Die deutsche Bestattungsbranche: Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser | ZDF Magazin Royale
Jan Böhmermann präsentiert wöchentlich das ZDF Magazin Royale, in dem er und sein Team satirisch-investigativ über andere Existenzteilnehmer berichtet.
Die einen lieben ihn, die anderen hassen ihn. Das kann jeder für sich entscheiden, wie er mag. Ich persönlich kann mit Böhmermanns Humor recht viel anfangen und schaue das ZDF Magazin Royale ziemlich regelmäßig.
In der vergangenen Woche sollte sich die Sendung um das Thema Bestattungen drehen. Aufgrund des Amoklaufs im Königreichssaal der Hamburger Zeugen Jehovas hat das ZDF jedoch aus Pietätsgründen auf die Ausstrahlung verzichtet.
In der ZDF-Mediathek und auf YouTube ist die Sendung jedoch verfügbar:
https://www.zdf.de/comedy/zdf-magazin-royale/zdf-magazin-royale-vom-10-maerz-2023-102.html
https://www.youtube.com/watch?v=gx_byG-3gY4
Nun ist man es ja gewohnt, dass Böhmermann gerne seine salzigen Finger in die klaffende Wunde legt oder zumindest mal gerne so lange an einem Thema kratzt, bis eine Wunde da ist.
Die Aufdeckung von Social Media Bursche Fynn Kliemanns zweifelhafter Maskengeschäfte und die Veröffentlichung geheim gehaltener NSU-Akten sind Beispiele dafür. Demnach hätte die gesamte Bestattungsbranche zittern können, als sich das Böhmermann-Team nun eben dieser Branche zuwandte.
Was würde wohl herauskommen? Welche Abzocker-Methoden würden wohl entlarvt werden? Welchen Skandal würde Böhmermann wohl anprangern?
So schaute ich dann 30 Minuten lang diese Sendung, ich lachte über die gezeigten Parallelen bei der Gestaltung von Urnen und Klodeckeln (#Erdbeerurne), staunte über die klasse Performance des französischen Künstlers Christine and the Queens und freute mich wie immer am Rundfunktanzorchester Ehrenfeld.
Und ansonsten: Langeweile.
Die Erdbeerurne war dann tatsächlich das Spektakulärste, was aufgeboten wurde.
Der Berliner Sargdiscounter erklärte, dass er aufgrund höherer Abnahmemengen günstiger einkaufen kann, als andere Bestatter, die geringere Stückzahlen einkaufen.
Der sehr geschätzte Herr Helbach von Aeternitas berichtete von unzureichend bekleideten und versorgten Leichnamen in Krematorien.
In das Ausbildungszentrum der Bestatter in Münnerstadt wurden Verstorbene ohne Wissen der Angehörigen zu Lehrzwecken überführt.
Menschen, für die niemand die Bestattung bezahlt, kommen sehr schlicht und ohne Blumen und Prediger unter die Erde.
Das alles könnte man jetzt auch noch durchdiskutieren und teilweise sogar relativieren und entkräften, aber wozu?
Über all diese Dinge wissen Leserinnen und Leser des Bestatterweblogs längst Bescheid, es ist auch für den Rest der Existenzteilnehmer nicht sensationell und letztendlich muss sich jeder Hinterbliebene einfach die Frage stellen lassen, was er denn erwartet, was passieren wird, wenn er beim Bestatter sagt, das alles solle nicht mehr als unbedingt notwendig kosten, weil der Opa doch so ein einfacher Mann gewesen sei.
Sicher, es gibt Halsabschneider, Abzocker und Die-Situation-Ausnutzer in der Branche. Aber aus meiner Erfahrung heraus kann ich sagen, dass der Anteil derer, die betrügen wollen, äußerst gering ist. Weitaus überwiegender ist der Anteil derer, bei denen sich im Laufe der Jahre ein gewisser Schlendrian eingeschlichen hat.
Bestatter lassen sich ihre Arbeit gut bezahlen. Das ist eben so. Sie sind keine Wohlfahrtsstellen, sondern Unternehmer. Selbst kommunale Bestattungsbetriebe, die zu einer Stadtverwaltung hinzuzuzählen sind, und bei denen man erwarten würde, dass sie ihre Dienste im Rahmen der kommunalen Daseinsfürsorge für die Bürger besonders günstig erbringen, rechnen die gleichen hohen Beträge ab.
Auch die von Herrn Helbach geforderte Kontrollinstanz halte ich für Utopie. Die Branche ist so gewachsen, dass letztlich quasi ein geschlossener Regelkreis entstanden ist. Egal, wo Du hinschaust, es sind immer Bestatter, die Bestatter kontrollieren. Bei der Aufnahme in den Verband, bei der Abnahme von Prüfungen, beim Betrieb der Ausbildungsschulen, bei Zertifizierungen und Ähnlichem.
Bestatter legen sozusagen selbst fest, was zu lernen, was zu tun und wie es zu tun ist; eine echte Kontrolle findet nicht wirklich statt. Sie findet aber auch im Piano-Handel nicht statt und auch nicht in diversen Betrieben im Bereich der Medizin.
Gastwirte und Taxifahrer sind mehr Kontrolle und Aufsicht unterworfen.
Wir brauchen aber im Bestattungswesen auch keine Kontrolle der Arbeit der Bestatter. Die Menschen können den Bestattern vertrauen, weil die Betriebe ordentlich arbeiten, korrekt abrechnen und weil die Familien sehr zufrieden sind.
Das ist so.
- boehmermann: Von Foto: © JCS, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org
Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:
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Die Menschen können den Bestattern vertrauen, weil die Betriebe ordentlich arbeiten, korrekt abrechnen und weil die Familien sehr zufrieden sind.
Das mag stimmen (obwohl die vielen Anfragen an PW wegen strittiger Rechnungen etc. ja wohl eher nicht von zufriedenen Familien kommen).
Ich muss bei der Argumentation jedoch gerade an Horst Seehofer denken, der mal sinngemäß gesagt hat, dass es bei der bayerischen Polizei kein Racial Profiling gibt, „weil es verboten ist“ …
„Die vielen Anfragen“ sollte man etwas relativieren. In Deutschland finden jedes jahr um die 900.000 Bestattungen statt. Dafür liest man doch verdammt wenig in der Presse und es landet auch verdammt wenig vor Gericht oder bei den Verbraucherzentralen.
Was nun die Abzocker, Preise usw. angeht:
Zu jeder Branche gibt es die Kennzahlen des Finanzamtes. Die muss man allerdings interpretieren können. (Umsatzschwache Firmen machen mehr Gewinn als umsatzstarke – was daran liegen könnte, dass „Gewinn“ in kleinen Firmen auch das Gehalt des mitarbeitenden Inhabers umfasst, während größere Firmen ja meist als GmbH laufen und die Gehälter der Geschäftsführer bereits abgezogen sind.)
Wäre schön, wenn jeder Reporter sich die Kennzahlen zu Gemüte führt, bevor wieder mal die ganze Branche als Abzocker dargestellt wird.
Meine 2 cent.
Richtig, Stefan.
Und: Verglichen mit anderen Branchen landet alles, was Bestatter anbetrifft, immer recht zügig in der Presse. Ist ein Bestatter an irgendwas beteiligt, ist das für die Medien immer besonders interessant.
Wer sein Gewerbe (hier aus Pietätsgründen) weitestgehend im Verborgenen ausübt und damit auch noch Geld verdient, wird immer kritisch beäugt.
Das ist es ja eben.
Hier bei mir, der ich Fragen zu diesem Thema beantworte und einen prüfenden Blick auf Rechnungen werfe, kumulieren sich ja Meldungen von Unzufriedenen und Unsicheren.
Täglich sind das bis zu 20 Mails, die ich beantworte.
Mal abgesehen davon, dass sich viele Fragen wiederholen, finden dann -gemessen an der hohen Anfragezahl- nur sehr wenige als „Skandal“ Eingang ins Bestatterwerblog.
Wie ich auch immer wieder schreibe, kann ich in den allermeisten Fällen nur feststellen, dass die Kunden etwas nicht oder falsch verstanden haben. Viele Aufreger sind dann am Ende leicht aufzuklärende Dinge.
Und Du schreibst es ja selbst: Die Anfragen kommen nicht von zufriedenen Familien.
Es sammeln sich bei allen Formen von „Beschwerdestellen“ logischerweise nur die Unzufriedenen. Die zig-Tausende, die zufrieden sind, bleiben außen vor.
Das muss man eben auch berücksichtigen.
Wer eine Dienstleistung oder Ware bestellt und genau das bekommt, was er haben wollte, der hat keinen Grund laut zu werden.
Schwarze Schafe gibt es auch bei Metzgern, Klempnern, sowie in vielen Branchen.
Aber um ein hohes Interesse zu bekommen, berichtet man gerne über die „Bösen“ Bestattungsunternehmen, mit seit Jahren gleichen Inhalt. Viele dieser selbsternannten Aufklärer wissen von dieser Tätigkeit wenig bis garnichts.
Hauptsache ich bekomme Aufmerksamkeit, egal auf welche Art und Weise!