Menschen senden mir nicht mehr benötigte Hörgeräte und Zubehör zu. Ich bereite diese Zusendungen auf und leite sie an Hilfsaktionen weiter, die arme Menschen in Kriegs- und Krisenregionen damit versorgen.
Was bei uns nutzlos in Schubladen liegt oder weggeworfen würde, kann in anderen Regionen dieser Welt dazu beitragen, dass Kinder lernen, Erwachsene arbeiten und Menschen am sozialen Leben teilnehmen können.
Als ich diese Aktion vor vielen Jahren startete, ging es mir darum, armen Menschen zu helfen, die sonst keinen Zugang zu dieser hilfreichen Technik hätten.
Doch wie ich bereits schrieb, ein Teil der gespendeten Hörgeräte stammt von Verstorbenen. Viele Leute, die mir etwas zuschicken, legen ein Zettelchen mit Dankesworten bei. Da steht dann: „Gut, dass die Hörgeräte noch nutzbringend verwendet werden“ oder „Es wäre zu schade, sie wegzuwerfen.“
Wenn aber ein Todesfall vorausgegangen ist, ist die Sache etwas anders, und daran hatte ich anfangs gar nicht gedacht.
Für die Hinterbliebenen gibt es nämlich zwei Betrachtungsweisen. Die einen haben eine starke emotionale Bindung an dieses medizinische Hilfsmittel, weil sie wissen, wie nutzbringend es für den nun Verstorbenen war. Die anderen sehen sich einer unangenehmen Last ausgesetzt, nun die Hinterlassenschaften des Verstorbenen auseinandersortieren zu müssen.
Für beide Gruppen ist das Spenden der Hörgeräte eine befreiende Lösung. Aus mittlerweile über 1000 Briefen weiß ich, wie dankbar die Menschen sind, dass ein wertvoller Gegenstand, der ihrem verstorbenen Angehörigen gehörte, nun noch einem anderen Menschen Hilfe bringen kann.
„Es ist so schön zu wissen, dass die Hörgeräte meines Opas nun noch viele Jahre einem anderen helfen werden.“
Ganz besonders in Erinnerung ist mir eine große bunte Tasche, die die Hörgeräte eines Kindes enthielt. Ganz unten unter dem ganzen Zubehör lag ein kleines Zettelchen: „Ich hoffe, dass ein anderes Kind auf dieser Welt länger Freude an diesen Hörgeräten hat, als unser Jens, der nur acht Jahre alt werden durfte.“
Wenn man so etwas liest, bleibt einem die Spucke weg. Das geht ans Herz. Die Mutter von Jens hatte noch dazu geschrieben: „Vielleicht erfahre ich ja, welchem Kind geholfen werden konnte.“
Es hat über ein Jahr gedauert, aber dann konnte ich der Frau das Foto eines kleinen marokkanischen Jungen schicken, der die generalüberholten grünbunten Hörgeräte ihres bei einem Unfall getöteten Sohnes in den Ohren trug. Der kleine Marokkaner hat so glücklich gestrahlt.
Die Frau schrieb mir dann, wieviel ihr das bedeutet hat, wie wichtig es für sie war, dass ihr verstorbener Sohn quasi in diesem afrikanischen Kind weiterexistiert. Sie schrieb: „Ich weiß, dass Jens nicht in diesem Jungen weiterexistiert. Vom Verstand her weiß ich das. Aber im Herzen ist es für mich anders und es ist so, als habe das alles dann doch irgendwie einen Sinn gehabt und es ist nicht alles umsonst gewesen.
Immer wieder kommt es vor, dass Leute bei mir anrufen. Sie tun das, um sich ganz allgemein zu Hörgeräten beraten zu lassen; sie tun das aber auch, um die Geschichte eines Verstorbenen zu erzählen. Es ist ihnen wichtig, Hintergrundwissen, Anekdoten und medizinische Dinge zu vermitteln. Es ist sozusagen mit ein Teil der Trauerarbeit.
Und das ist doch ein gutes Gefühl, wenn man weiß, dass man auf diese einfache Weise den Menschen an beiden Enden der Spendenkette helfen kann.
- morocco-2959692_1280: Symbolfoto: Bild von Peter auf Pixabay
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Die menschliche Psyche ist schon spannend… und egal wieviel wir über diese Mechanismen/Abläufe wissen, so können wir doch alle nicht aus unserer Haut…
Oh ja, das kann ich sehr gut nachvollziehen, auch wenn ich von selbst wahrscheinlich nicht auf diesen Gedanken gekommen wäre. Es ist schmerzhaft, die Besitztümer eines lieben Menschen zu sortieren und so viel davon wegzuwerfen. Die meisten Dinge, die für einen Menschen von Bedeutung (und vielleicht auch mal sehr teuer) waren, sind für andere nur wenig wert. Da tut es unheimlich gut, wenn Dinge noch mal anderswo gebraucht werden und Menschen Freude machen. Eine schöne Sache! Wer hätte gedacht, dass sich dein Hörgerätethema inhaltlich so sehr mit dem Thema Tod verbindet? 🙂
Viele Grüße
Birgit