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Nix für ungut

Gestern schrieb ich ja etwas über den besserwisserischen Schwager. Auch im gestrigen Fall ging es um einen Schwager und dieser Schwager ist eine ganz besondere Marke. Auf so einen hatte ich schon lange mal wieder Lust.
Man stelle sich einen Rentner vor, der bis zu seinem Ruhestand bei der Stadtverwaltung im Kämmereiamt gearbeitet hat. Natürlich hatte er dort auch einen Computer auf dem Schreibtisch, allerdings so einen, mit dem man weder ins Internet kann und bei dem CD- und Diskettenlaufwerk gesperrt sind. Auf dem Rechner liefen drei städtische Verwaltungsprogramme, deren Masken er in- und auswendig kannte.

Grund genug, sich im Ruhestand einen PC zu kaufen und allgemein als ComputerExperte zu gelten. Als solcher kann er gar nicht verstehen, daß die anderen Leute in seinem Umfeld alle gar keinen PC haben und deshalb geht er allen mit seinem umfangreichen Wissen aus der Welt des Internets auf den Keks. Keiner seiner Verwandten hat auch nur die geringste Ahnung, was YouTube ist und wie man einen E-Mail-Anhang versendet. Die Jüngeren, denen er gerne sein Expertenwissen aufnötigen möchte, sind der deutschen Sprache gar nicht genug mächtig um mehr als die „Wörter“ ‚MP3‘, ‚Klingelton‘ und ‚Nokia‘ herauszubekommen. Nur Jutta, seine Nichte, ist intelligenter, aber die spielt Klarinette, hat Pickel, trägt eine dicke Brille, hat gar keinen Computer und macht ihr Handy nur abends, stundenweise an.

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Sein Name ist Volker Brunz und er war derjenige, der hundertprozentig davon überzeugt war und auch noch ist, daß bisher alle Trauerfeiern immer auf dem Waldfriedhof stattgefunden haben, egal auf welchem Friedhof die Beerdigung dann stattfindet.
Er grinst mich von ober herab an: „Na, da haben Sie aber ganz schön was angerichtet!“

Ich biete ihm einen Platz und einen Kaffee an und er nimmt das gnädig an. Er sei jetzt mal vorbeigekommen, um mir das alles mal richtig zu erklären und er habe auch bei seinen ehemaligen Kollegen in der Stadtverwaltung angerufen, ja jetzt sei er sich absolut sicher, daß wir keine Ahnung haben und nachdem er uns das bewiesen habe, ginge es quasi nur noch darum, ob die Familie die Beerdigung gar nicht bezahlen muß oder ob sie sie sogar umsonst, kostenlos oder gar gratis bekommt…

Ich lehne mich entspannt zurück und nicke ihm aufmunternd zu, soll er mal seinen Schwachfug absondern, ich kann mich dann ja immer noch aufregen.

„Sehen Sie, da gibt es nämlich eine Verwaltungsanordnung“, beginnt er, „die werden Sie nicht kennen und deshalb ist Ihnen dieser Fehler passiert. Schon 1999 im September hat es einen Beschluß gegeben, daß alle Trauerfeiern auf dem Waldfriedhof stattfinden, auch wenn die Beerdigung auf einem anderen Friedhof ist.“

Er beginnt in einem Stapel mitgebrachter Unterlagen zu wühlen und ich klingele mal eben bei Frau Büser an, sage ihr leise ins Telefon, um was es geht und sie beginnt vorne im Büro ebenfalls zu suchen. Die Verwaltung lässt sich nämlich alle Nase lang irgendwas Neues einfallen und tut das immer in Rundschreiben „an alle Bestattungsinstitute“ kund. Diese heften wir immer brav ab, denn es kommt oft genug vor, daß die Verwaltung auch mal vergisst, alle anderen Betroffenen zu informieren, zum Beispiel die Friedhofswärter usw. Da werden wir angewiesen, dies und das zu tun und z.B. in bestimmten Fällen immer diesen oder jenen Friedhof anzusteuern und auf dem jeweiligen Friedhof ist man völlig überrascht, hat weder Leute noch Platz und nach einem Riesentheater wird die Anordnung auf die Schnelle gekippt und es stellt sich heraus, daß derjenige, der sie verfasst hat, sonst immer an der Käsetheke arbeitet oer so…

„Ah, hier haben wir es ja“, triumphiert Herr Brunz, zieht ein Blatt aus seinem Stapel und legt es mir mit einer galanten Bewegung grinsend hin: „Schauen Sie ruhig, dann werden Sie erkennen, daß ich Recht habe.“

Ich werfe einen Blick auf das Schriftstück und da steht: „Ab 1.11.1999, Allerheiligen, ist die Anordnung vom 23. September in Kraft. Wir bitten um Beachtung! Gezeichnet Möppel, Friedhofsdirektor“

„Hm“, sage ich, „und um was genau soll es sich bei dieser Anordnung von Herrn Möppel gehandelt haben?“

„Ja, das sage ich Ihnen doch die ganze Zeit! Daß alle Trauerfeiern auf dem Waldfriedhof stattfinden. Gut, das steht da zwar jetzt nicht ausdrücklich, aber das ist damit gemeint.“

„Da steht gar nichts, so sehe ich das.“

„Die meinen das aber.“

„Nein, das meinen Sie, sonst niemand. Schauen Sie, das ist eine Anordnung, die schon etliche Jahre zurückliegt und wer weiß, auf was die sich genau bezieht. Jedenfalls kann ich nicht erkennen, daß da irgendwo steht, daß auf den 12 Friedhöfen dieser Stadt keine Trauerfeiern mehr stattfinden und alle Feiern nur auf dem Waldfriedhof sind.“

„Ich sage ja, das steht da jetzt nicht direkt, aber das ist damit gemeint.“

In diesem Moment kommt Frau Büser herein, gibt mir drei Blätter und verschwindet wieder. Ich werfe einen Blick auf die drei Blätter, stelle fest, daß eines nichts mit der Sache zu tun hat, eines das gleiche Schreiben ist, wie das von Herrn Brunz und das dritte Blatt genau das Richtige ist.

Es ist die Anordnung des Herrn Möppel vom September 1999 in der steht, daß „vom 1.11.1999 bis zum 7.1.2000 die Trauerhalle auf dem kirchlichen Friedhof der Melanchton-Gemeinde renoviert und umgestaltet wird. Der Beerdigungsbetrieb auf dem Melanchton-Friedhof geht normal weiter, lediglich die Trauerfeiern finden ersatzweise in der Kapelle des Waldfriedhofes statt.“

Ich muß grinsen und das sieht Herr Brunz als Eingeständnis meiner Niederlage; er fordert: „So, dann dreht’s sich ja nur noch um Ihren Schadensersatz.“

Das greife ich auf: „Um meinen Schadensersatz? Da brauchen Sie sich keine Gedanken zu machen, ich fordere von Ihnen keinen Schadensersatz.“

„Das ist ja wohl die Höhe! Sie müssen UNS bezahlen! Sie haben den Fehler gemacht! Sie haben den Sarg auffen falschen Friedhof gebracht. Da steht es doch!“ er tippt mit dem Finger auf sein Blatt und ich reiche ihm meins.

Er liest, runzelt die Stirn und sagt: „Wußt‘ ich doch! Da war was!“

„Ja aber da steht nur, daß es mal vor vielen Jahren eine kurzfristige Änderung gab. Das ist längst vorüber, betrifft uns heute gar nicht mehr und Sie haben eben nicht Recht.“

„Ich hätte aber Recht gehabt“, beharrt Herr Brunz, was immer er auch genau damit meint…

„Es steht aber fest, daß wir nichts falsch gemacht haben“, erkläre ich ihm und er nickt mit zusammengekniffenen Lippen.
Dann schaut er sich um, so als wolle er sich versichern, daß uns niemand zuhören kann und sagt mit gesenkter Stimme: „Aber wenn es so gewesen wäre, dann hätte ich Recht gehabt, oder?“

Ich muß wieder lächeln und nicke: „Ja, wenn das Wörtchen ‚wenn‘ nicht wär’…“

„Sie sagen es, Sie sagen es“, sagt er, steht auf, gibt mir die Hand und verabschiedet sich mit der blödesten Entschuldigungsfloskel, die es gibt: „Nix für ungut!“


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Lesezeit ca.: 8 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 28. März 2008 | Revision: 28. Mai 2012

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16 Jahre zuvor

Sachen gibt’s, die hätte man voher nicht für möglich gehalten. Herr schmeiss Hirn vom Himmel!!! Aber eines muß man Rentner Brunz lassen: Sein Langzeitgedächtnis ist nicht das schlechteste.

rainer
16 Jahre zuvor

Sehr lustige Geschichte, gut geschrieben und unterhaltsam. Das ist beste Unterhaltungsliteratur. Respekt

Ma Rode
16 Jahre zuvor

fehlt nur noch, dass er mit den füssen getrampelt hätte, um sein recht zu bekommen. bockige kinder sind sicher anstrengend, bockige rentner nicht minder! aber wenigstens hat er sich entschuldigt. das versöhnt wieder.

nette anekdote.

Rena
16 Jahre zuvor

Du bist doch ein Spielverderber. Was ist schon so ein kleines Wörtchen? *g*

16 Jahre zuvor

Ich hätte dem guten Mann eine Rechnung für 30 Minuten Beratungsgespräch ausgestellt.

Und würde der Familie sehr eindringlich raten, das Wort dieses Schwagers nicht immer genau zu beachten. Oder das Kaffeetrinken von ihm bezahlen zu lassen, für den ganzen Stress den er der Familie verursacht hat…

anita
16 Jahre zuvor

Was soll man dazu noch sagen… Also wenn ich nicht unrecht gehabt haette, dann haett ich doch recht gehabt, oder?

@anonym
16 Jahre zuvor

Wozu sich da noch in die Nesseln setzen? Der Schwager wird sich hüten, daheim in dieser Sache den Mund aufzumachen, die Rechnung wird bezahlt und damit hat es sich. Wie die das intern regeln, kann dem Bestatter doch wurscht sein, oder?

comicfreak
16 Jahre zuvor

*bitterlich_wein*

..ich kenne solche Kunden…

*schluchz*

16 Jahre zuvor

Die Floskel „Nix fuer ungut“ war mir schon immer suspekt. Irgendwie.

jemand
16 Jahre zuvor

und nach einem Riesentheater wird die Anordnung auf die Schnelle gekippt und es stellt sich heraus, daß derjenige, der sie verfasst hat, sonst immer an der Käsetheke arbeitet oer so… << rofl
😀

juus
16 Jahre zuvor

Am besten finde ich die Stelle, wo von der Nichte berichtet wird, die ihr Handy nur stundenweise anmacht. Da merkt man doch erst, wie sehr man von den Medien (MacBook, Pc, Gamecube, Wii,…(lässt sich für mich beliebig verlängern) abhängig ist. Mein MacBook war das letzte Mal aus, da stand als Datum noch Juli 2007.

Und heute stand in der Zeitung das 39% der Deutschen keinen Internetzugang haben. Schon komisch für uns di wir alle 20 bis 30 mal am Tag die Seite vom Bestatter laden.

Passt zwar nicht zum Schwager, aber ist mir gerade mal aufgefallen bei den Stelle mit der Nichte.

Requiem
16 Jahre zuvor

Der Name „Brunz“ ist ja mal wieder suuuper! „Brunzen“ heißt in Österreich und Bayern „pinkeln“…

Tanja
16 Jahre zuvor

Gott, was liebe ich solche Menschen!!

Mac Kaber
16 Jahre zuvor

Das Beste wird sein, ich fahr jetzt erst mal drei Wochen in die hintere Walachei – ohne Handy -.
Und wenn ich zurückkomme, hoffe ich dass kein Kamel das Gras wegfrisst, das darüber gewachsen ist. Nix für ungut….
Der Schwager.

Josef
9 Jahre zuvor

Und das schlimme ist, diese Blödmänner sterben nie aus!!




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