Sterben + Trauer

Leseempfehlung: 22Monate

Herzförmiger Stein
Bild von Mabel Amber auf Pixabay

Der Blog 22Monate ist wirklich schwere Kost, das gebe ich gerne zu. Aber er enthält so viel Gefühl und so viel wichtige Infos für Menschen, die mit Schwerkranken und Sterbenden arbeiten, dass ich ihn euch unbedingt empfehlen will. Im Blog beschreiben Anne und Uli das 22 Monate lange Leben ihres schwer kranken Sohnes Josef.

Josefs kurzes Leben

Josef kommt mit massiven Hirnschäden zur Welt und braucht rund um die Uhr intensive medizinische Betreuung, um überleben zu können. Er kann nicht schreien, sich nicht bewegen, nicht husten, nicht zwinkern, keine Mimik zeigen. Aber atmen, das kann er. Meistens jedenfalls. Für die Familie bedeutet das Leben mit Josef eine riesige Zahl an Menschen, die plötzlich rund um die Uhr in ihrer Wohnung ihrer Arbeit nachgehen:

  • viele verschiedene Pflegekräfte für die Tag- und Nachtschichten,
  • eine Haushaltshilfe,
  • eine Logopädin,
  • eine Physiotherapeutin,
  • eine Familienbegleitung für Klara, Josefs große Schwester, und
  • ein Palliativteam für Josef.

Ein Tag, an dem nur drei Leute in der Wohnung sind, erscheint ihnen schon ruhig. Und natürlich sind nicht alle diese Menschen gleich. Manche sind wahre Engel und bringen bei jedem Besuch Leichtigkeit und Sonnenschein mit. Andere überschreiten immer wieder die Grenzen der Familie und ihre Anwesenheit ist nur schwer auszuhalten. Dazu kommt die ständige Angst um Josef, der häufig Krisen hat, die ihn in Lebensgefahr bringen. Das Einfinden in ein völlig neues Leben, das so anders ist, als die Familie es sich gewünscht hat. Und die Trauer um alles, was nicht sein kann, weil Josef eben kein gesundes Kind ist.

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Herzförmiger Stein
Bild von Mabel Amber auf Pixabay

Blog ohne Zeitraffer

Der Blog ist auf eine besondere Weise geschrieben: ohne Zeitraffer. Jeden Tag gibt es einen Text, der einen Tag im Leben von Josef und seiner Familie beschreibt. Veröffentlicht wurden die Texte vier Jahre später, aktuell gibt es eine überarbeitete Fassung davon bei Twitter und im Email-Abo. Gedacht ist es dafür, wirklich jeden Tag einen Text zu lesen, 22 Monate lang.

Ich habe Josefs Leben in kürzerer Zeit verfolgt und das Blog innerhalb einiger Wochen von Josefs erstem bis zu seinem letzten Tag durchgelesen. Es war häufig schwer zu ertragen. Jeden Tag ein ähnlicher Ablauf, die gleichen Handgriffe, keine Ruhepausen, weil es immer um Leben und Tod geht. Und trotz der erzwungenen Routine immer wieder Katastrophen und Glücksmomente, beide unberechenbar und unerwartbar. Das macht die Geschichte von Josef so (be-)greifbar, wie ich es noch kaum woanders erlebt habe.

Wichtige Einblicke für Begleiter*innen

Gerade für Hospizbegleiter*innen, Pflegekräfte oder andere Menschen in der Arbeit mit Schwerkranken empfehle ich den Blog besonders. Er schärft nämlich den Blick dafür, wie schwierig es für eine Familie ist, dieses Eindringen in den Alltag auszuhalten. Welche Verhaltensweisen hilfreich sind und welche als übergriffig empfunden werden können. Welche Äußerungen den Tag heller machen und welche bis ins Tiefste verletzen können. Natürlich ist jede Familie anders und empfindet Dinge unterschiedlich. Trotzdem: Ein wenig mehr Sensibilität ist in diesem Bereich unverzichtbar. Bei manchen Grenzüberschreitungen von Fachkräften haben sich mir die Nackenhaare aufgestellt und ich wollte stellvertretend für Josef und seine Familie schreien, weinen und wüten!

Für mich als Hospizbegleiterin war es besonders schön zu lesen, wie hilfreich und tragend gerade das Hospiz- und Palliativnetzwerk für Josefs Familie war. Dass sie den Aufenthalt im Kinderhospiz tatsächlich als Urlaub empfunden haben, der ihnen Halt und Kraft und eine gewisse Normalität gibt. (So sind Kinderhospize nämlich gedacht, ganz anders als die für Erwachsene.) Wie wichtig für Klara die Termine mit ihrer Familienbegleitung waren, die nur für sie kam. Und welchen Halt es der Familie gegeben hat, jederzeit das SAPV-Team (die spezialisierte ambulante palliative Versorgung) anrufen zu können.

22Monate ist eine Geduldsprobe. Eine Übung im Mit-Aushalten. Und gerade darin so wertvoll. Lest es!

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