Mitarbeiter/Firma

Nach Gutsherrenart

Der Fuhlst kann nicht stillsitzen. Wenn nichts zu tun ist, räumen die Männer die Werkstatt und das Lager auf und reparieren dies und das, „kloppen Särge“ und tun alles Mögliche. Manni ist da sehr erfinderisch.
Aber irgendwann ist alles zum sechsten Mal gekehrt, gewienert und geputzt und dann sitzen die Männer mitunter beim Kartenspiel oder an der wii.
Da würde ich niemals etwas sagen und neue Mitarbeiter erkennt man immer daran, daß sie bei meinem Erscheinen die Karten verstecken oder so tun, als ob sie was tun.
Die alten Hasen grinsen nur und spielen weiter.

Ich beschäftige da Männer, die mitten in der Nacht aus dem Bett springen und bei Wind und Wetter und an allen Feiertagen parat stehen. Hätten die immer jede Überstunde aufgeschrieben, würde das Unternehmen gar nicht laufen.

Nee, nee, die dürfen das.

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Udo Fuhlst ist angeblich immer der Erste, der die Karten in der Hand hat oder mal „was anderes“ machen will. Aber dafür hält es ihn nicht lange beim Pausieren, denn er hat kein Sitzfleisch und ihm fällt noch viel mehr ein, was man noch tun kann, als Manni.

Es gibt da immer noch einen armdicken Strang aus Schläuchen und Kabeln, der eine unserer Klimaanlagen mit so einem Aggregat draußen verbindet. Eigentlich sollte da mal ein Durchbruch durch zwei Kellerwände gemacht werden, aber Carlos Gastropoda, der langsamste Handwerker seit der Erfindung des Fruchtgummis, wollte die Löcher wohl in die Wand lutschen… jedenfalls ist er nie damit fertig geworden, wie wohl seitdem ein Eimer mit Hammer und Meißel da steht.

„Soll da ’n Loch in die Wand?“ erkundigt sich der Fuhlst und prüft ein paar Ziegel, die Carlos schon von der einen Seite etwas gelockert hat. Manni kann gar nicht mehr antworten, denn Udo Fuhlst hat den Meißel schon in der bloßen Faust und drischt einmal kurz und trocken damit vor die Wand und voilà, das Loch ist da.

„Hm“, meint Manni: „Dann muss aber in die Außenwand vom Nachbarkeller auch noch ein Loch.“

„Kein Problem, das klopp ich eben durch“, sagt der Fuhlst und zieht sich sein Hemd vom muskulösen Oberkörper.

Genau in diesem Moment werde ich oben im Büro aus meiner 11-Uhr-Lethargie geweckt, denn es geht ein schmachtendes Seufzen, entfleucht aus drei Weibermündern durch die Büros.
Obwohl Fuhlst ein Stockwerk tiefer ist und unsere Decken Führerbunkerqualität haben, muss sein Testosteronduft gleich einem Schmetterlingspheromon durch die Poren des Betons hochgestiegen sein und unsere Damen in kollektive Wollust versetzt haben. Sie wissen zwar nicht, was ihnen da widerfahren ist, aber Frau Büser setzt noch ein „Oh Gott, isch glaub, isch krieg wieder mei‘ fliegend‘ Hitz‘!“ obendrauf.

Sandy hat Schweißperlchen auf der Nase und Antonia schwitzt unter den Armen. „Puh, ist das heute heiß hier!“

Hey, ihr Weiber, denke ich, und was ist mit mir? 110 Kilo Mann, kein Gramm Fett, alles… Ach, was soll’s, ich gebe es zu, gegen unseren Wikinger komme ich nicht an. Meine Spermien können dafür aber schreiben und lesen.

So, im Keller ergibt sich nun das Problem, daß der angrenzende Raum uns gehört, also mir und meiner Familie ganz privat.
Da muss Manni erst den Schlüssel holen und ich gehe vorsichtshalber mal mit runter.
Ich weiß eigentlich gar nicht so genau, was da alles in dem Keller steht.
Die Tür schwingt quietschend auf, die Leuchtstoffröhre zuckt ein alzheimerkrankes Flackern in die Dunkelheit, so als ob sie vergessen hätte, daß sie zum Leuchten bestimmt ist und entscheidet sich dann dafür, auf einer Seite schwarz zu werden und nur mit halber Kraft zu leuchten.

„Ah, ’ne CDU-Röhre“, meint Fuhlst grinsend: „Schwarz und nur ’ne halbe Leuchte!“
Alles lacht und ich muss abermals erkennen, daß der Mann nicht doof ist.

Ich taste mich in den Keller vor, in dem wir irgendwann mal Dutzende von Umzugskartons untergestellt haben. Wahrscheinlich alles noch Sachen von vor’m Krieg.

Dann stoße ich auf drei Kartons, aus denen es komisch riecht und öffne die.

Jau, is okay.
Ich erlebe eine Begegnung der dritten Art!
Nein, keine Spinne.
Sondern eine großer Umzugskarton voll mit verdorbenen Lebensmitteln.
Butter, Margarine, Mumiensalami, Ötzi-Leberwurst, Torfleichen-Camembert, zerplatzte Tubenmayonaise, Wurstpäckchen mit Grünwurst, Käsepäckchen mit Grünkäse, alles schön mumifiziert.
Eine Dose ausgelaufene und zu Harz gewordene Zuckerrübensirup-Pampe, aufgeweichte Nudeln, schimmeliges Irgendwas, verfaultes Sonstnochwas…

Eine Dose Heringsfilets war sozusagen explodiert und die Dose hatte sich mit einem Pfund Spaghetti in ein Mobilé verwandelt, hübsch!

Ich muss den Würgereiz unterdrücken.

Dahinter stoße ich auf eine einen weiteren Karton. Er enthält Fußballschuhe, zusammengelegte Socken, Handtücher, Sporthose, eine Trinkflasche, Spielzeug…

Aha, das kenne ich! Das gehört meinem Sohn, das ist unzweifelhaft einmal der Inhalt seiner Sporttasche gewesen. Jene Tasche in der fast immer eine Woche lang ein nasses Handtuch herumschimmeln würde, würde die Allerliebste nicht regelmäßig das Ding ausräumen.
Irgendwann einmal muss das aber versäumt worden sein und dann…
…ja dann hat der Junge, zur Vermeidung mütterlicher Diskussionen (und DIE kann diskutieren!), den Inhalt der Tasche einfach im Keller verschwinden lassen. Jetzt ist alles zu einer einheitlichen Masse zusammengemodert.

Aber was ist mit den Lebensmitteln?

Ich schicke nach meiner Allerliebsten, die kurz darauf beim Telefonieren gestört von wichtigen Hausarbeiten weggerufen, dazustößt.

Wir analysieren gemeinsam die Lage und dann schürzt sie so ihre Lippen, wie sie es immer tut, wenn ich das Gefühl bekomme, monastisches Leben könnte doch was für sich haben.

Doch diesmal will sie mich gar nicht ins Zölibat treiben, sondern kurz darauf werden ihre Augen ganz schmal und sie sagt nur ein Wort: „Josie!“
Das ist der Name unserer Tochter, die ja mein ureigenstes Verteidigungsteritorium ist, während unser Sohn sich absoliut überschwenglicher Mutterliebe erfreut.
Was soll denn meine süße Kleine jetzt schon wieder gemacht haben?

„Weißt Du, was das ist?“ fragt mich die Allerliebste und zieht an einem Plastikzipfel die Hülle einer zu Bernstein gewordenen Leberwurst nach Gutherrenart aus dem Karton.

„Das sind“, fährt sie fort, „alles Sachen aus unserem Kühlschrank, die ich mir mal zum Essen gekauft hatte und die DEINE Tochter nicht mag!“

Also nein, ich kann es wirklich nicht haben, wenn ständig auf dem Mädchen herumgehackt wird. Mütter können grausam sein, finde ich. So ein süßes Ding, wie kann man diesem Knubbelkind mit den schwarzbraunen Kulleraugen so was Böses unterstellen.
Wahrscheinlich war es mein Sohn das verzogene Muttersöhnchen, das da irgendwas gebunkert hat. Von ihm ist ja auch die Kiste mit den Moder-Fußballsachen!

„Und weißt Du was?“ sagt die Allerliebste weiter: „Immer wenn ich mal irgendwas im Kühlschrank vermisst habe, hat die Kleine doch tatsächlich behauptet, Du hättest das gegessen.“

Diese kleine hinterhältige Zecke!
Dieses Luder! Wickelt mich da mit ihren falschen Glotzaugen und dem süffisanten Kussmund um den kleinen Finger und beschuldigt mich hinterrücks des Dauermundraubs! Dabei mag ich gar keine Leberwurst nach Gutherrenart!!!

Wart‘ nur, bis die von der Schule nach Hause kommt!

Hinter mir gibt’s ein Geräusch. Antonia, Sandy und Frau Büser sind der Testosteron-Spur gefolgt und zu uns gestoßen, der Fuhlst steht ja auch immer noch da.
Da sieht Antonia das vergammelte Zeug und die am Zipfel hochgehaltene Gutsherren-Mumie und fragt: „Ey, das wollt ihr doch wohl nicht wegwerfen, oder? Kann man bestimmt alles noch essen.“

Der Würgereiz ist wieder da.

Ich schicke alle aus dem Keller. Ich will in Ruhe nachsehen, was sich da sonst noch alles verbirgt, ich vermisse zum Beispiel eine unserer Katzen und die Schwiegereltern habe ich auch schon ewig nicht mehr gesehen…

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