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Leichensex bleibt verboten

Gunther von Hagens hat vor Jahren das Verfahren der Plastination maßgeblich entwickelt und sich damit unglaublicher Verdienste um die Wissenschaft verdient gemacht.
Kurz gesagt dient die Plastination dazu, Leichen und Teile davon durch das Einbringen von klaren und gefärbten Kunststoffen haltbar zu machen und in wissenschaftliche Schaupräparate zu verwandeln.
Kein anderes Verfahren erlaubte bislang eine solche Detailfülle und Haltbarkeit der Präparate.

Diese sind nicht nur wissenschaftlich hochinteressant, sondern aufgrund ihrer schaurig-morbiden Schönheit auch für den Laien durchaus sehenswert, erlauben sie doch Einblicke in echte menschliche Körper, die sonst so nicht möglich wären.

Um nun dem Laien sowohl das Verfahren an sich, als auch die Anatomie näher zu bringen, ist von Hagens mit seiner Schau „Körperwelten“ auf Tournee gegangen. Millionen haben inzwischen seine Ausstellungsstücke gesehen, die zum Teil mit anatomisch-wissenschaftlichen Schaustücken nichts mehr zu tun haben, sondern eher an bizarre Kunstwerke erinnern.
Und genau hier scheiden sich die Geister: Handelt es sich um Wissenschaft oder um einen Jahrmarktsrummel?

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Die einen, das sind vor allem die Kirchen, würden die Leichenschauen am Liebsten komplett verbieten. Für sie gehören anatomische Schaustücke in die Hörsäle und Archive der Universitäten und allenfalls noch in einzelnen Fällen ins Museum. Auf ganz wenige Worte gebracht sehen sie in den von-Hagensschen Ausstellungen schlicht und ergreifend eine dauernde Störung der Totenruhe.

Die anderen, und das ist vor allem von Hagens selbst, sind der Auffassung, man könne den Menschen nicht genug Wissen vermitteln und nicht genug vom Wunder des menschlichen Körpers zeigen. Anatomieschauen habe es schließlich beinahe immer schon gegeben und immer schon seien die Aussteller verfolgt und mißverstanden worden.

Eine nicht minder kleine Gruppe, und zu der nun gehöre auch ich, ist aber der Auffassung, daß die Arbeit von Herrn von Hagens großartig und wissenschaftlich bedeutsam ist und tatsächlich eine Revolution auf dem Gebiet der Präparation darstellt. So etwas darf, kann und muß man auch der Öffentlichkeit zugänglich machen. Aber die Art und Weise wie das geschieht die lehnt diese Gruppe und die lehne ich ab.

Denn längst präsentiert von Hagens nicht mehr nur ganze plastinierte Körper und Körperteile (auch von Tieren), sondern stellt ganze Schaugruppen zusammen und stellt Leichen in Posen, die ich für unwürdig halte, zur Schau.

Schon in Österreich stieß seine letzte Anatomieschau auf große Widerstände und jetzt hat auch die Stadt Augsburg verboten ein bestimmtes Objekt zu zeigen.

„Der umstrittene Plastinator Gunther von Hagens darf in der Augsburger «Körperwelten-Ausstellung» zunächst keinen plastinierten Sexual-Akt zeigen. Das hat das Verwaltungsgericht Augsburg am Freitag vorläufig entschieden.“

So schreibt die Mitteldeutsche Zeitung aufgrund einer vielzitierten dpa-Meldung. Weiter heißt es dort:

Die Stadt ]] ist nach wie vor der Ansicht, dass die Zurschaustellung eines Leichen-Liebesaktes gegen das bayerische Bestattungsverbot und die Würde des Menschen nach dem Tod verstößt.

Zwar meint die Mitteldeutsche Zeitung hier sicherlich nicht das bayerische Bestattungsverbot, sondern das bayerische Bestattungsgesetz, alles andere wäre ja Unfug, doch allein das ist als Werkzeug gegen Anatomieschauen nicht unbedingt anwendbar, denn nahezu alle Bestattungsgesetze lassen für anatomische Präparate Hintertüren offen, die wissenschaftliche Präparation und das medizinische Lehrüben an Leichen überhaupt erst möglich machen.

Viel entscheidender ist dieser, ebenfalls aus der Mitteldeutschen Zeitung stammende Satz:

Die Präsentation des liegenden Aktes war ] verboten worden, da es Zweifel an der Einwilligung des betreffenden Mannes an der Darstellung geben hatte. Dieser lebte vor seinem Tod in einem Heim und soll dement gewesen sein. Für diesen Fall hatte das Gericht eine Verletzung der Menschenwürde durch die Liebesakt- Darstellung gesehen.

Zwar ist der erste Rausch des Interesses an von Hagens‘ Ausstellungen längst abgeflaut, man erinnert sich an stundenlange Wartezeiten und kilometerlange Besucherschlangen bei der Mannheimer Körperwelten-Schau im Landesmuseum für Arbeit und Technik vor einigen Jahren, und nur noch 220.000 Menschen wollten dann auch die letzte jetzt in Berlin zu Ende gehende Ausstellung „Der Zyklus des Lebens“ sehen. Doch stoßen von Hagens‘ Ausstellungen inzwischen vielleicht wirklich nicht mehr auf das sensationell große Interesse der vergangenen Jahre, doch sind sie nach wie vor geeignet, Zuschauer, Politiker und Kirchenmänner zu irritieren und zu erzürnen.
Die Ausstellung eines menschlichen Geschlechtsverkehrs, zusammengebaut aus plastifizierten Leichen, die sich zu Lebzeiten nicht kannten und möglicherweise keine Vorstellung davon hatten, was nach ihrem Tod mit ihren plastinierten Leichen geschehen würde, das geht wirklich für viele entschieden zu weit.

Von Hagens, durchaus nicht auf den Mund gefallen, sieht das natürlich als Zensur und Bevormundung, ich persönlich halte die öffentliche Zurschaustellung kopulierender Paare für geschmacklos, erst recht aber dann, wenn es sich bei den Kopulanten um Leichen handelt.

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(©si)