„Der Sarg im eigenen Garten oder die Urne im Bücherschrank? Die meisten Bestatter in Neubrandenburg haben die Erfahrung gemacht, dass die Hinterbliebenen der Tradition, Verstorbene auf dem Friedhof ruhen zu lassen, sehr anhängen.“
Das berichtet der Nordkurier in einer online leider nur gegen Bezahlung zugänglichen Meldung.
Die darin gemeldete Beobachtung teilen aber viele Bestatter bundesweit. Was von Behördenseite als Gegenargument gegen die Freigabe der Totenasche betrachtet wird (mangelndes Interesse), ist aber in Wirklichkeit ein Argument genau für die Freigabe.
Denn es sind tatsächlich wenige, die sich wünschen, über die Totenasche, sprich Urne, frei verfügen zu können.
Oft haben diese Menschen den Wunsch, die Asche an einem anderen geeigneten Platz zu verstreuen oder die Urne im eigenen Garten beizusetzen.
Andere möchten die Urne mit ins Ausland nehmen und dort an einem malerischen Ort in Stille beisetzen.
Aus hygienischer Sicht spricht auch zunächst einmal nichts dagegen.
Die meisten, die solche Wünsche äußern, haben also durchaus einen guten Grund.
Der kann auch darin liegen, daß man die Urne zunächst eine Weile aufbewahren möchte, um sie später gemeinsam mit einem anderen Verstorbenen beisetzen zu lassen.
Es steht also, auch aufgrund der Beobachtungen der Bestatter (in Neubrandenburg) nicht im Raum, daß nun jedermann sich unkontrolliert auf freigegebene Urnen stürzen wird, sondern vielmehr ist bei einer Aufhebung des Friedhofszwangs für Totenaschen eher mit einem mäßigen Interesse und einem verschwindend geringen Mißbrauchsrisiko zu rechnen.
Als Mißbrauch wäre hier der immer wieder unterstellte pietätlose Umgang mit der Urne oder eine wilde Entsorgung zu nennen.
In den Niederlanden, so wurde einst im Düsseldorfer Landtag ausgeführt, landeten angeblich hunderte von nicht mehr benötigten Urnen einfach in den Grachten.
In unserem Nachbarland ist es ja ohne weiteres möglich, die Urne mit nach Hause zu nehmen.
Und genau das führe dazu, so wurde damals behauptet, daß die Menschen eines Tages der Urne überdrüssig seien und sie einfach in die Kanäle werfen würden.
Jedoch hat sich damals herausgestellt, daß diese Behauptung frei erfunden und völlig an den Haaren herbeigezogen war.
Die zuständige Wasserschutzpolizei konnte keinen einzigen Fall von in Grachten gefundenen Urnen berichten. Und dabei werden die Grachten regelmäßig auch mit Metallsonden und Rechen abgesucht, weil die Niederländer Weltmeister im Fahrrad-in-die-Grachten-Schmeißen sind und die im Wasser dümpelnden Zweiräder aufgrund des oft niedrigen Wasserstands der Kanäle zum Hindernis für Boote und Schiffe werden können.
Viel dran ist also nicht, an der Mißbrauchsbefürchtung.
Ich bin dafür, es den Angehörigen freizustellen, ob sie die Urne mitnehmen oder beisetzen wollen.
Bei Mitnahme sollte eine Gebühr von 100-200 Euro kassiert werden, die dafür verwendet werden kann, eine spätere Endlagerung auf dem Friedhof zu finanzieren.
Denn irgendwann hat bestimmt mal keiner mehr Interesse an der Urne und dann sollte es mit einfachem Abgeben an irgendeinem örtlichen Friedhof getan sein.
Man sollte aber als Angehöriger sich eines immer vor Augen halten:
Das Einbehalten der Asche für persönliche Gedenkzwecke hat einen etwas eigennützigen Beigeschmack.
Man kann zwar in vielfacher Weise seiner eigenen Trauer und der Individualität des Verstorbenen Ausdruck verleihen, jedoch entzieht man die Asche und damit den Verstorbenen den anderen Trauernden.
Ein Platz auf dem Friedhof ist gleichzeitig immer auch eine Anlaufstelle für alle.
Jeder, ob nun früherer Schulkamerad, Arbeitskollege, Nachbar oder Vereinsfreund, kann jederzeit auf den Friedhof gehen und dort in stillem Angedenken trauern.
So hat jeder die Möglichkeit Abschied zu nehmen und seine ganz persönliche Trauerarbeit (Schritte des Loslösens und Loslassens) zu bewältigen.
Man weiß ja als enger Angehöriger oft gar nicht, wer noch alles um den Verstorbenen trauert.
All diese anderen Menschen haben mit der Einbehaltung der Urne keine Anlaufstelle, nicht einmal die Gedenksäule an einem anonymen Gräberfeld.
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Meine vollste Zustimmung.
Ich hätte auch gedacht, dass das Interesse höher ist, die Urne mit nach Hause oder zu einem anderen Wahlort zu nehmen.
Wahrscheinlich würde sich das ändern, wenn die „Bestattung in Eigenregie“ deutlich billiger als die traditionelle Variante wäre, oder?
@Sebastian: Es würden ja nur die Bestattungskosten, also Grab, Beisetzungsgebühr und Hallengebühr wegfallen. Somit ist die Einsparung nicht so gravierend.
Es wird erst dann finanziell interessant, wenn man seine Oma wirklich selbst verbrennen darf. 🙂
Hmm,
Meine Großeltern wohnten zu Lebzeiten in Kleve nahe der Niederländischen Grenze. Mein Vater hat Sie nach Ihrem Tod über das Niederländische Krematorium zu sich nach Hause geholt. Dort stehen die beiden Urnen nun im Regal.
Ich frage mich schon, was ich nach dem Tod meiner Eltern mit den Urnen meiner Großeltern machen soll. Ich möchte mir diese nämlich nicht ins Regal stellen. Eine „Wildentsorgung“ kommt für mich allerdings nicht in Frage.
Für Tipps oder Hinweise wäre ich dankbar.
Mit freundlichen Grüßen
Boreal
@Boreal: Nun, viele Menschen machen es so, daß sie sich im Familienkreis überlegen, wo Opa und Oma gerne gewesen sind. Hierbei bietet sich ein etwas abgelegener Ort im Freien an. Dort verstreuen die Leute dann die Asche oder übergeben sie einem Fluß.
Die Urnen kann man dann, ohne den geprägten Deckel und die evtl. vorhandenen Schamottsteine, einfach entsorgen.
Eine andere Möglichkeit wäre, die Urnen doch noch einer Bestattung zuzuführen, was aber mit Kosten verbunden wäre. Dann würden die Betroffenen aber dem Friedhof gegenüber anführen, sie hätten die Urnen urplötzlich auf dem Dachboden entdeckt.
Es ist nicht ganz so einfach, aus der einmal gewählten „Illegalität“ herauszukommen.
Die Betroffenen möchten ja die Urnen weder behalten, noch einfach wegwerfen, wollen aber auch meist keine Kosten mehr tragen müssen und auch jetzt keine Schwierigkeiten mehr bekommen.
Soweit mir bekannt ist, wählen die meisten die Verstreuung an abgelegenem Ort.
Um völlig richtig zu handeln, rate ich Ihnen, die Urnen einem Friedhof zur Bestattung zu übergeben.
Ein Aspekt, der gegen die Freigabe spricht, ist allerdings folgendes Zenario: Omma stirbt, ihre sechs Söhne mitsamt Schwiegertöchtern sind zerstritten und nun geht das Gerangel nicht nur um das Erbe, sondern auch um die Urne los. Einer bestimmt, Omma kremieren zu lassen und sich die Urne in die Schrankwand zu stellen. Wo bleiben die anderen mit ihrer Trauer? Ebenso denkbar mit früheren Ehe- und jetzigen Lebenspartnern sowie Kindern aus verschiedenen Ehen.
Eine Bestattungspflicht auf den Friedhof oder im Friedwald läßt die Chance für alle offen, das Grab oder den Baum zu besuchen.
Und mal ganz ehrlich… wer möchte schon bei den Kindern im Wohnzimmer rumstehen?