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Im Internet ist es billiger

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Ich hab ja so ein Eierfon von Apfel. Da kann man, wie bei ganz vielen anderen Mobiltelefonen auch, für bestimmte Leute oder Anrufergruppen eigene Klingeltöne einstellen. So höre ich schon am Klingeln, welcher Heini jetzt wieder was von mir will.

Meine Kleine beispielsweise kündet ihre Anrufe, aufgrund ihrer engen Beziehung zum örtlichen Karnevalsverein, mit den ersten Tönen des Narhallamarsches, meine liebe Ehefrau hat die Tonsequenz „So ein kleiner Klugscheißer“ und mein Sohn kommt mit „Da steht ein Pferd vor der Tür“.

Bill und Penny, unsere amerikanischen Bekannten, klingeln mit dem Titel „Money“ und für alle Deppen habe ich das Dingeldangel von den Muppets. Würde ich mich selbst anrufen, klänge das wie die Titelmelodie von „Monk“.

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Früher hatte ich das noch viel weiter und detaillierter ausgeführt, aber irgendwann merkte ich, daß das Quatsch ist, weil ich mir so viele Klingeltöne und die dazugehörigen Namen gar nicht mehr merken kann, früher aß man eben viel Rindfleisch, das war so, wir hatten ja nix…

Also habe ich jetzt vieles zu Anrufergruppen zusammengefasst. Abgesehen von der Familie, die alle ihren individuellen Ton haben, klingelt jetzt zum Beispiel alles was mit Bill und Penny zu tun hat, bzw. Leute, die wir über sie kennen oder immer mit ihnen zusammen treffen, mit der Melodie von „Money“.

Eine andere Gruppe klingelt mit „The Flintstones“ usw.

Nun sitze ich mit Frau Siebenkötter und Frau Siebenkötter zusammen, Mutter und Tochter. Die Mutter ist stumm, geknickt, traurig und weint immer mal wieder in ein Papiertaschentuch. Die Tochter hingegen ist auf Krawall gebürstet. Sie wollte eigentlich einen Bestatter, den sie nachts noch aus dem Internet ausgesucht hat und der ganz besonders günstige Preise verspricht. Daß ihre Eltern ausgerechnet bei uns Halsabschneidern („Das liest man ja immer wieder im TEST-Heft!“) schon vor Jahren eine Vorsorge abgeschlossen haben, schmeckt ihr so gar nicht („Mit alten Leuten kann man’s ja machen.“)
Es interessiert sie auch nicht, daß unsere Kostenaufstellung von vor 6 Jahren keinen Cent teurer geworden ist und wir unterm Strich 500 Euro günstiger sind als ihr Internetbestatter. („Da kommt ja immer noch was nach, das kennt man ja.“)

Die alte Frau Siebenkötter ist dankbar und froh, daß sie sich um nichts kümmern muß, ihr wäre das jetzt alles zuviel. Nicht einmal die Zeitungsanzeige muß sie jetzt mitgestalten, alles ist schon fertig. Ich versichere mich nur, daß die genannten Namen noch stimmen und so bleiben sollen und schon kann die Anzeige bestellt werden. Wir haben schon vor Jahren bald eine Stunde daran herumgetüftelt. („Da sieht man es doch, irgendeine Anzeige aus dem Ordner, nichts Individuelles, da hätten wir auch den aus dem Web nehmen können.“)

Die Mutter schaut ihre Tochter halb vorwurfsvoll, halb hilflos an und macht eine beschwichtigende Handbewegung.
Doch die denkt gar nicht dran, ihr dummes, aufgeklärtes Maul zu halten und meint: „Überhaupt bin ich da nicht bei Ihnen. Ein Stück weit bin ich bei Ihnen, aber beim Rest sind wir auseinander. Man kennt das doch, da werden alte Leute in ihrer Trauer schnell mal zu einer Unterschrift verleitet und wer zahlt hinterher die Zeche?“

Mutter Siebenkötter deutet auf die Nelken auf dem Foto, das den Mustersarg mit dem Blumenschmuck zeigt: „Die wollten wir aber nicht, oder?“
Ich kann sie beruhigen, das ist nur ein Musterfoto und ihr Mann wird Rosen bekommen, so wie bestellt.

Da klingelt mein Handy und weil es jemand aus der entsprechenden Gruppe ist, spielt es die Flintstones-Melodie.
Schon nach 2 Sekunden habe ich das Gespräch weggedrückt und ärgere mich, daß ich das Mobiltelefon nicht wie sonst in die Schreibtischschublade gelegt habe, von da kommt allenfalls ein ersticktes Kleinstgeräusch, kaum wahrnehmbar.

Tochter Siebenkötter springt auf: „Also sowas! Also nein! Das ist ja mal voll die Super-Unverschämtheit! So sind wir ja schon lange nicht mehr verspottet worden! Was fällt Ihnen eigentlich ein, unsere Trauer durch ein so pietätloses Gedudel zu verspotten! Los Mutti, wir gehen!“

Mutter Siebenkötter schnäuzt sich in das Papiertaschentuch, wirft über die Brille hinweg einen müden Blick auf Ihre Tochter und sagt: „Inge, willst Du nicht besser im Wagen warten?“

„Aber Mutti, gleich kommt Rainer noch, der sucht noch im Internet und bringt dann die günstigsten Angebote mit.“

„Kann er ja machen, ist mir egal, aber das hier, das haben Papi und ich uns so ausgesucht und deshalb machen wir das genau so. Wenn Ihr Euch jetzt was aus dem Computer raussucht, dann könnt Ihr das später mal für Euch so nehmen, und jetzt ist Schluss!“

Inge klaubt ihre Unterlagen zusammen und verlässt, Kopf im Nacken, den Raum. Ganz bis zum Auto schafft sie es dennoch nicht, sie läuft die ganze Zeit in der Halle auf und ab. Als Frau Siebenkötter und ich fertig sind und ich die alte Dame zur Türe begleite, schenkt mir ihre Tochter ein paar Blicke die töten könnten.

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(©si)