Wenn Du keine Oma hast, bist Du aufgeschmissen. Das sagte vor vielen Jahrzehnten mal ein Bestatterkollege zu mir. Er meinte damit, dass jeder Bestatter irgendjemanden haben muss, der immer am Telefon sitzt. Anders war früher die zunehmend geforderte ständige Erreichbarkeit nicht zu gewährleisten.
Früher war das auch nicht so schlimm, wenn beim Bestatter mal keiner ans Telefon ging. Das Anspruchsdenken und die Sofort- und Ich-zuerst-Mentalität waren noch nicht so ausgeprägt.
Außerdem gab es früher noch nicht so viele reine Bestattungsunternehmen. Da machten Schreiner, Möbelgeschäfte, Kohlenlieferanten und Taxiunternehmen Bestattungen oft als Zweitgewerbe. Deshalb rechneten viele Anrufer auch schon damit, dass der Bestatter wegen einer anderen Arbeit gerade unterwegs sein könnte.
Doch so ab den 1970-er Jahren begann das allmählich, dass die Kunden erwarteten, sofort jemanden am Telefon zu haben. Zumindest einen Anrufbeantworter wollten sie hören. Aus diesem Grund waren es auch die Bestatter, die mit als Erste die damals noch sehr teuren Anrufbeantworter anschafften.
In den meisten Fällen aber musste schlichtweg immer jemand zu Hause bleiben, um ans Telefon gehen zu können.
Das bedeutete, dass in Bestatterfamilien immer darum gestritten wurde, wer denn heute oder am ganzen Wochenende beim Telefon bleibt.
Und damit das klappt, gab es alle möglichen Lösungen.
Ich erinnere mich an einen bayerischen Bestatter, der tatsächlich ein 50 Meter langes Kabel an sein Telefon gebastelt hatte, um es abends durchs Bürofenster, quer über den Hof bis in sein Wohnzimmer mitnehmen zu können.
Später gab es dann Telefonsteckdosen, in die man das Telefon wahlweise einstöpseln konnte. Schnurlose Apparate gab es nicht.
Im Laufe der Zeit gab es Lösungen von der Post und von Telefonunternehmen, wie T + N, die so etwas wie eine Rufumleitung ermöglichten. Aber auch das war noch hochkompliziert. Man musste im Büro eine lange Nummer wählen, dann innerhalb einer gewissen Zeitspanne möglichst gleichmäßig die Umleitungsnummer wählen und auf ein Bestätigungssignal warten. Dann legte man auf, wartete einige Minuten und zur endgültigen Bestätigung klingelte es dann. Dann musste man am anderen Apparat, wo die Gespräche eingehen sollten, dieselbe Prozedur wiederholen. Das alles klappte in 4 von 10 Fällen nicht, sodass man das manchmal unzählige Male wiederholen musste. Kein Spaß, wenn Du eigentlich nur noch den Wunsch hast, nach Hause zu gehen.
Als dann in manchen Geschäften streng verbotene schnurlose Telefone „nur für den Export“ angeboten wurden, waren die Bestatter sicher auch die Ersten, die so etwas kauften. Wenn der Betrieb nicht allzu weit von der Wohnung entfernt war, konnte man sein Diensttelefon quasi mitnehmen.
Aber nicht nur der Bestatter musste es irgendwie bewerkstelligen, für seine Kunden erreichbar zu sein. Auch die Angestellten des Bestatters mussten ja erreichbar sein und bleiben, um bei einem Sterbefall schnell kommen zu können.
Das machte es nicht gerade einfacher, geeignetes Personal zu finden, das bereit war, an festgelegten Tagen und Abenden nicht vom Telefon zu weichen. Hinzu kommt, dass Bestatter in den seltensten Fällen schonmal was davon gehört hatten, dass auch solche Bereitschaftsdienste zu vergüten waren.
Besser wurde das, als die ersten Piepser auf den Markt kamen. Eurosignal war so ziemlich das erste System, bei dem man allerdings noch ungefähr wissen musste, in welchem Bereich sich der Angerufene aufhielt.
Die „Piepser“, wie sie im Volksmund genannt wurden, waren kleine, tragbare Funkempfänger1, die einen wichtigen Vorläufer moderner mobiler Kommunikation darstellten. Besonders in den 1970er bis 1990er Jahren waren sie weit verbreitet — bei Ärzten, Feuerwehr, Rettungsdiensten, aber auch bei Geschäftsleuten oder Privatpersonen, die unterwegs erreichbar bleiben wollten.
Eurosignal – der Klassiker
Eines der bekanntesten Systeme in Europa war Eurosignal, das 1974 eingeführt wurde. Technisch gesehen war Eurosignal ein sogenanntes Paging-System, das in mehreren europäischen Ländern gleichzeitig funktionierte. Wer einen Eurosignal-Pager besaß, bekam eine individuelle Rufnummer. Wurde diese über ein normales Telefon angewählt, empfing der Pager ein akustisches Signal — ein Piepsen — und zeigte eventuell ein kleines Licht oder einen Vibrationsalarm.
Mehr konnten die ersten Geräte nicht: Sie zeigten dem Empfänger lediglich an, dass er bitte Kontakt aufnehmen sollte. Nachrichten gab es keine, dafür war das System simpel, günstig und im Vergleich zu heutigen Verhältnissen sehr robust.
Numerische und alphanumerische Pager
Später, in den 1980er und 1990er Jahren, wurden Pager technisch raffinierter. Da gab es zuerst die numerischen Pager: Hier konnte man eine von mehreren Ziffern mitübermitteln und musste vorher vereinbaren, was bei der jeweiligen Ziffer zu tun war, zurückrufen, sofort kommen usw.
Die besseren alphanumerischen Pager konnten auch kurze Texte darstellen, wie „Notfall“ oder „Bitte Büro anrufen“. Diese Systeme krankten daran, dass auf Absenderseite ja keine Eingabetastatur, sondern oft nur eine Wählscheibe vorhanden war. Deshalb gab es bei manchen Systemen spezielle Vermittlungsstellen, die man anrufen konnte und denen man den gewünschten Text diktierte. Bei Eurosignal bekam man vier Nummern zugeteilt und je nachdem, welche man wählte, gab es am Empfänger ein anderes Signal, sodass der Angerufene dann wusste, was er zu tun hatte.
Nachfolgenetze in Deutschland
Nach Eurosignal gab es weitere Paging-Dienste in Deutschland, wie z. B.:
- Cityruf (ab 1989): Eine der bekanntesten Weiterentwicklungen. Mit Cityruf konnte man deutschlandweit Nachrichten an Pager senden. Die Nachrichten wurden von Vermittlungsstellen aufgenommen und per Funk an den Empfänger übermittelt.
- Scall (ab 1994): Der Dienst der Deutschen Telekom, ebenfalls deutschlandweit nutzbar. Nutzer konnten kurze alphanumerische Nachrichten empfangen, was Scall besonders für medizinisches Personal, Handwerker oder Journalisten interessant machte.
Beide Netze — Cityruf und Scall — wurden vor allem in den 1990ern genutzt, verschwanden aber mit dem Siegeszug der Mobiltelefone schnell wieder. Mit der zunehmenden Verbreitung von Mobiltelefonen ab Mitte der 1990er war die Zeit der Piepser gezählt. Handys boten nicht nur den direkten Sprachanruf, sondern bald auch SMS und später Messenger-Dienste. Heute existieren nur noch spezielle Alarmierungsnetze, z. B. für Feuerwehr, Rettungsdienste oder Katastrophenschutz. Dort werden Piepser weiterhin genutzt, weil sie oft auf eigenen Frequenzen laufen, bei Netzüberlastung (z. B. bei Großschadenslagen) zuverlässig funktionieren und sehr lange Akkulaufzeiten haben.
Cityruf existiert sogar heute noch unter anderem Namen weiter, was ein Beweis dafür ist, dass Pagersysteme auch in der heutigen Zeit nicht total an Bedeutung verloren haben. Zwar haben Handys die Funktion weitestgehend übernommen, jedoch haben Pagernetze bestimmte Vorteile, u.a. weil die Pager oft auch noch funktionieren, wenn Handys längst keinen Empfang mehr haben. Auch die lange Akkulaufzeit spricht für die Piepser.
Sobald das ging, haben wir sofort alle Pager abgeschafft und durch Handys ersetzt. Das war anfangs unglaublich teuer.
Das Handy war für Bestatter ein Segen! Endlich konnte man sich vom Festnetztelefon entfernen und seine Angestellten fast überall erreichen.
Man kann sagen, dass das Handy eine der größten Bereicherungen im Bestattungswesen war und ist. Heute sind Smartphones ja nicht mehr wegzudenken, auch wenn sie immer weniger zum reinen Telefonieren genutzt werden.
Funk
Viele Bestatter hatten auch Funk. Vor allem größere Betriebe waren mit Betriebsfunk2 ausgerüstet. Auch wir hatten so etwas. Mein Betrieb war eigentlich zu klein, um wirklich eine Funkanlage zu benötigen.
Aber bei einem Auto, das wir kauften, war ein Funkgerät eingebaut und der Verkäufer schenkte mir die Basisstation fürs Büro dazu, weil er in den Ruhestand ging.
Was für ein Theater! Es war nicht nur eine komplizierte Anmeldung, Beantragung, Genehmigung und Abnahme der Dachantenne durch einen geprüften Fachbetrieb notwendig, die monatlichen Gebühren waren auch sehr hoch.
Damals war das alles noch amtlich, behördlich und echt kompliziert. Was heute kaum noch einer weiß, in der Zeit musste man sogar eine Mikrowelle bei der Post anmelden und den genauen Standort und den Zweck der Inbetriebnahme mittels einer dem Gerät beiliegenden Postkarte der Behörde anzeigen3.
Wir haben die Funkgeräte mit der Einführung der Handys dann auch kaum noch genutzt und schnell wieder abgeschafft.
Wie ich schon schrieb: Für die Bestatter war die Einführung der Handys ein echter Segen.
Link: https://bestatterweblog.de/heute-bleibst-du-zu-hause/
Bildquellen:
- oma-bleibt-am-telefon: Peter Wilhelm KI
Fußnoten:
Hashtags:
Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:
#Betriebsfunk Telefon #Cityruf #Eurosignal #Funk #handy #Pager #Scall #Smartphone #Telefon