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KIT Kriseninterventionsteam und Bestatter

Ich bin im Rettungsdienst und habe etwas über unser Kriseninterventions-Team (KIT) gehört. Das KIT besteht aus psychologisch geschulten Kollegen, die Angehörige und Zeugen betreuen; nach erfolglosen Reanimationen, Suizid und bei Überbringung von Todesnachrichten. Es ist sehr wichtig, das KIT früh zu alarmieren, damit Angehörige die Situation gut aufarbeiten können und sie sich nicht abschotten und in der Trauer alleine sind.

Doch was macht Ihr Bestatter? Ihr habt ja belastende Einsätze die ihr erstmal verkraften müsst oder Angehörige die eine psychologische Betreuung brauchen.

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Ich hab in deinem Weblog mal gesucht aber nichts dazu gefunden. Durch eure Lebens- und Berufserfahrung denke ich könnt ihr sehr gut mit Trauer umgehen, aber es wird gerade nach einem Suizid oder gewaltsamen Tod doch auch vorkommen, dass ein Angehöriger betreut werden sollte. Was macht ihr in solchen Situationen, wenn das KIT oder der Seelsorger nicht da ist, könnt ihr die auch nach alarmieren wie wir als Rettungsdienst? Oder leistet ihr die Trauerarbeit selber? Ich denke da auch an das Mädchen, von dem du geschrieben hast, die sich statt zu verabschieden versucht hat die Pulsadern aufzuschneiden. Euch sind ja schlicht auch Grenzen gesetzt.

Andersrum kam mir dann auch die Frage, was macht ihr wenn ihr einen belastenden Fall habt. Wir haben die Möglichkeit das KIT auch für uns als Einsatzkräfte zu nutzen. Aber was macht ihr? Klar man kann und muss viel untereinander reden, dass ist immer wichtig aber auch da sind Grenzen da.

Ich halte die KITs für eine sehr gute Einrichtung. Ein lieber Freund ist im KIT tätig und berichtet mir ab und zu von seiner verantwortungsvollen Arbeit, die ich sehr hochschätze und für äußerst wertvoll halte. Leider jedoch habe ich hier in der Region in der ich tätig bin, noch keine Berührung mit einem KIT gehabt.
Das liegt zum einen daran, daß wir oft erst an Unfallstellen kommen, wenn bereits alles soweit geregelt ist und wir mit den Zeugen beispielsweise gar nichts zu tun haben.
Was die Angehörigen betrifft, so weiß ich von einigen Fällen, in denen besonders geschulte Polizisten die Todesnachricht überbracht und ersten Beistand geleistet haben.
Auch die Mitarbeiter guter Pflegedienste stehen den Angehörigen nach dem Tod eines Familienmitglieds bei.

Sehr selten sind es die Seelsorger, die diese Arbeit leisten. Innerhalb einer aktiven Kirchengemeinde werden sie tätig, aber viele Familien haben sich so weit von der Kirche entfernt, daß sie gar nicht erst auf die Idee kommen, einen Pfarrer für ihre eigene Betreuung in Anspruch zu nehmen. Dabei leisten die meisten Pfarrer diese Arbeit gerne auch für Familien, die der Kirche ferngeblieben sind.
Ein guter Hirte kümmert sich ja bekanntlich auch und ganz besonders um die verlorengeglaubten Schafe.

Es ist in der Tat so, daß in unserer heutigen Zeit oftmals der Bestatter der erste und vielfach auch einzige Ansprechpartner der Familien ist. Das gilt umso mehr, wenn der Tod in einem Krankenhaus eingetreten ist. Die Familien erfahren telefonisch vom Tod ihres Angehörigen und haben dann zur Klinik und den dort angebotenen seelsorgerischen Unterstützungen oft keinen Kontakt mehr.
Dem Bestatter verlangt die Betreuung der Angehörigen in ihrer Trauer eine Menge ab und ich würde mir wünschen, daß die Kollegen sich hier noch mehr auf diese Arbeit vorbereiten und ausbilden lassen. Durch die Herkunft des Bestatterberufes aus dem Handwerk gibt es hier noch arge Defizite. Mehr als reine Lebenserfahrung und ggfs. Altersweisheit kann ein Schreinermeister, der nebenbei auch Bestatter ist, nicht bieten.
Ich persönlich hatte das Glück, in diesem Bereich sehr ausgiebig ausgebildet zu sein und traue mir deshalb mit Fug und Recht die psychologische wie auch seelsorgerische Betreuung ohne weiteres zu und bin stets bemüht, auch in Rollenspielen und durch ständiges Üben mit den Mitarbeitern, diese dahin zu bringen, daß auch sie eine entsprechende Stütze für die Angehörigen sein können.

Immerhin, Trost und menschlichen Rat kann jeder spenden und das ist schon weitaus mehr als die Familien sonst hätten, wenn selbst ein nicht geschulter Bestatter nicht da wäre.
Für besser halte ich es jedoch, wenn der Bestatter, so er denn diese Aufgabe noch mit übernehmen muß, hier besser geschult wäre. Insbesondere bei schwierigen Fällen, beispielsweise beim Verlust eines Kindes, nach einem Suizid oder wenn der Verstorbene Opfer eines Verbrechens geworden ist, sind manche doch schnell überfordert und dann kann Trostzuspruch und Ratgeben auch mal nicht ausreichen.

Ich sehe die Entwicklung in der Tat mit Sorge. Die Bestatter müssen hier aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklungen Aufgaben übernehmen, die eigentlich nur am Rande mit dazu gehören, aber immer mehr eine zentrale Rolle spielen.
Andererseits hängt es natürlich auch viel vom einzelnen Kollegen ab, inwieweit er in diese Belange involviert wird. Wer recht schnell zum kaufmännischen Teil übergeht, wird auch kaum in lange Trauerarbeit verwickelt werden. Ich sehe meine Aufgabe da aber ein wenig anders. Nicht das reine Verkaufen von Pietätwaren oder das Versorgen und Verbringen von Toten ist meine alleinige Aufgabe, sondern selbstverständlich gehört für mich auch das Gespräch und die Trauerarbeit zum festen Bestandteil meines Berufsempfindens.

Wir Bestatter selbst haben hingegen normalerweise keine derartige Hilfe. Das muß firmen- und familienintern geleistet werden und nicht wenige müssen in schwierigen Situationen erkennen, daß sie letztlich diesen Anforderungen doch nicht gewachsen sind. Mir ist recht aktuell ein Fall bekannt, in dem eine junge Frau sehr erfolgreich die Bestatterschule absolviert hatte und mit dem Zertifikat der geprüften Bestattungsfachkraft in der Tasche nun nicht in ihren ehemaligen Ausbildungsbetrieb zurückkehrte, sondern eine gute Position in einem großstädtischen Unternehmen antreten konnte.
Damit hatte sich aber auch das Arbeitsumfeld und das Anforderungsprofil verändert und auf einmal handelte es sich nicht mehr um die alltäglichen Todesfälle einer überalterten Dorfgemeinde, sondern um die mannigfaltigen Todesfälle einer Großstadt in allen, oft auch schrecklichen Ausprägungen. Die Frau war diesen Umständen einfach nicht gewachsen. Die verstümmelten Unfalltoten, Kriminalitäts- und Suizidopfer und vor allem viele tote Kinder und Säuglinge waren einfach zuviel. Trotz ihres Berufsabschlusses ist die Frau in den Bereich der Altenpflege gewechselt.

Wenn Bestatter mitten in der Nacht von einer ICE-Strecke zurückkehren, wo sich jemand auf die Schienen gestellt hatte und dessen Körperteile auf einer Strecke von 250 Metern und mehr zusammengesucht und aus dem Fahrgestell des Zuges herausgekratzt werden mußten, dann wissen die Bestatter und die beteiligten Feuerwehrleute, was sie getan haben und dann ist oft an Schlaf nicht mehr zu denken. Man muß schon eine gefestigte Psyche haben, um das durchstehen zu können und -das muß auch mal gesagt sein- sich auf eine entsprechende finanzielle Entlohnung freuen dürfen. Wichtig ist aber, daß in der Familie/Firma über diese Dinge gesprochen werden kann. Nicht zu unterschätzen ist auch die lösende Wirkung einer derben Sprache.
Das darf jetzt keinesfalls mißverstanden werden, aber wenn die Polizisten, Feuerwehrler und Bestatter bei einem Leichenwohnungsfund von einem „Stinker“ sprechen, dann ist das weder pietätlos, noch despektierlich, sondern es hilft allen Beteiligten auch ein wenig, die schlimmen Eindrücke etwas leichter zu nehmen.
Ganz wesentlich ist auch der Berufsstolz, der die oben genannten Berufsgruppen verbindet. Man leistet etwas, was die meisten anderen Menschen nicht zu leisten imstande wären und man ist stolz darauf, daß man auch diese Aufgabe wieder bewältigt hat. Insofern betrachten sich alle, die im Helfer-, Bergungs- oder Rettungsdienst beschäftigt sind, auch immer ein bißchen als etwas Besonderes.
Das solle man ihnen nicht kleinreden. Früher habe ich mich oft über die freiwilligen Feuerwehrleute lustig gemacht, die stets und ständig in Bereitschaft sind und sogar mit einem „Feuerwehr im Einsatz“-Schild an den Badesee fahren. Mittlerweile sehe ich das so, daß man diesen Stolz auf die berufliche oder ehrenamtliche Tätigkeit eher nähren als belächeln sollte.

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#Bestatter #kriseninterventionsteam

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(©si)