Branche/Kommune

Jetzt kommt alles in die Dose. BGH sorgt mit Urteil für Probleme in den Krematorien

Was gehört in die Urne? Was ist Bestandteil der Totenasche? Was kann und darf oder sollte aussortiert werden?

Bis jetzt war alles klar und dennoch ungeklärt.

Schauen wir uns die Abläufe in einem Krematorium einmal in der folgenden Dia-Show etwas näher an:

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Der Sarg mit dem Leichnam wird im Krematorium in mehreren Stufen bei unterschiedlichen Temperaturen verbrannt.
Hierbei werden alle verbrennbaren Bestandteile von Sarg, Sargbeigaben, Wäsche und dem Leichnam verbrannt. Übrig bleiben die nicht verbrennbaren metallischen und mineralischen Bestandteile von Sarg, Sarginhalt und Leichnam.
Nach bisheriger landläufiger Meinung und bundesweit geübter Praxis wurde unter Totenasche in erster Linie das verstanden, was originär zum Körper eines Menschen gehört, also im Prinzip nur die ausgekohlten Knochenreste.
Diese sind nach dem Kremierungsprozeß nicht, wie mancher sich das vorstellt, als feines Pulver vorhanden, sondern insbesondere die großen Knochen sind noch durchaus intakt.
Da dieses Gemenge einerseits nicht den Vorstellungen von Asche entspricht und andererseits auch nicht ohne weiteres in eine Urne/Aschenkapsel eingefüllt werden kann, muß es zerkleinert werden.
Das geschieht im übrigen auch, damit weitere Verwendungen der Asche, etwa im Rahmen einer Ascheverstreuung, möglich werden.

Es liegt auf der Hand, daß größere metallische Stücke, wie etwa Oberschenkel- oder Knieprothesen, nicht mit in die Zerkleinerungsmaschine gelangen dürfen. Die Maschine würde unweigerlich zerstört.
Also sortieren die Mitarbeiter des Krematorium diese Teile als nutzloses Beiwerk aus der Totenasche aus und sammeln das Material, wie auf dem Bild oben zu sehen ist, in einem Sammelbehälter.

Bei diesem Beiwerk befinden sich auch metallene Teile von Zahnprothesen und natürlich kaum identifizierbare Klümpchen mit Resten von Zahngold.
Auch die Prothesen sind häufig aus wertvollen Metallen oder Legierungen gefertigt.

Immer schon weckten diese nicht wertlosen Reste Begehrlichkeiten.
Einmal gab es immer schon Fälle, in denen Mitarbeiter von Krematorien sich speziell am leicht zugänglichen Zahngold in der Asche vergriffen und an dessen Verkauf bereichert haben.
Zum anderen war es, fernab jeglicher krimineller Energie, nahezu in allen Krematorien üblich, die Reste einer Verwertungsfirma zu übergeben, die dafür durchaus nennenswerte Beträge zahlte.
Diese Beträge flossen, je nach wirtschaftlicher Orientierung und Gesinnung der Krematoriumsbetreiber, entweder in den Haushalt des Krematoriums zurück oder wurden als Einnahme in der Stadtkasse verbucht, oder aber das Geld wurde generell mildtätigen Organisationen gespendet.

Die rechtliche Frage, wem diese Teile eigentlich gehören, wurde unterschiedlich beantwortet. Auf jeden Fall fühlte sich jeder mit seiner Verfahrensweise wohl und sah sich auf der rechtlich sicheren und richtigen Seite.
Geregelt wurde das oft durch Friedhofs- und Stadtsatzungen oder die AGBs der Krematorien.

Immer wieder aber tauchten entsprechende Fragen auch hier im Bestatterweblog auf, in denen sich Angehörige erkundigten, warum nicht etwa ihnen als erben der Erlös aus dem Verkauf zur Verfügung gestellt würde.
Im Ansatz argumentierten die Krematoriumsbetreiber, die diese Beträge dem eigenen Haushalt wieder zuführten (gemeint ist der Finanzhaushalt) durchaus logisch damit, daß sie sagten, das Geld würde ja in den Haushalt des Krematoriums eingerechnet und helfe mit, die Kremierungskosten niedrig zu halten und somit komme es ja den Hinterbliebenen auf diese Weise zu Gute.

Auf der anderen Seite muß man einfach ganz deutlich sagen, daß das Aussortieren der Reste nicht schön ist und der Anblick dieser verkohlten Teile auch kein Amüsement bedeutet.
In etwas bevormundender Weise entzog man den Angehörigen diese Gegenstände auch, um ihnen den Anblick zu ersparen.

Nun hat aber ein Fall von Zahngolddiebstahl ehemaliger Krematoriumsmitarbeiter des Friedhofs Hamburg-Öjendorf dazu geführt, daß letztinstanzlich der Bundesgerichtshof (AZ: 5 StR 71/15) entschieden hat, daß das Zahngold kein Entsorgungsbeiwerk, sondern fest zur Totenasche gehörender Bestandteil des eingeäscherten Menschen ist. Somit gehört das Zahngold, und damit auch jeglicher anderer dem Zahngold ähnlicher oder vergleichbarer Gegenstand aus dem Körper des Verstorbenen in die Aschenkapsel/Urne.

totenasche-gold

Vom Ablauf her stellen sich die, in der Sache nicht bewanderten Juristen, das wohl so vor, daß nach der Einäscherung die Metallteile zunächst entfernt werden, damit die erforderliche Zerkleinerung der Asche erfolgen kann, und dann diese Metallteile wieder der Asche beigegeben werden.
Gut gedacht, aber eben leider nicht zu Ende gedacht.

Denn viele dieser Teile sind eben nicht nur kleine Klümpchen, wie das Zahngold, sondern lange metallene Konstruktionen, bis hin zu Gittern, Drähten, Nägeln und massiven Stäben.
Diese passen, egal wie man es anstellt, gar nicht in die Aschenkapsel.
Man darf nicht vergessen, daß durch den Verbrennungsvorgang ein recht großer Mensch, egal welcher Größe und welchen Gewichts, auf 2,5 – 3,5 Kilo Asche im wahrsten Sinne des Wortes eingedampft wird. Die Fremdbestandteile machen diesen „Schrumpfungsprozess“ nicht mit und behalten weitestgehend ihre vorherige Größe.

Das stellt die Mitarbeiter und Betreiber der Krematorien vor durchaus ernste Probleme.
Verfahren sie streng nach den neuen Gegebenheiten, bedeutet das, daß sie Prothesen zersägen, Metallteile mit der Flex auseinandernehmen, Stifte, Stäbe und Nägel verbiegen und zerbrechen müssen, damit all diese Sachen in die Aschenkapsel eingefüllt werden können.
Und dennoch, trotz solcher Maßnahmen paßt oft nicht alles in die Dose. Und nun?

Die Antwort auf diese Frage lautet: Größere Aschenkapseln, größere Überurnen, größere Löcher auf den Friedhöfen usw.
Das führt in der normierten Logistik so manches Friedhofes durchaus zu Problemen.

Und was, wenn die Asche zur Verstreuung auf der Verstreuwiese des Friedhofs vorgesehen ist? Klackern dann die Metallbrocken mit auf die Wiese, oder werden sie dann doch vor dem Verstreuen aussortiert und landen dann doch wieder in der oben gezeigten Tonne? Gehören dann auf einmal diese Teile doch nicht mehr unteilbar zur Totenasche?
Oder wird der Ascheteil verstreut und der metallene Teil dann doch begraben?

Link: http://bestatterweblog.de/edelmetall-metall-aus-der-totenasche/

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