Wie grüßt man in der Trauerhalle?
Hallo lieber Herr Wilhelm,
ich habe einmal eine Frage bezüglich des Verhaltens bei einer Trauerfeier, ich fürchte nämlich, dass ich mich gestern ordentlich in den Fettnapf gesetzt habe..
Ich bin 33 Jahre jung und habe bisher mit Trauerfeiern und Beerdigungen nie viel am Hut gehabt.
Gestern war ich bei einer Trauerfeier im Bestattungshaus mit anschließender Beisetzung auf dem Friedhof.
Ich wollte absolut alles richtig machen, habe eine schöne Trauerkarte angefertigt, etwas Geld hinein gelegt, einen geschmackvollen Strauss gekauft und bin pünktlich zum Bestattungshaus gefahren. Eine Mitarbeiterin des Bestattungshauses hat mich in die Trauerhalle hineingebeten und mir meinen Strauss abgenommen.
In der Halle saßen schon 10 Leute. Ruhige Musik, Kerzen, gesenkte Köpfe, vorne der Sarg, alles ziemlich traurig.
Als ich eintrat haben mich einige angeschaut und was hab ich gemacht? Ich sagte leise „Guten Tag!“
Im selben Moment ist mir dann aufgefallen wie blöd sich das angehört haben muss! Auch die Blicke der anderen Trauergäste sprachen Bände. Ich habe mich dann sehr schnell in eine der letzten Reihen verkrümelt und habe versucht den Rest der Zeit möglichst unauffällig abzusitzen..
Ich habe außer mir niemanden beim Reingehen etwas sagen hören und kam mir dann umso ungeschickter vor.
Lange Rede, kurzer Sinn, hier meine Frage: Darf man auf einer Trauerfeier einen guten Tag wünschen? Oder hält man am besten andachtsvoll die Klappe?
Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen, denn die nächste Beerdigung kommt früher oder später bestimmt und ich möchte zumindest dann besser „vorbereitet“ sein.
Vielen Dank schonmal
Mit besten GrüßenC.
PS: Ich liebe Ihren Blog! 🙂
So ganz grundsätzlich klingt „Guten Tag!“ zunächst wirklich etwas seltsam. Allgemein nimmt man an, daß damit ein im landläufigen Sinne schöner Tagesverlauf gewünscht wird. Ein solcher ist natürlich für die trauernden Angehörigen nicht zu erwarten. Bei „Guten Tag!“ handelt es sich aber auch um eine sogenannte kopierte Grußform, bei der im Allgemeinen mit dem gleichen Wortlaut, also ebenfalls mit „Guten Tag!“, geantwortet wird.
In gewisser Weise fordert man durch diesen Gruß den Gegenüber auf, ebenso zu antworten. Tut dieser das nicht, so ist dies als Unhöflichkeit anzusehen.
Trauernde werden den Tag einer Beisetzung nicht als schön empfinden und möchten wahrscheinlich auch nicht mit einem schönen Tageswunsch zurückgrüßen wollen.
Das alles ist aber vor dem Hintergrund zu sehen, daß die meisten Mensch, wie ich eingangs schon ausführte, annehmen, mit „Guten Tag!“ würde ein schöner oder gar fröhlicher Tagesverlauf gewünscht.
Tatsächlich ist dieser Gruß aber die Kurzform von „Ich wünsche Ihnen einen guten Tag“.
Und auch Tage mit einem negative belasteten Anlaß, können durchaus gut verlaufen. Sie verlaufen also im eigentlichen Sinne des Wortes nicht schlecht.
Ein Beerdigungstag ist durchaus dazu geeignet, wie vermutlich jeder Tag, außer vielleicht der Tag der Hinrichtung einer Person, gut verlaufen zu können.
Wenn alle Bestellungen beim Bestatter ordentlich abgewickelt wurden, wenn der Pfarrer gut gesprochen hat und das anschließende Kaffeetrinken harmonisch verlaufen ist, dann ist auch ein solcher Tag gut zu Ende gebracht worden.
Es ist demnach im Kern der Sache absolut nicht falsch, „Guten Tag!“ zu sagen.
In Anbetracht der Tatsache, daß sich aber nicht jeder über diesen Gruß auch nur annähernd so viele Gedanken macht, werden viele aber meinen, dieser Gruß sei in einer Trauerhalle aufgrund seiner Aussage nicht angebracht.
Ich persönlich habe diesen Gruß im Umgang mit Trauernden immer vermieden, wobei mir hier in Süddeutschland sehr gelegen kam, daß man „Grüß Gott“ sagen kann.
Du erkennst also, daß „Guten Tag!“ an sich nicht verkehrt ist, aber als unangemessen aufgefaßt werden kann.
Der Fehler, den Du gemacht hast, und ich kann Dir nicht ersparen, darauf hinzuweisen, daß Du einen gemacht hast, liegt aber eher darin, daß in der Trauerhalle für gewöhnlich nicht gesprochen wird. Zumindest am Beginn ist es unüblich, die vorbereitete und bereits eingekehrte Andacht zu stören.
Wie Du schreibst, saßen die Angehörigen schon, es spielte Musik und die Kerzen brannten. Die Augen sind auf den Sarg gerichtet, man verharrt in stillem Andenken an den Verstorbenen.
Kommt man nun in dieser Situation in die Trauerhalle, so nickt man den Anwesenden allenfalls zu.
Nur wenn einer der Angehörigen deutlich zu erkennen gibt, daß er über den Besuch besonders erfreut ist, oder daß er selbst den Anschein gibt, grüßen zu wollen, ist es angebracht, darauf einzugehen.
Ein Friedhofsarbeiter in der Nähe von Stuttgart brachte es vor Jahren mal auf den Punkt.
Eine Lehrerin war verstorben und mehrere Schulklassen wurden mit Bussen zur Beerdigung gefahren.
Vor der Trauerhalle gab der Mann den Jugendlichen unmißverständliche Verhaltensanweisungen:
„Neigehe, hi’hocke und’s Maul halte!“
Aber, sei beruhigt, Dein Fehler ist kein Fauxpas, den man Dir irgendwie ankreiden kann oder wird.
Es ist nur eine Kleinigkeit und nichts von Bedeutung. Es war ja kein Staatsbegräbnis.
Im Gegenteil, Du hast sehr viel mehr richtig gemacht. Die Trauerkarte, die Blumen … alles das war perfekt.
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Es ist schon seltsam, mit welchen „Problemchen“ sich die Leute beschäftigen.
Dabei fällt mir auf, dass die süddeutsche Variante „grüss Gott“ doch angesichts des Verstobenen (m/w) recht merkwürdig anhört.
@hajo: @hajo: Watt dem einen sin Uhl, is dem annern sin Nachtijall.
Ich neige auch dazu, mich manchmal zu wundern, welche Kleinigkeiten von anderen als Problem angesehen werden. Da denke ich oft: „Wenn ich nur diese Sorgen hätte, dann ginge es mir gut.“
Auf der anderen Seite ist es aber so, daß man diese Leute doch eigentlich beneiden sollte, daß sie „nur“ solche Probleme haben.
Es ist allenthalben nicht einfach, den richtigen Gruß zu finden, wenn man Angehörige begrüßt.
Bei vielen sagte ich „Grüß Gott“, weil das hier zumindest bei Älteren bekannt und akzeptiert ist und keinen Bezug zum persönlichen Wohlbefinden hat.
Daß das angesichts eines Verstorbenen komisch wirken soll, wäre ja nur der Fall, wenn ich mich vor den Sarg stelle, daran klopfe und es dem Toten zurufe. Dann könnte man ja auch: „Schöne Reise!“ rufen.
Es ist übrigens eine Mär, daß Tote nur deshalb als Geist wiederkommen, weil auf ihrer Beerdigung „Junge, komm bald wieder“ gespielt wurde.
@Peter Wilhelm:
Nochma und in aller Deudlischgeid: Nu!
@Llu:
Häh? *g*
@Leo: Leo: in einem Teil der neuen Bundesländer bedeutem die zwei Buchstaben „nu“ ledglich eine Bestätigung, also im Sinne von „basta“ 😀
die Kenntnis von „Fremdsprachen“ bildet ungemein! 😉
Sicher, dass ein Friedhofsarbeiter bei Stuttgart „hi’hocke“ sagt???
Mich dünkt, das käme eher aus deiner Gegend, lieber Peter..;o))
Aber belehre mich gerne oder überzeuge mich vom Gegenteil,
oh edelster aller Wortzerpflücker… *g*
Die Leo.
@Leo: Hogge, er hat hogge gesagt. Eindeutig. Aber hier im Blog muß ich Dialekte immer in einer etwas bereinigten Form wiedergeben, sonst kommen die Norddeutschen und Sachsen und fragen nach.
@Peter Wilhelm:
Ha, des mid dem „hogge“ isch mir schon klar..;o)
Befremdlich finde ich das „hi“, klingt für mich eher nach MA / HD…
Hier im badischen Sprachraum (nahe dem schwäbischen…)
müsste es doch eher „no“ heißen (mit einem -o- wie in offen) – oder???
@Leo: no hogge heißt für mich: Setzt Euch rein!
Hi hogge heißt hinsetzen. Aber ich lasse mich gerne von einem Schwaben belehren.
Immerhin hat der Mann aber tatsächlich hihogge gesagt. Neigeplaggter?
@Peter Wilhelm:
Soviel gibts da gar nicht zum belehren… 🙂
Setzt Euch rein heißt eigentlich nei hogga
hinsetzen normalwerweise no hogga
Kommt natürlich auch immer auf die Betonung an… Es heißt ja auch oi Oi für ein Ei 🙂
Grüßle Otti
@Otti:
Ja 🙂 so kenne ich das auch und wohne sehr sehr nahe an Stuttgart, fast schon in Stuttgart 🙂
no hogga (hinsitzen)
nei hogga (rein sitzen)
…habt mich jetzt an diesem zähen Tag zum Lachen gebracht.
@Peter Wilhelm:
Ich bin KEIN Schwabe! *g*
Unn bei uns haisd des „neig’schmeggder“. So!
@Peter Wilhelm:
wenn ich die gesamte „Diskussion“ betrachte, fällt mir Deine Bemerkung von oben ein:
„Auf der anderen Seite ist es aber so, daß man diese Leute doch eigentlich beneiden sollte, daß sie „nur“ solche Probleme haben.“
😉
@Peter Wilhelm:
Nu! :O
@Peter Wilhelm:
Wir Norddeutschen fragen nicht nach. Zu viel Aufwand. Wir denken uns unseren Teil. 🙂
Es ist nun einmal nicht einfach sich richtig zu äußern…
im Dezember kurz vor Weihnachten war ich auf der Trauerfeier meines Nachbarns…
Als ich zum Friedhof kam,habe ich daher gewartet bis mich die Witwe ansprach, und sie sagte zu mir „Guten Tag Rosa!“ ich erwiederte den Gruß , und sie küsste mich auf beide Wangen…
Ist eben nicht so einfach