Geschichten

Locker vom Hocker

Klammer

Ach was hab ich schon alles geschrieben, damit die Leute erkennen, wie wichtig eine Bestattungsvorsorge ist. Sicher, ganz vielen ist es völlig egal was später einmal mit ihnen passiert und das ist ja dann auch so weit in Ordnung. Aber ganz viele haben auch erkannt, daß es nicht viel braucht, um sicher zu stellen, daß später einmal alles nach ihren Wünschen abläuft.

Ich schrieb ja auch schon etliche Male, daß einer der Vorteile einer solchen Bestattungsvorsorge darin liegt, daß man unbeschwert und unbelastet von Trauer beim Bestatter alles in doch recht lockerer Atmosphäre besprechen kann.
Um den etwas morbiden Hintergrund der ganzen Sache noch etwas abzuschütteln, verfallen manche Kunden bei solchen Gesprächen auch schon mal in das eine oder andere Witzchen.

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Manchmal kann ich da sogar ganz herzlich lachen, in den meisten Fällen jedoch eher nicht, sondern tue es mehr aus Höflichkeit.
Es gibt kaum einen Bestatterwitz den ich noch nicht kenne und die allermeisten Leute können sowieso keine Witze erzählen.

Neulich war Frau Rabenklatsch hier, die heftigsten Wert auf die Anrede „Fräulein“ legte, ein Anachronismus auf zwei dürren Beinen. Da es draußen kurz geregnet hatte, trug Frau Rabenklatsch eine durchsichtige Regenhaube aus Plastik auf dem Kopf und wurde nicht müde, mir zu erklären, daß sie dieses Ding immer dabei habe, das sei ja so praktisch.
Mag ja sein, das erklärt aber nicht, warum sie die Haube nicht absetzte.

Frau Rabenklatsch nimmt das Leben leicht, ein Mann ist ihr aus diversen Gründen erspart geblieben. „So ein Mann ist doch furchtbar anstrengend. Wenn man ihn gebrauchen könnte, ist er auf der Arbeit und wenn er nicht mehr arbeitet, muß er sich ausruhen. Und für das bißchen was Spaß macht, habe ich immer einen Kerl gefunden. Ich stell mich doch nicht mein Leben lang hin, wasche, putze und koche nur für 30 Sekunden Spaß in der Woche.“

Und das aus dem Mund einer über 70 Jahre alten Frau.

Die alte Damen war im Grunde eine sehr angenehme Kundin, sehr lustig könnte man sagen, es hätte aber noch lustiger sein können, wenn sich Frau Rabenklatsch Witze merken könnte.

„Kennen Sie den? Passen sie mal auf. Also, da kommt eine Frau zu einem Bestatter. Nee, warte sie mal, der geht anders. Also, da kommt ein MANN zu einem Bestatter und sagt: ‚Guten Morgen Herr Doktor, können sie mal nach meiner Frau sehen?‘
Also der Mann ist im Krankenhaus bei seiner Frau und der geht es schlecht.
Ach Mist, ich kann mir einfach keine Witze merken, aber warten sie, ich krieg den noch zusammen.
Also im Krankenhaus liegt eine Frau und ihr Mann der ist Bestatter und der spricht nun mit dem Arzt…
Kennen sie den?“

Ich schüttele den Kopf und sie kringelt sich vor Lachen: „Der ist aber gut! Den muß ich ihnen jetzt erzählen. Sagt der Mann also zum Bestatter: Meine Frau… Nee, ist ja ganz falsch, ich fang nochmal an. Mann, wie ging der denn noch gleich? Der ist wirklich gut, mein Cousin Erwin der kann den so gut erzählen, wissen Sie? Der macht das dann auch noch so vor und so. Der hat schon als Kind die tollsten Reden halten können, so Sachen die sich hinten reimen, das konnte der besonders gut.
Ah, jetzt hab ich’s: Also eine Frau muß ins Krankenhaus und ihr Mann ist Bestatter. Jetzt kommt der ins Krankenzimmer und das Bett ist weg, da kommt dann der Arzt und sagt: ‚Guten Morgen Herr Doktor’….
Mensch, schon wieder falsch. Aber der ist doch gut, oder?“

„Klasse!“ heuchele ich, grinse breit und nicke ganz heftig. Hauptsache es ist vorbei und sie erzählt den Witz nicht weiter.
Tut sie auch nicht. Stattdessen sagt sie: „Ich kenn‘ noch einen! Ist aber jetzt nicht von einem Bestatter, aber ist ja egal. Da gehen zwei Doofe in der Mitte und da sagt der eine: ‚Lass mich auch mal auf der Straße gehen.“

Sie schaut mich mit weit offenstehendem Mund erwartungsvoll an, ich lache pflichtschuldig und sie meckert ab, wie eine Ziege, hält sich den Bauch und schüttelt sich vor Lachen.

Ein Wassertropfen perlt von ihrer Plastikregenhaube auf ihre Nasenspitze und sie wischt ihn ab. Dann ergeht sie sich ausführlichst, wie wichtig und praktisch es sei, so eine Haube immer dabei zu haben. Ehe ich es verhindern kann, hat sie die Haube abgestreift und mir übergestülpt. „Sehen Sie, wie praktisch das ist?!“

Die Haube trägt den Geruch des Todes. Nein, das hat nichts mit den Leichen in unserem Keller zu tun, sie riecht nach TOSCA von 4711, dem Inbegriff des Alten, des Verwesenden, vermutlich aus der Abluft von Altenheimen gekeltert und zur Folter jeder männlichen Nase auf Flaschen gezogen.
Irgendwo hört der Spaß auf, ich will die doofe Haube gerade vom Kopf ziehen, da fängt die Alte an zu singen: „Reeegentropfen, aaaaan mein Fenster klohopfen…“ und genau in diesem Moment kommt Frau Büser herein, um uns einen Kaffee zu servieren.

Ich bin es von meinen Mitarbeitern gewöhnt, daß sie auch in solchen Situationen die Contenance bewahren und mir den nötigen Respekt zollen. Frau Büsers Bemerkung: „Ach? Ihr habt wohl Spaß?“ wird sicherlich noch Gegenstand einer betriebsinternen Überprüfung sein!
Frau Rabenklatsch nimmt sich eine der von Frau Büser angebotenen Servietten und triumphierend zieht sie einen kleinen Gegenstand aus ihrer Handtasche und macht: „Tadaaaa! Na, was habe ich hier wohl?“
Ich sitze da, bin wegen Frau Büsers Kommentar beleidigt, habe immer noch die blöde Haube auf dem Kopf und in Windeseile zwackt mir Frau Rabenklatsch mit einer klitzekleinen Plastikwäscheklammer die Serviette an den Hemdkragen.
„So eine Klammer muß man immer dabeihaben, vor allem als Mann!“ sagt sie und an Frau Büser gewandt fügt sie hinzu: „Männer bekleckern sich ja immer, nicht wahr? Macht er das auch immer?“

Ich hasse es, wenn man in meinem Beisein als ‚er‘ von mir spricht, doch Frau Büser grinst, nickt bestätigend und sagt: „Wie ein kleines Kind.“

Das ist ja wohl die Höhe! Ich lasse mich doch nicht von diesen beiden Frauen fertigmachen. Gerade will ich die Haube und die Serviette abreißen, da ruft Frau Rabenklatsch: „Halt!“
Ich halte inne und in dem Moment blitzt mich die Alte mit ihrem Fotohandy an, ich bin jetzt noch auf einem Auge blind!

Meine Frau kommt an der Tür vorbei, bleibt stehen und fragt in den Raum: „Mein Gott, hat er sich wieder bekleckert?“

Die Büser und Frau Rabenklatsch lachen sich kringelig und mir wird die ganze Sache zu bunt. Die Haube runter, das Lätzchen weg und in mir kocht der Zorn. Was soll denn der ganze Quatsch?

„Meine Güte, jetzt haben sie sich doch nicht so“, lacht mich die Rabenklatsch an: „Sie wissen doch 30 Sekunden Spaß, was habe ich denn in meinem Alter noch?“

Ich bin fassungslos! Was ist denn da im Gange?
Die Frauen lachen sich kaputt und ich sitze da wie ein Depp.

„Und Inge, hast du schon alles ausgesucht?“ fragt die Büser die Rabenklatsch und erst da begreife ich, daß die beiden Frauen sich kennen. „Noch nicht“, sagt die Alte, „Dein Chef hat so schön mitgemacht. Aber Du hast Recht, hier bei Euch ist es wirklich sehr lustig.“

Meine Frau tritt neben mich, streichelt mir über den Kopf und meint beruhigend: „Lass Dich nicht ärgern!“

Ich will wissen was los ist und dann offenbart sich, daß Frau Rabenklatsch durchaus an einer Bestattungsvorsorge interessiert ist. Sie hatte Frau Büser, die sie von einer Frauengruppe kennt, deswegen befragt und die hatte gesagt, sie solle doch einfach mal vorbei kommen, ihr Chef sei sehr nett und würde auch Spaß verstehen. Und genau das konnte sich die übersprudelnde Frau Rabenklatsch nicht vorstellen, daß nämlich ausgerechnet ein Bestatter Spaß versteht.

Aber sicher verstehe ich Spaß, ich hatte das natürlich ganz von Anfang an durchschaut, ist doch klar, oder?

Ursprünglich veröffentlicht im August 2008

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    Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

    #hocker #locker

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