Frag doch den Undertaker

Jens darf nicht gehen

wolkenhimmel

Lieber Herr Undertaker,

wir wenden uns mit einer Frage an Sie. Unseren Jens mussten wir 1986 gehen lassen. Nun haben wir damals den Tod unseres drei Wochen alten Kindes als Geschenk angenommen. Einen weiteren Kinderwunsch haben wir uns versagt, weil ich ja ein lebendes Kind geboren habe und deshalb Mutter bin, auch wenn Jens jetzt ein Sternenkind ist. Wir feiern in der Familie alle Feste gemeinsam mit Jens und bitten auch die drei inzwischen erwachsenen Patenkinder (18, 19 und 21) immer dazu. Wir stellen dann ein Foto von Jens (aufgenommen vom wirklich liebenswürdigen Doktor in der Klinik) auf dem Küchentisch auf und platzieren Kerzen und Blütenblätter, sowie schönes Holzspielzeug ringsherum. Das ist immer sehr schön. Leider wird das Spielzeug später, wenn wir es auf den Friedhof bringen, immer schnell gestohlen. Der Friedhofsmann hat uns jetzt gesagt, dass das Grab schon seit 2001 abgelaufen ist. Wir sind schockiert!!!!! Das hätte man uns vorher klipp und klar sagen müssen. Jetzt sollen die Kindergräber alle weg und es soll dort ein Urnenfeld hinkommen. Wir Eltern sind in hellster Aufregung und sammeln Unterschriften. Das sind doch Kinder! Denkt denn bei solchen grausamen Entscheidungen keiner an die Eltern?

Bitte helfen Sie uns!

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Schauen Sie, die Trauer ist etwas, das sich wie eine eiserne Klammer um unser Herz legen kann und für eine gewisse Zeit auch unseren Verstand rauben kann.
Gerade wenn man als junge Frau nach einer 9-monatigen Schwangerschaft ein Kind auf die Welt bringt, hat man viele Zukunftspläne und Träume damit verbunden.
Daß das schon nach wenigen Wochen vorbei sein soll, ist wirklich schwer zu verstehen.

Aber es ist nun einmal der Lauf der Welt, daß nicht immer nur Alte sterben müssen. Manchmal sind es auch kleine Kinder.

Ihr Jens ist 1986 verstorben und wäre heute 30 Jahre alt. Meinen Sie wirklich, daß Holzspielzeug für einen erwachsenen Mann angebracht sind?
Die Trauer sollte durch verschiedene Stadien führen, die zum Ziel haben, daß man irgendwann losläßt. Es soll eine, wenn auch wehmütige, so aber doch friedliche Erinnerung an den Verstorbenen übrig bleiben.

Sie schreiben, daß Sie Jens 1986 gehen lassen mussten. Das stimmt nicht. Sie haben Jens nicht gehen lassen.
Sie haben den kleinen Wurm zu einer Ikone Ihrer Trauer gemacht und zelebrieren einen in meinen Augen übertriebenen Totenkult, in den Sie die Patenkinder, die Jens gar nicht gekannt haben können, mit einbinden. Ich möchte gar nicht wissen, was diese jungen Leute über Sie und Ihre Bilder- und Kerzenzeremonie denken.

Ich bin sonst immer sehr nachsichtig und versuche mich in die Menschen hinein zu versetzen. Aber mir geht dieser Sternenkinderquark in diesem Fall wirklich viel zu weit. Sich vorzustellen, ein früh verstorbenes Kind sei bei den Sternen oder werde durch einen funkelnden Stern am Himmel verkörpert, ist mal eins.
Das andere ist, daß das Leben weitergeht und daß man irgendwann die Toten auch mal einfach tot sein lassen muß.

Ihr Jens durfte nicht gehen, er darf es heute noch nicht. Sie halten ihn immer noch fest und kommen selbst dabei nicht zur Ruhe.
An Ihrer Stelle würde ich dringend einen Trauerkreis oder eine Selbsthilfegruppe aufsuchen. Kirchliche Organisationen können Ihnen entsprechende Adressen nennen. Das können auch die Organisationen der Wohlfahrt. Überdies fände ich es eine gute Idee, wenn Sie mit fachlicher ärztlicher Unterstützung eine Aufarbeitungstherapie durchlaufen würden.

Jens ist tot! Das war 1986 sehr schlimm, dafür habe ich Verständnis.
Aber jetzt ist 2016 und Ihr Leben muß unbeschwert weitergehen, auch ohne Jens.

Dazu gehört, daß die Gräber eines Tages auch mal ablaufen. Es kann vorkommen, daß Familien ein Grab länger pflegen möchte, was regelmäßig zu Problemen führt. Nur wenige Friedhöfe bieten es an, nach Ablauf eines Reihengrabes eine Umbettung vorzunehmen. Ich finde 30 Jahre für die Pflege eines Kindergrabes schon ziemlich lang.

Besinnen Sie sich auf Ihr Leben und lassen Sie Jens gehen!

Fehler durch Lektorin Anya bereinigt.

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(©si)