Als ich noch zu Hause bei meinen Eltern wohnte, hatten wir eine Mülltonne. Die Betonung liegt auf dem Wort eine. Das war eine Tonne aus Blech, in die alles hineingeschmissen wurde, was an Abfall so anfiel.
Bei den Haushalten im Ruhrgebiet war das oft auch die Asche und Schlacke von den Kohleöfen. Deshalb war es klug, Tonnen aus Metall zu nehmen, denn es kam vor, dass die Asche noch Glut enthielt. Gute Hausfrauen ließen deshalb die Asche ordnungsgemäß auskühlen, bevor sie sie in die Tonne kippten.
Wir Kinder bewunderten die Müllmänner, wie sie hinten auf den Trittbrettern der mächtigen Müllautos mitfuhren. Ganz besonders toll fanden wir, wie die Männer gleich zwei Tonnen durch geschickte Drehbewegungen neben sich herdrehen und so transportieren konnten. Eine fast schon artistische Leistung.
Später dann wurden die Eisentonnen durch Plastiktonnen ersetzt und es kamen die Aufkleber „Keine heiße Asche einfüllen“ drauf.
Aber die eine Tonne reichte für einen Haushalt und eine ganze Woche. Heute ist das anders. An manchen Häusern stehen bis zu sechs verschiedenfarbige Tonnen, eine blaue für Altpapier, eine grüne für Biosachen und eine gelbe für Verpackungen, die rote ist für Blechdosen und Glas und die graue Tonne für den Restmüll. Je nach Kommune sind das mehr oder weniger. Mülltrennung ist das Stichwort. Eine Prozedur, der wir uns, zur Beruhigung eines eingeimpften schlechten Gewissens, und aus deutschem vorauseilendem Gehorsam bereitwillig unterwerfen. Und das vor dem Hintergrund, dass nach unserer mühsamen Trennarbeit der ganze Klumpatsch nicht selten einfach zusammengeschüttet und verbrannt wird.
Bei unserem Bestattungshaus stehen auf dem Hof vier verschiedene Mülltonnen, zwei große fahrbare Müllcontainer und eine Tonne für den Sondermüll.
Die für den Sondermüll ist uns aufgezwungen worden, da wird nie etwas reingeworfen, weil wir keinen solchen Sondermüll haben. Da würden Klinikabfälle, Kanülen, leere Ampullen und giftiges Zeug hineingehören, aber so etwas fällt bei uns nicht an. Einmal im Quartal wird die zwangsgeleert. Da kommt das Fahrzeug einer Spezialfirma und leert die leere Tonne. Kostet jedesmal 27 Euro.
Alle anderen Tonnen und der Container werden von der Kommune geleert. Nach einem aufgeklügelten Plan kommt mal der Wagen für die graue Tonne, die Woche drauf der für die blaue und dann wieder der andere für den Rest. So hast Du auch schön jede Woche was zu tun.
Normalerweise kommen die Müllmänner und holen die Tonnen an der Grundstücksgrenze ab. So wie es früher mal war, dass die Männer die Tonnen auch noch vom Hof oder gar aus dem Keller holten und wieder zurückbrachten, ist es ja schon lange nicht mehr.
Nur ist es bei uns so, dass die private Entsorgungsfirma, die den Müll im Auftrag der Kommune abholt, sagt, der Müllwagen sei zu groß, um in die enge Straße bei uns reinzufahren.
Deshalb müssen wir jede Woche die gerade aktuelle Mülltonne zweihundert Meter weit ans Ende der Straße an einen Sammelplatz schieben.
Das ist lästig und jedes Mal gibt es ein Theater. Oft wurde das auch schon vergessen. Immer ein Hin und Her.
Nun bietet dieses Müllentsorgungsunternehmen aber für Leute, die sich das leisten möchten, einen sogenannten Vollservice an. Da muss man dann irgendwie die dreifache Gebühr bezahlen, dafür holen die Männer die Tonnen aber dann auch selbst aus den Müllboxen oder vom Hof und bringen die auch brav wieder zurück.
Und siehe da: Für die zwei Haushalte am Ende unserer Straße, die sich diesen Extra-Service leisten, ist die Straße auf einmal nicht mehr zu eng, und der Müllwagen kann selbstverständlich bis dahin fahren.
Nun wäre es ja eigentlich logisch, dass wir sagen könnten: Moment mal, wenn ihr ja bis zu diesen Häusern problemlos hinfahren könnt, dann müsstet ihr ja auch in der Lage sein, die Tonnen der anderen Anwohner wenigstens an der Grundstücksgrenze, sprich am Gehwegrand abzuholen und zu entleeren.
Aber nein, es bleibt dabei: Für diejenigen, die nicht bereit sind, das Dreifache zu bezahlen, ist die Straße zu schmal, für die Reicheren ist sie hingegen breit genug.
Muss irgendwas mit Physik zu tun haben.
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- muell: ki
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