Geschichten

Messias ohne Bommel

Mittlerweile ist unser Junge ja zu einem anständigen und wohlgeratenen jungen Mann herangewachsen. Aber so vor 10 oder 11 Jahren schrieb ich einmal diese Geschichte über ihn:

Der unverzichtbaren Rettung der Welt durch ihn, den allwissenden Messias stehen wir in Ignoranz und Intoleranz ganz fürchterlich im Wege. Allein wenn wir ihm folgen und ihn gewähren lassen, ja nur dann kann der Untergang noch so eben vermieden werden.
Er kann es partout nicht verstehen, daß wir verknöcherten Alten ihn, seine Ideen und seine Bedürfnisse nicht permanent durch intensive Finanzspritzen und geduldlges Dulden unterstützen.

Aber wir schämen uns nicht, wir grämen uns nicht, wir bleiben bewußt der Hemmschuh, stehen dem Fortschritt, der persönlichen Entwicklung und dem Wohlergehen dieses sprechenden Wurstzipfels auch weiterhin im Wege.

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Schließlich sind wir seine Eltern und der Fortbestand der menschlichen Rasse kann nun, unserer Meinung nach, wirklich nicht von der Anschaffung eines 200 Euro teuren Media-Dödeldings für einen gerade mal 14 Jahre alten Weltenretter abhängen.
Mag uns die Geschichte später verspotten, mögen Generationen von Gläubigen mit dem Finger spöttisch auf unsere Gräber zeigen, wir werden uns nicht beirren lassen und erst wenn jemand eine neue Bibel schreibt, in der unser 14-jähriger ohne Zweifel wirklich als der Weltenretter und Endzeitverbieger gefeiert wird, dann können wir eventuell nochmal darüber reden.

Bis dahin gilt: Solange Du die Füße unter unseren Tisch streckst, sagen wir wo es lang geht!

Er kann es nicht, er will es nicht; mit 14 kann man sich nicht damit abfinden, allein im Besitz der Weisheit und des Triebes zu sein und alle um ihn herum behandeln einen wie ein Kind. Ein Tritt vor irgendeinen Karton, die Hose noch 20 Zentimeter mehr auf Halbmast getragen, die Musik von Bullshitto noch einen Tick lauter aus dem ständig mitgeführten Handy plärren lassen und die dauerbeleidigte Fresse noch einen Hauch düsterer wirken lassen, so muß man das wohl machen, wenn man in der Pubertät ist, wenn das bißchen Denkvermögen, das unserer Folgegeneration noch vergönnt ist, vollkommen zum Erliegen kommt und das minimale Allgemeinwissen, das unsere Schulen zu vermitteln im Stande sind, durch den Wunsch nach einer vollelektronischen Super-Sex-Göttin mit sechs Titten blockiert wird.

Die Welt wird schlagartig untergehen und das für alle Zeiten und nur durch unsere Schuld, weil wir eben nicht bereit sind, dem wurstzipfeligen Pimpf bis Mitternacht Ausgang zu gewähren und weil wir uns seinem Wunsch nach der Anschaffung diverser ebenso nutzloser wie überflüssiger elektronischer Geräte verschließen.

Die pudellose Pudelmütze, pudellos weil ohne Bommel, so dicht auf den Schädel gezogen, daß der an und für sich hübsche Bengel aussieht wie ein grenzdebiler Depp aus den Sankt Ignatius Anstalten, steht er vor uns, kratzt sich am gerade erst erknospenden Gekröse, schwellt die Brust wie ein Gimpel kurz vor dem Gimpeln und begehrt 50 Euro. Für irgendein Game oder so, genau wissen wir das nicht, weil wir schon an der Körperhaltung des Zipfelgimpels und dem angeschlagenen Ton erkennen, daß sein Verlangen eher der Konfrontation, als der tatsächlichen Befriedigung seines Triebes dient.

Das Nein akzeptiert er nicht, beherrscht sich nur mit Mühe, sonst hätte er in seinem aufsteigenden Jähzorn irgendeines unserer Möbel zertreten, so ballt er nur die Fäuste, bekommt einen roten Kopf (was aber auch von der viel zu kleinen bommellosen Mütze kommen kann) und grunzt etwas Unverständliches, von dem ich meine, es habe ‚Motherfu*cker‘ geheißen, was die Allerliebste aber als ‚Bullshitfresser‘ verstanden haben will.

Ich hebe die Augenbrauen, werfen ihm einen meiner gefürchteten väterlichen Blicke voller Tadel zu und dann dreht der Pubertärling sich um, nimmt sein Schulbrot, den liebevoll von uns abgefüllten Früchtetee, die Kindermilchschnitte, gibt Mami und Papi einen Kuss, setzt sich nochmal kurz auf Mamis Schoß; die streicht ihm über das unbebommelte Haupt und dann geht er brav in die Schule, sagt zum Abschied, wie sehr er sich auf die Adventszeit freut und daß er es kaum abwarten kann, bis er wieder jeden Morgen ein Törchen aufmachen darf…

Ja, Pubertät, das hatten wir doch alle, mehr oder weniger…

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(©si)