nämlich immer so sein wie Du, so werden wie Du.
Und heute sagen mir manchmal die Leute, ich sei so. Das finde ich gut, richtig gut!

Ich bin ja immer auf den Friedhof gegangen und hab Dir ne Schachtel Zigaretten hintern Grabstein gelegt.
Geht ja nu‘ nicht mehr, Grab und Stein sind lange weg.

Ich habe eine Schachtel von Deiner Sorte gekauft; ich glaub ich mach nachher ein Feuerchen im Garten und verbrenne sie dort. Vielleicht steigt der Rauch ja bis zur Dir.

Ach ja, ich trauere nicht mehr um Dich, dafür bist Du schon zu lange tot.
Aber an solchen Tagen wie heute, da denke ich besonders an Dich.
Ansonsten denke ich immer mal wieder an Dich und erzähle meinen Kindern von Dir.

Die wissen alle, wie toll Du warst und finden Dich auch klasse.

Bis später mal!


Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:

Keine Schlagwörter vorhanden

Allgemein

Die Artikel in diesem Weblog sind in Rubriken / Kategorien einsortiert, um bestimmte Themenbereiche zusammenzufassen.

Da das Bestatterweblog schon über 20 Jahre existiert, wurde die Blogsoftware zwei-, dreimal gewechselt. Dabei sind oft die bereits vorgenommenen Kategorisierungen meist verlorengegangen.

Deshalb stehen über 4.000 Artikel in dieser Rubrik hier. Nach und nach, so wie ich die Zeit finde, räume ich hier auf.

Lesezeit ca.: 3 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 3. November 2015

Hilfeaufruf vom Bestatterweblog

Das Bestatterweblog leistet wertvolle journalistische Arbeit und bietet gute Unterhaltung. Heute bittet das Bestatterweblog um Ihre Hilfe. Es fehlen in diesem Jahr noch etwa € 8.500,- um den Server, IT, Redaktion und um die anderen Kosten zu decken. Bitte beschenken Sie uns mit einer Spende, sonst müssen wir in Zukunft die meisten Artikel kostenpflichtig bereitstellen. Das wäre schade, auch weil das weitere unkreative Arbeiten erfordert, die wir zeitlich kaum stemmen wollen. Vielen Dank!




Lesen Sie doch auch:


Abonnieren
Benachrichtige mich bei
15 Kommentare
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anzeigen
Josef
9 Jahre zuvor

Da steigt einem Feuchtigkeit in die Augen, ach was, das ist meine Allergie! Wenn meine Kinder auch mal so über mich reden, das wäre toll! Wunderbar geschrieben!

Hajo
Reply to  Josef
9 Jahre zuvor

@Josef:
Josef, Du hast exakt die Worte gewählt, die mir auch in der Tastatur lagen. 😉

SilkeKrümel
9 Jahre zuvor

Ach, wie schööön! Ich denke auch oft an meinen Papa. Letzten Donnerstag war sein 13. Todestag. Wie immer am Geburtstag und am Sterbetag haben meine Geschwister und ich mit unseren Ehepartnern bei Mama zusammen gesessen bei Kaffee und Kuchen und Mischkinnes (Bärenfang = ostpreußischer Honigschnaps), haben Karten gespielt und hatten viel Spaß. Alles genauso, wie es Papa gefallen hätte – und jedes mal fühlt es sich so an, als wäre er unter uns.

Claudia
9 Jahre zuvor

Mein Vater hatte am 20.08. seinen Todestag, seinen 16 mittlerweile. Da Mama ihm im Januar diesen Jahres gefolgt ist, war mir dieser Tag dieses Jahr besonders bewusst.
Ich bin 42 Jahre alt, eigentlich zu alt, um mich als Waise zu bezeichnen. Dieses Jahr wird es das erste Weihnachten ganz ohne Eltern für mich sein. Ein seltsames Gefühl. Danke dir für diesen tollen, berührenden Text.

Dark Light
Reply to  Claudia
9 Jahre zuvor

Ja, das erste Weihnachten ohne Eltern ist schwer, auch wenn man schon über 40 ist. Bei mir war es letztes Jahr so, nachdem meine Mama Anfang November gegangen ist. Papa ist schon seit 8 Jahre nicht mehr auf dieser Welt. Trotzdem fehlen mir beide jeden Tag und ich bin stolz und dankbar, dass ich sie als Eltern haben durfte.
Danke, Peter, für den wunderschönen Text!!

Andrea0966
Reply to  Claudia
8 Jahre zuvor

@Claudia: doch, dieses verwaiste Gefühl kenne ich nur zu gut. Plötzlich ist man halt nie mehr das Kind, das man ja ein wenig bleibt, solange man noch Eltern hat.

Josef
9 Jahre zuvor

Meine Eltern sind leider schon so lange tot, dass beide Grabstätten schon abgelaufen sind.
Sie liegen an zwei verschiedenen Orten begraben. Aufgrund häuslicher Schwierigkeiten haben wir nie so ein schönes „normales“ Verhältniss entwickeln können.

melancholia
9 Jahre zuvor

Lieber Peter,

ich nehme an, Du schreibst über Deinen Großvater.

Wie schön wäre es, wenn meine 3 Kinder irgendwann mit so viel Bewunderung und Liebe über ihren Opa sprechen würden, oder wenigstens als Erwachsene noch die Erinnerungen bewahrten.

Letzen Freitag beim „Leichenschmaus“ hat ein Cousin zum Abschied zu mir gesagt: „Mel, du hast die gleichen blauen Augen wie der Onkel Tone (mein Papa). In deinem Gesicht lebt seine Freundlichkeit und Lebensfreude weiter.“

Gibt es etwas Schöneres und Berührenderes?

melancholia

Reply to  melancholia
9 Jahre zuvor

@melancholia: Nein, über meinen Vater. Ich bin selbst schon so ein alter Sack und ein Nachkömmling dazu.

Rockige
9 Jahre zuvor

Na toll,… da bin ich schon gesundheitlich angeschlagen und entsprechend nahe am Wasser gebaut – und dann wurde ich von diesem Beitrag von dir gefesselt. Dicke Kullertränen.
Ein Prösterchen auf all unsere Lieben, die lebenden sowie die verblichenen.

Liebe Grüße
Rockige

Nora
9 Jahre zuvor

Das is ein sehr schöner, rührender Beitrag. Ich wollte ja nie so werden wie meine Eltern, daher vergesse ich auch nie den Moment in dem ich zu meiner Mama sagte: „Ich hoffe ich werde mal genau so wie du und hoffe auch, dass meine Kinder mal genau so glücklich darüber sein werden wie ich.“
Da mussten wir dann beide ein paar Tränchen vergiessen…

Tzosch
9 Jahre zuvor

Mein Großvater, der für mich teilweise Ersatzvater war, hatte viele Sprüche im Repertoire.
Ich habe einige, an die ich mich erinnern kann übernommen. Immer wenn ich einen davon verwende bin ich meinem Großvater sehr nah. Je älter ich werde, desto öfter kommen die Sprüche zum Einsatz.

Anja
9 Jahre zuvor

Es macht mich froh, dass du so über deinen Vater redest. Und gleichzeitig macht es mich wahnsinnig traurig, dass ich nie so werde reden können, weil mein Vater sich für einen anderen Weg entschieden hat als Vater :/

amy
9 Jahre zuvor

Der Rauch seiner Lieblings-Zigaretten kommt sicher bei ihm an!!
In Asien werden auf diesem Weg auch Geld (symbolische Schein) und Gegenstände (aus Papier) zu einem verstorbenen Verwandten ‚transportiert‘.

Hier noch ein Zitat aus dem Kindermund.de:
„An dem Morgen, als ich den Anruf erhalte, dass mein geliebter Papa gestorben ist, steht meine Tochter – 9 Jahre – neben mir. Sie nimmt mich in den Arm, als ich weine, streichelt mich und sagt:
„Opa geht’s jetzt gut. Nicht traurig sein. Wenn mein Papa sterben würde, wäre das eine Katastrophe, weil, ich bin noch ein Kind. Ich brauche Mama und Papa. Ich weiß noch nicht, wie’s Leben funktioniert, du schon.“

Vielen Dank an dieser Stelle an Peter Wilhelm, dass er uns allen ein wenig näher bringt, wie Sterben funktioniert…!

Red Baron
8 Jahre zuvor

Hallo Peter.
Danke für deine Worte. Du hast mir sooooooo aus der Seele gesprochen oder geschrieben.
Irgendwie habe ich bei deiner Geschichte meinen eigenen Vater gesehen, obwohl er im Krieg noch ein junger Kerl von 16 Jahren war. Am 19.Dezember werde es nun auch schon wieder 4 Jahre, meine Mutter ist vor 19 Jahren mit 68 als Alzheimer gestorben. Ich bin also auch inzwischen Vollwaise, wenn man das in meinem Alter (56) nicht mehr sagen kann.
Er ist damals gegangen in der Gewissheit, alles was er erreichen konnte, erreicht zu haben und nun könne er zufrieden gehen, weil sein Sohn versorgt sei und sein Leben selbst in die Hand nehmen könne. Wenn ich das auch mal sagen kann und dann auch meine Kinder zufrieden sind und sagen, ich sei der beste Papa der Welt gewesen, kann ich zufrieden sein.




Rechtliches


15
0
Was sind Deine Gedanken dazu? Kommentiere bittex