Allgemein

Ich könnte mich ja gerade in die Ecke werfen

Da marschiert doch eine Frau in unser Büro und erzählt, sie sei die Cousine des vor sechs Wochen beerdigten Herrn Heinrich Trostlos. Ja, sie wäre zu der Zeit, als die Beerdigung stattfand in Indien gewesen, wo sie auf den Pfaden irgendeines Weltverbesserers gewandelt sei.
So hätte sie der Totenbrief ja nicht erreicht und somit sei das zweifelsfrei unser Verschulden, daß sie von Heinrich Trostlos nicht habe Abschied nehmen können.

„Und was genau glauben Sie jetzt, daß wir tun sollen?“ erkundige ich mich und warte mal gespannt ab.

Werbung

„Naja, das liegt ja wohl auf der Hand, ich will ihn jetzt noch einmal sehen.“

„Das wird wohl kaum möglich sein, der Mann ist schon seit vielen Wochen beerdigt.“

„Ja und? Ich habe mich erkundigt, der ist noch nicht verwest.“

„Und Sie glauben jetzt allen Ernstes, daß wir ihren Cousin jetzt wieder ausgraben?“

Sie schiebt die Unterlippe vor, dann folgt die Oberlippe, übrig bleibt ein beleidigter Schmollmund. Mit soviel hartnäckigem Widerstand hatte sie offenbar nicht gerechnet, wo doch ihr Anliegen so gut begründet scheint.

Ich frage weiter: „Das meinen Sie ja wohl nicht, oder?“

„Wie tief liegt der denn“, will sie wissen und ich merke, daß sie immer noch nicht von ihrem Vorhaben ablassen will.

„So knapp zwei Meter.“

Ich weiß ja nicht, ob sie wirklich vorhatte, den auszugraben oder ausgraben zu lassen, aber ihr scheint eine andere Idee gekommen zu sein. Sie macht wieder das Ding mit den Lippen, was sie im übrigen nicht gerade schöner aussehen läßt. Dann fragt sie: „Der war doch bei Ihnen hier aufgebahrt, nicht wahr? Kann ich da in den Raum wo der war?“

„Das geht, kein Problem“, sage ich und führe sie zu der betreffenden Aufbahrungszelle. Sie tritt ein, beugt etwas die Knie, macht einen runden Rücken, breitet die Arme aus und dreht sich mehrmals um die eigene Achse.

„Ich spüre den Heinrich!“

Ich mache gar nichts, sage nichts, presse die Lippen aufeinander und versuche, nicht in ihre Richtung zu gucken. Sie macht mit dem Mund ein Geräusch, das wir ‚Puschu, Puschu, Puschu‘ klingt und dreht sich mit geschlossenen Augen.

Frau Büser kommt, sie hat mich wohl gesucht und will eine Unterschrift. Ich lege den Zeigefinger auf die Lippen, als sie näherkommt, sie gibt mir einen Zettel zum unterschreiben und schaut kurz in Richtung der Puschu-Puschu-Cousine. Dann flüstert sie mir zu: „Spielt die Lokomotive?“, dreht sich um und geht.

Und ich muß da stehenbleiben und darf nicht lachen.

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#ecke #gerade #könnte #mich #werfen

Lesezeit ca.: 3 Minuten | Tippfehler melden


Hilfeaufruf vom Bestatterweblog

Das Bestatterweblog leistet wertvolle Arbeit und bietet gute Unterhaltung. Heute bitte ich um Deine Hilfe. Die Kosten für das Blog betragen 2025 voraussichtlich 21.840 €. Das Blog ist frei von Google- oder Amazon-Werbung. Bitte beschenke mich doch mit einer Spende, damit das Bestatterweblog auch weiterhin kosten- und werbefrei bleiben kann. Vielen Dank!




Lesen Sie doch auch:


(©si)




Rechtliches