Allgemein

Matthias II

Wie wird der Mund einer Leiche verschlossen?

Edith und ihre Eltern waren bei mir und auch Matthias‘ Vater. Es bleibt ein Mysterium: Nichts in seinem Umfeld deutet auf irgendeine Weise auf irgendwelche Verbindungen zu kriminellen Gruppen hin. Dieser Verdacht war von einer übereifrigen Nachbarin geäußert und von der Polizei sogleich aufgegriffen worden. Schuld daran ist der zwar sehr deutsch klingende, aber auch bei vielen Weißrussen vorkommende Nachname des Verstorbenen. Da hatte die Nachbarin schon aufgrund des Namens entsprechende Mutmaßungen angestellt und sich in die Behauptung verstiegen, nur die Russenmafia könne so jungen Leuten einen 190er Mercedes spendieren.

„Der war 17 Jahre alt und hat bei Ebay 1.200 Euro gekostet“, sagt Edith schluchzend dazu und Matthias‘ Vater regt sich ebenfalls auf: „Eine Frechheit von der Alten. Die steht den ganzen Tag hinter der Gardine und weiß über jeden alles.“

Werbung

Aber wenigstens konnte er bewirken, daß die Pressestelle der Polizei nur eine kurze Notiz herausgegeben hat, weshalb in der Zeitung auch nur ein kleiner Artikel erschien, in dem von einem tragischen Todesfall die Rede ist. Ansonsten haben alle sofort aufgelegt, wenn irgendjemand von der Presse angerufen hat. Gut so!

Die Ermittlungen, das kann man sich vorstellen, laufen auf Hochtouren aber viel unaufgeregter als man sich das als Niedrig-und-Kotz-Zuschauer so vorstellt. Aber es ist bis jetzt nichts dabei herausgekommen, der Leichnam wurde freigegeben.
Es gibt einfach keine Anhaltspunkte für Verstrickungen, Verschwörungen und kein Mensch weiß, woher die Waffe stammt.

Ich bin mir sicher, daß das bald aufgeklärt wird, aber derzeit weiß man eben noch nichts.

Wir haben wenigstens in der Hinsicht großes Glück, daß die Familien sich einig sind, wie die Bestattung aussehen soll. Es soll eine Feuerbestattung werden und zwar nach der Methode, die ich in solchen Fällen immer empfehle. Trauerfeier und Urnenbeisetzung finden an einem Tag statt.
Manche Trauernde beklagen, daß man bei einer Feuerbestattung zwei Mal den Abschiedsstress hat, weil man einmal bei der Sargfeier und einmal bei der Urnenbeisetzung dabei ist. Das muß aber gar nicht so sein.

Wir gestalten das Ganze im Rahmen einer sogenannten Urnentrauerfeier und dann ist der Ablauf exakt so, wie bei einer normalen Beerdigung, nur daß bei der Trauerfeier in der Kapelle vorne nicht der Sarg, sondern die Urne steht.

Matthias braucht in diesem Fall auch keinen besonderen Sarg, das allereinfachste Modell reicht vollkommen aus, man braucht keinen Sarg-Blumenschmuck und auch bei Kleidung und Ausstattung reicht das einfachste Material aus. Eine Abschiednahme am offenen Sarg kommt in diesem Fall nicht in Frage. In einem Kommentar schrieb jemand, daß ein guter Thanatopraktiker da bestimmt noch etwas machen kann. Ja, ein guter Thanatopraktiker bin ich selbst… aber da wo kein Kopf mehr ist, versagt meine Kunst.

Es gibt, um auch diese Frage zu beantworten, Verfahren, bei denen anhand von Fotos ein 3-D-Modell des Kopfes am Bildschirm erstellt wird. Aus diesem Datensatz fertigt eine französische Firma in einem Kunststoffspritzverfahren Schicht für Schicht einen Kopf. Mit Kunsthaaren, viel Schminke und sehr, sehr viel Geld kann man auch in solchen Fällen den Eindruck eines unversehrten Verstorbenen erzeugen. Aber ist das dann wirklich noch der Verstorbene? Ich habe das schon zwei-, dreimal angeboten, aber das hat bislang noch nie jemand bestellt.

Wenn die Familien eine Aufbahrung wünschen und wenn genügend Material dazu vorhanden ist, dann machen wir das möglich. Von solchen Extras leben wir doch schließlich und wir sind hier doch keine zwei ausgebildeten Thanatologen, um dann leichtfertig solche Aufträge abzulehnen. In diesem Fall aber: Nein.

Am Freitag wird also die Trauerfeier stattfinden und zwar bei uns im Haus. Wie bei allen jungen Menschen werden viele Trauergäste kommen. Irgendjemand sagte mal flapsig: Wer will, daß viele Freunde zu seiner Beerdigung kommen, der muß früh sterben.
Da ist was Wahres dran.

Einen Sonderwunsch hat die junge Witwe. Matthias hatte sich erst vor zwei Wochen einen Motorroller gekauft, als kleinen Vorgeschmack für seinen großen Wunschtraum: eine große Harley-Davidson für die er gerade den Führerschein machte. Dieser Roller soll vorne neben der Urne stehen.

Anschließend fahren wir die Urne zum nahegelegenen Friedhof und die Trauergäste laufen dorthin.
Der Pfarrer wird zunächst in der Trauerhalle, dann am Grab sprechen und die Anwesenden werden keinen nennenswerten Unterschied zu einer herkömmlichen Beerdigung verspüren.

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#matthias

Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden


Hilfeaufruf vom Bestatterweblog

Das Bestatterweblog leistet wertvolle Arbeit und bietet gute Unterhaltung. Heute bitte ich um Deine Hilfe. Die Kosten für das Blog betragen 2025 voraussichtlich 21.840 €. Das Blog ist frei von Google- oder Amazon-Werbung. Bitte beschenke mich doch mit einer Spende, damit das Bestatterweblog auch weiterhin kosten- und werbefrei bleiben kann. Vielen Dank!




Lesen Sie doch auch:


(©si)