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Kabel II

Es sollten Kabel in unserem Haus neu verlegt werden. Im ersten Teil der Geschichte hieß es dazu:

Ein Kabel kam zum anderen und mittlerweile ist der Kabelstrang dicker als der Balken an dem quer durch das Treppenhaus von einem Teil des Gebäudes zum anderen geführt wird und das sieht alles andere als fachmännisch und schön aus. Es gibt aber eine Alternative: In dem kleinen Raum, in dem der Ursprung dieser ganzen Kabel ist, ein passendes Loch in den Boden machen, die Kabel in den Keller führen, dort in einem Kabelkanal das Treppenhaus unterqueren und jenseits in einem anderen Raum wieder hochführen. Es sind Telefonkabel, Netzwerkkabel, TV-Kabel und Kamera- und Lautsprecherkabel.

“Ach, das kann doch mein Mann machen”, meinte Bettina, unsere hilfsbereite Paketbotin, und erzählte, daß ihr aus Portugal stammender Göttergatte ein absolut tüchtiger und erfahrener Fernmeldetechniker sei, der quasi seit Jahren nur darauf gewartet habe, diese Arbeit schnell und kostengünstig für uns zu erledigen.

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So kamen wir an Carlos Gastro-Poda, den unglaublichen Kabelmann.

Carlos kam am nächsten Tag, stellte sich vor und legte mir auch brav eine Mappe mit seinen bisherigen Arbeitszeugnissen vor. Das war mir geradezu ein bißchen peinlich, denn er sollte ja nur mal eben was erledigen. Aber bestand darauf, daß ich mich von seiner überragenden Qualifikation überzeuge und erklärte mir lang und breit jede einzelne der hauptsächlich in Portugiesisch abgefassten Seiten.
Beeindruckend!

Alsdann verkündete der kleine, schwarzgelockte Mann, in dessen Gegenwart ich nicht heftig zu atmen wagte, weil ich befürchtete, ihn beim nächsten Einatmen quer vor der Nase hängen zu haben, er müsse jetzt daheim noch seine Werkzeuge ordnen und dann erst einmal in den Baumarkt fahren. Dann komme er wieder.

Etwa vier Stunden später stand er dann wieder da, ein Metermaß und einen Schreibblock in der Hand und nahm Aufmaß. Ohne die genauen Maße könne er ja gar nicht bestimmen, wieviel Material er benötige und wenn er das gemacht habe, dann könne er tatsächlich mal eben in den Baumarkt fahren. Es wurde Abend und draußen zog der Vollmond, den Uhu blendend, an den Himmel und Carlos war immer noch mit dem Ausmessen und Aufschreiben der Maße beschäftigt. „Ja, das musche ganze genau sein, sonst Fehler!“

Am nächsten Tag kam Carlos schon in aller Frühe, so gegen halb zwölf mittags und nahm die letzten Maße.
„Fahren Sie dann jetzt in den Baumarkt?“
„Aber natürlich, erste mache ich Sieschta und dann Baumarkt.“
Sprach’s und fuhr weg.

Etwas drei Tage später komme ich hinunter ins Büro und stolpere am Fuße der Treppe beinahe über einen Werkzeugkasten.
„Der ist von Carlos“, sagt Antonia kauend und auf meine Frage, wo der denn stecke, antwortet sie: „Im Baumarkt.“

Ich schob den Werkzeugkasten an die Wand und ging an meine Arbeit. Es wurde Freitag der darauffolgenden Woche, als mich plötzlich das kreischende Jaulen einer Schlagbohrmaschine aus dem Büroschlaf reißt. Gerade hat mich das Elf-Uhr-Loch voll erwischt und die präkulinarische Müdigkeit begann gerade Oberhand zu gewinnen. Carlos bohrte direkt unter meinem Büro Löcher in die Decke. Ein, zwei, drei Stück, und jedes einzelne davon sauber, ordentlich und vor allem sehr langsam.
„Musse genau mache, ist für Halterung von Flanschnippel für Kabelkanalwellentunnel. Mach ich dann verzinkte Überwurfmuffen mit gute deutsche Klappkardan dran, hält sie 100 Jahre!“

„Wie viele Löcher müssen Sie denn noch bohren?“

„Ach Cheffe, nicht mehr viel, nur noch vielleichte, könnte sein so Fimzich bisse Sexzich Stick.“

„So viele?“

„Ja, abberr soll doch gutt sein, odder?“

So an die drei Löcher hat Carlos noch gebohrt, dann war erst einmal Sieschta. Die ganze Firma atmete auf, endlich konnte man in Ruhe arbeiten, das Schlagbohren nervte schon gewaltig.
„Wie lange wird der denn noch brauchen“ will Frau Büser wissen und mir fällt nichts Besseres ein als: „So lange bis er fertig ist.“
Das trägt mir einen vorwurfsvollen Blick über den Rand ihrer Brille ein und verziehe mich besser, wenn sie so guckt, kann sie Chefs fressen, mit einem Haps!

Eine ganze Woche lang ging es dann im Rhythmus Schlagbohren, Baumarkt, Sieschta weiter und endlich verkündete Carlos: „Binne feddisch!“
Allgemeines Freudengetaumel, Sandy nahm die Watte aus den Ohren, Frau Büser räumte ihre Kopfschmerztabletten in die Schublade zurück und dann meinte Carlos noch: „So jetzte kann ich anfangen mitti Schlitze klopfen. Musse nur in Baumarkt grosse Maschina hole.“
Er grinste voller Freude, rieb sich die Hände und meinte noch, mit einem entschuldigenden Unterton: „Kann jetzte abberr kleine bisken laut werden, geht aber schnell, ganz fix.“

„Wie fix?“ wollte ich wissen und Carlos überlegte kurz, kratzte sich am Kinn und schätze: „So knappe Woche, abberr nix länger wie zwei Woche.“

Frau Büser wollte mich ganz gern mal eben sprechen, ich sah ihre geblähten Nasenflügel und floh der dreuenden Ungemach mit den Worten: „Der macht das ja ganz günstig.“

Es war als bohre einem der Zahnarzt direkt auf dem Zahnnerv herum, so tönte die „grosse Maschina“ durchs ganze Haus. Die Vibrationen spürte man noch zwei Stockwerke höher in der Wohnung und es dauerte nicht lange bis meine Frau vor mir stand, die Hände in die Taille gestemmt und einen fragenden Blick im Gesicht.

Ich zuckte nur mit den Achseln und sie sagte nur: „Mann, geh‘, mach was!“

„Isse doch keine Problem, Cheffe. Carlos kann auch mit Hammer machen, ist viel, viel leiser.“

Jetzt sind zwei weitere Wochen vergangen und es pocht in unserem Haus, unentwegt, ohne Unterlass und ohne absehbares Ende.
Tock, tock, tock, zwei Stunden lang, dann Sieschta, Baumarkt und nochmals zwei Stunden tock, tock, tock.

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#kabel

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(©si)