Menschen

Leiche verwechselt!

orgel

Panik!
Sandy rennt, Manni rennt und sogar ich bewege mich etwas schneller als sonst. Wir alle begeben uns zum Gang neben der Trauerhalle, wo sich die Aufbahrungsräume befinden.
Was war geschehen?
Frau Büser war aufgeregt von dort wiedergekommen, hatte kurz zuvor eine Familie dorthin begleitet, die Kerzen und Lampen angezündet und die Familie zu ihrem verstorbenen Großvater gelassen.
„Die haben gesagt, das wär‘ nicht ihr Opa!“

Um Himmels Willen! Sollten wir tatsächlich eine Leiche verwechselt haben?

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„Das da ist doch nicht mein Mann“, stammelt die Witwe, schnieft heulend in ein Papiertaschentuch und kann sich gar nicht mehr fangen. Tochter und Schwiegersohn, sowie die Enkelkinder des Verstorbenen sind ebenfalls ganz aufgelöst, bis auf den Schwiegersohn weinen alle und uns vom Bestattungshaus ist das fürchterlich peinlich.

Manni fährt die Trennwand wieder hoch, die Frau Büser nach dem ersten Ausruf, das sei nicht der Richtige, sogleich geschlossen hatte. Diese Trennwand teilt den hinteren Teil des Aufbahrungsraumes, wo der Sarg steht, vom vorderen Teil, wo Teppichboden und Sessel sind, hermetisch ab. So können wir hinten kühlen, während vorne alles warm und trocken bleibt.

Ich schaue auf den Laufzettel, es soll sich bei dem Verstorbenen laut unseren Unterlagen um Willi Hagerer handeln, Frau Büser kommt schon mit der Akte, auch da lautet alles auf Willi Hagerer.
„Sind Sie die Familie Hagerer?“ frage ich und alle nicken, obwohl nicht alle so heißen dürften.
„Und der Verstorbene soll Willi Hagerer heißen?“
Wieder nicken alle.

Ich nicke dem Schwiegersohn zu und mache mit dem Kopf eine Bewegung nach rechts, er soll mir folgen, das tut er auch. Ich führe ihn nochmals zu dem Sarg und sage: „Schauen Sie doch bitte, ist das wirklich nicht Ihr Angehöriger?“

Er guckt, kneift ein Auge zu, dann schlägt er die Hände vor’s Gesicht und meint: „Oh Gott, das isser ja! Der sieht bloß so anders aus!“

Mir fällt nicht nur ein Stein vom Herzen, sondern so eine große Gesteinslawine, daß ich fast Angst habe, Reinhold Messner kommt, um sie zu besteigen.

Was gäbe es Peinlicheres, als wenn ein Bestatter zwei Leichen verwechselt? Wie schnell wären die Angehörigen bei Behörden und Presse und würden ein Riesentheater machen?

Aber es ist ja nichts passiert, es ist ja glücklicherweise doch der Richtige.

Es stellt sich heraus, daß es daran liegt, daß sich der Verstorbene in den letzten beiden Tagen vor seinem Tod wohl stark verändert hat und die Familie ihn nicht mehr gesehen hatte. Außerdem trug er zu Lebzeiten eine schwarze, dichte Perücke und ist jetzt vollkommen kahlköpfig. Darüberhinaus fehlt seine dicke schwarze Hornbrille.
Wir fragen immer nach solchen Besonderheiten, aber Brille und Perücke waren für die Familie wohl etwas so Normales, daß niemand auf die Idee gekommen war, uns darüber zu informieren. Wir haben den Verstorbenen dann so zurechtgemacht, wie wir ihn übernommen hatten.
Nun setzt man für gewöhnlich Verstorbenen keine Brille auf. Man macht das deshalb üblicherweise nicht, weil hierzulande der Eindruck eines friedlich Schlafenden vermittelt werden soll. Es gibt aber selbstverständlich nichts, was gegen das Aufsetzen einer Brille spricht, so die Angehörigen das denn unbedingt wünschen.

In guten Krankenhäusern befinden sich Perücken, Zahnprothesen und Brillen etc. direkt beim Verstorbenen oder werden dem Bestatter mit den Papieren zusammen ausgehändigt. In diesem Krankenhaus ist das nicht so, da muß der Bestatter immer noch eine Odyssee durch alle in Frage kommenden Stationen machen, um die Siebensachen des Verstorbenen zusammenzusuchen.
Eine Brille oder eine Perücke war nicht dabei.

Also gut, die Familie war dann schnell beruhigt und auch bei uns legte sich die Panik.
Manni muß also nochmals zum Krankenhaus und die beiden Sachen suchen. Später am Tag werden wir dann, so denn die vermissten Gegenstände noch auftauchen, die Aufbahrung wiederholen.
Die Familie lacht inzwischen sogar ein bißchen über den Vorfall und geben der Tochter des Verstorbenen die Schuld, weil sie uns nicht richtig instruiert hatte.

Also los Manni, hol die Perücke und die Brille!


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Die Geschichten und Berichte über Menschen sind u.a. Erzählungen und Kurzgeschichten aus der Welt der Bestatter.

Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 2. August 2010 | Revision: 22. Juni 2012

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Roichi
14 Jahre zuvor

Fahrer 1: „Macht schnell, der Chef kommt.“
Manni: „Dann können wir noch ne Runde.“
Fahrer 2: „Achtzehn.“
Manni: „Jup.“
Fahrer 2: „Zwanzig“
Fahrer 1:*ungläubiges Gesicht machend*

😉

Jan
14 Jahre zuvor

Wir hatten tatsächlich mal den Fall, das wir eine Leiche abholen sollten und als wir das Kühlfach geöffnet haben, war dort keine Leiche mehr. Als wir die Schwester darauf aufmerksam gemacht haben, war die so „weiss“ im Gesicht das sie Problemlos mit einer Leiche hätte konkurieren können. Was war geschehen? Kurz vor uns war ein anderer Bestatter vor Ort der nicht richtig geguckt hat…….und beide Leichen hatten den „gleichen“ Nachnamen……..es hat sich schnell geklärt aber das hätte auch sehr schlecht ausgehen können. Das wäre der Supergau gewesen!

Umso besser das es bei dir so ausgegangen ist!

Siggi
14 Jahre zuvor

[i]“Der sieht bloß so anders aus!“[/i]

Ich hatte beim Lesen erwartet, dass es darauf hinausläuft, der Bestatter hatte dem Verstorbenen ein friedvoll-freundliches Gesicht zurechtgeschminkt – aber die Familie hat den Verstorbenen noch nie zuvor lächeln gesehen …

Tzosch
14 Jahre zuvor

Das war bestimmt Adrenalin pur. 🙂

14 Jahre zuvor

Gut das es am Ende doch noch gut ging. 🙂 Das wär aber auch ein Schock gewesen.
Auf der anderen Seite, hat nichtmal seine Familie ihn je ohne Brille und Perücke gesehen?
Eitler Mann, wies scheint. ^^

LG, Lae

Gloria
14 Jahre zuvor

Nachdem mein Lebensgefährte im Alter von knapp 60 Jahren ins Koma gefallen war, sah er im Wesentlichen aus, wie ich ihn schlafend kannte. Unmittelbar nach Eintritt des Todes wenige Tage darauf verwandelte sich sein Gesicht ins Wächserne. Als ich ihn zwei Tage später in der Aufbewahrungszelle einer Trauerhalle besuchte, erschien er mir darüber hinaus um 10 bis 20 Jahre gealtert. Da hatte ich im ersten Moment auch das Gefühl: „Das ist er nicht.“ Dabei benötigte mein Liebster weder eine Brille, noch ein Toupet oder ein Gebiss.

14 Jahre zuvor

mich kennen auch alle nur mit Brille, ohne Brille kennen mich gerade mal 2 Personen!
und ich selbst finde wenn ich in den Spiegel schaue das ich ohne Brille völlig anders aussehe als mit Brille. (und ich kenn mich^^)

Also wie soll dann sein wenn einer Tot ist? keine Brille kein Toupet mehr? also wenn er meist so gekleidet war, dann erkennen ihn meiner Meinung nach selbst gute freunde ohne dieses „Zubehör“ nur schwierig.

Big Al
14 Jahre zuvor

Hach, Ihr habt die gleichen Probleme.
Ich erkenne mich morgens auch nur schwer im Spiegel 😉
B. A.

Uli
14 Jahre zuvor

ich frage mich B.A., ob das an der fehlenden Brille oder am Toupet liegt oder ob die Lösung so einfach ist wie bei mir … schminken reicht bei mir nämlich auch schon eine weile nicht mehr hin … Restauration trifft es schon eher …*seufz* ja ja, wir werden alle älter … jede Nacht … *nochmehrseufz*

Conny
14 Jahre zuvor

Passiert mir öfter mal daß ich morgens in den Spiegel guck und zu mir selbst sage :“ Ich kenn Dich zwar nicht aber ich wasch Dich jetzt trotzdem.“
Meist nach einem streßigen Wochenende




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