Ich lese erst seit kurzem aber mit Begeisterung dein Blog.
Ich habe da mal ne Frage:Ich bin im Kundendienst und des öfteren bei „alten“ Leuten.Ich habe eigentlich damit kein Problem(ihre Lebensgeschichten sind meistens interresant und sie geben gutes Trinkgeld 😉 )Aber bei manchen muss man eher sagen Leidensgeschichten.Ich hör ihnen trotzdem gerne zu.Aber ich kann dann meistens die nächsten paar nächte nicht schlafen.
Du hast ja „hoffentlich“ auch eher mit älteren Menschen zu tun.Wie kommst du mit solchen „Leidensgeschichten“ klar.?
Es gibt Bestatterkollegen, die mir schreiben, daß sie sich wundern, daß ich mir überhaupt Gedanken über die Geschichten und Schicksale meiner Anvertrauten mache. Einer schrieb mir mal: „Ab in die Kiste und weg. Aus den Augen, aus dem Sinn.“
Eine andere Kollegin schrieb mir, daß sie kaum eine Nacht ein Auge zumacht, weil ihr jeder einzelne Sterbefall so zu Herzen gehe und sie so stark mit jedem mitfühle.
Ganz ehrlich? Ich finde beide sind nicht wirklich für den Beruf geeignet. Sie mögen eine gute Arbeit abliefern und die Kunden mögen zufrieden sein, aber nach meiner Meinung stimmt die innere Einstellung nicht.
Der erste Kollege nimmt es zu einfach, für ihn scheinen die Kunden „Abfertigungsware“ zu sein und die andere Kollegin wird über kurz oder lang ein psychisches Problem mit ihren Beruf bekommen.
Ich denke, die goldene Mitte ist wieder einmal auch der goldene Weg.
Man kann sich als Bestatter nicht jeden Sterbefall zu Herzen gehen lassen. Es ist unser Beruf und wir würden zugrunde gehen, würden wir uns emotional in jeden persönlichen Verlust unserer Kunden einbringen. Auf der anderen Seite sollte man aber doch Mensch bleiben und erkennen, wann und bei wem es angebracht ist, Gefühl zu zeigen und Anteil zu nehmen.
Ich kenne die meisten Verstorbenen nicht, mir werden sie nicht fehlen. Aber ich kann mich in die persönliche Situtation der Hinterbliebenen hineinversetzen und vor diesem Hintergrund das Bestmögliche an Arbeit abliefern, das mir möglich ist. Für mich ist vieles Standard, 08/15 und Schema F, aber das ist doch in jedem Beruf so. Die Kunden müssen aber den Eindruck haben, das diese Bestattung individuell und ganz persönlich für sie gestaltet worden ist und dass wir im Moment nur sie als Kunden haben.
Bei den vielen Sterbefällen, die da in all den Jahren zusammengekommen sind, sind aber immer auch Schicksale und Geschichten dabei, die einfach zu interessant und wertvoll sind, um sie einfach im Ordner „Routine“ abzuheften. Solche bleiben im Gedächtnis, die nimmt man auch mit nach Hause, bespricht sie mit der Familie und Mitarbeitern und irgendwann, Jahre später, macht man aus einem Herrn Müller eine Frau Zitzenknipps und schreibt eine Geschichte für Weblog drüber.
Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:
Schlagwörter: mitgefühl
Hm, auch wenns komisch klingen mag und hier vielleicht jemand denkt ich würde mich nur lustig machen – irgendwie muss ich gerade an den Titel „Brautstrauß“ von Badesalz denken, wo der Gärtner alle Details über die Braut erfragt, um einen exklusiven Strauß zu binden, und nach Verabschieden des Kunden seiner Kollegin/Frau (?) sagt: Standard, wie immer.
Nein, ich unterstelle dir nichts, war nur ein dummer Gedanke. Deine Geschichten sind bester Beweis, dass es bei dir nicht so läuft wie in dem genannten Titel.
@Tom: Hat sich schonmal einer Deiner Kunden in einer Blog-Geschichte wiedererkannt? Ich meine: Weisst Du davon, hast Du schonmal eine Resonanz bekommen?
@Schwetzer: Ich vermute mal, es ist ein Mittelding. Klar ist vieles Routine und Standard. Ein Stück individuell wird aber auch dabei sein. In einem ordentlichen Geschäft ist das immer so: Man hat halt seine Standard-Zutaten und daraus stellt man dann etwas Individuelles zusammen.
Naja, Du wirst wahrscheinlich aber nicht so respektlos fragen, ob die Verblichene wie ein Nilpferd oder eine Discoschlampe rumläuft oder sie riecht.
Als langjähriger Ausbilder kam ich recht schnell auf den Trichter, ein Fallbeispiel gründlichst zu verfremden.
Gerade seltene Ereignisse eignen sich nicht, die Welt ist zu klein. Es kommt dann doch plötzlich einer, der einen der Beteiligten kannte, oder schlimmer noch: „Das war mein Vater!“