Menschen

Papphäuschen für Neger

Ich kann mich ja auch an das ganze Kroatengedöns nicht wirklich gewöhnen, für mich gibt’s irgendwie immer noch Jugoslawien. Vielleicht bin ich schon zu alt…
Mir rutscht ja auch immer wieder heraus, dieses oder jenes koste angeblich soundsoviel Mark.

Ich gebe mir ja Mühe, aber manchmal rutschen diese alten Begriffe eben doch noch durch.

Anders ist das bei unserem Nachbarn Herrn Oberseniorendirektor Nasweis-Lästig. Er benutzt mit absoluter Selbstverständlichkeit und im Brustton der Überzeugung besonders gerne z.B. das Wort Mohr. Ich sag‘ ja manchmal Neger, für mich ist und war das niemals negativ konnotiert und ich weiß sehr wohl um die Befindlichkeiten der Betroffenen, aber erstens halte ich die sogenannte „political correctness“ für eine moderne Form der Maulzensur und in meinem Kopf ist kein Platz mehr für weitere Scheren, und zweitens habe ich meine halbe Kindheit Kleingeld in kirchlicherseits verteilten Papphäuschen gesammelt und das war eindeutig immer für die Negerkinder. Warum darf ich heute, wo diese Kinder endlich, vielleicht auch dank meines Kleingeldes, erwachsen sind, nicht immer noch Neger sagen? Gut, man darf es nicht, also lasse ich es meistens und drücke mich um die Bezeichnung ganz herum. Unser Freund Abdullai hat es einfach, ihn kenne ich beim Namen und deshalb kann ich ihn benennen, außerdem verwendet er für Menschen, die die gleiche Hautfarbe wie er haben, auch das Wort Neger; alle anderen müssen halt infolge meiner Unsicherheit damit leben, daß ich ‚der da‘ oder ‚die da‘ sage.

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Aber das Wort Mohr, das hat für mich dann doch noch ein ganz kleines bißchen eine andere Bedeutung und so geht es mir auch, wenn Nasweis-Lästig immer von der Ostzone spricht. Ich tue das auch, aber ich tue das nur dann hin und wieder, wenn ich literarisch scherze, er hingegen tut das aus fester Überzeugung. Oft sagt er sogar einfach nur SBZ oder sagt ‚Soffjettzohne‘. Österreich, den Begriff kennt er gar nicht, das ist und bleibt für ihn die Ostmark und wenn er über die aktuell herrschenden politischen Verhältnisse spricht, dann muß er dabei einen Würgereiz sichtbar unterdrücken. Demokratie ist für ihn absolut undenkbar, am Liebsten hätte er den Führer wieder oder wenn das nicht geht, wenigstens den „Kinnich“.

Ich finde, es ist also durchaus ein Unterschied, ob jemand aus jahrzehntelanger Gewohnheit bestimmte Begriffe immer mal wieder, mehr oder weniger versehentlich, verwendet oder ob jemand da eine gewisse Gesinnung vor sich her trägt.

Man kann, um eine bestimmte Wirkung zu erzeugen, gewisse Begriffe und Redewendungen durchaus auch bewußt als Stilmittel einsetzen. Wenn aber jemand dadurch versucht, seinem Gegenüber immer wieder seine restbraune Gesinnung unterzujubeln, dann nervt das.

Dabei spielt es für mich überhaupt keine Rolle, ob die auf mich ausgegossene Gedankenjauche nun braun oder rot ist.
Mich stört dabei auch nicht die Tatsache, daß derjenige das mit mir versucht, denn ich bin da sowieso mit einem gewissen ideologischen Lotuseffekt ausgestattet, je jauchiger die Scheiße, umso abperliger mein Zisch.

Nein, mich ärgert, daß jemand auf diese Weise meine Intelligenz beleidigt, weil er glaubt, er könne mit so plumpem Tun bei mir etwas bewirken.

Als Nasweis-Lästig heute morgen den Schnee vor seiner Haustüre mit einem Flammenwerfer hinwegschmolz, winkte er mir zu und fragte:

„Stimmt das, daß sie nach Holland fahren?“

Nun sage ich auch immer wieder Holland, ich esse ja schließlich auch Holländer Käse, egal ob der aus Friesland, Holland, Brabant oder sonstwo aus den unendlichen Weiten der unüberschaubaren niederländischen Gebieten kommt. Aber Nasweis-Lästig gegenüber sah ich mich dann doch gemüßigt, ihn darauf hinzuweisen, daß das die Niederlande sind.

„Quark mit Soße!“ lautete seine Antwort und sofort hatte er das Wort im Mund, daß der absolute Beweis dafür ist, daß er solche Begriffe wie ‚Holland‘ nicht zufällig in den Mund nimmt: Blitzkrieg.

Meine Frau und ich grübeln, wie alt Nasweis-Lästig wohl wirklich sein mag. So recht will uns nicht einfallen, seit wann er tatsächlich pensioniert ist. Sagen wir mal, er sei als Jugendlicher indoktriniert worden, dann muß er bei Kriegsende allenfalls 12-14 Jahre alt gewesen sein.

Dann wäre der heute 79, oder hab‘ ich mich da verrechnet?
Hm, er könnte aber auch durchaus deutlich Mitte Achtzig sein, dann wäre er bei Kriegsende gerade einmal 20 gewesen und hätte tatsächlich noch richtig an der Front gewesen sein können.

Was weiß man schon mit 20?

Mir tut der immer auch ein wenig leid. Irgendwann sterben die aus.
Meine Frau sagt ja immer, die nachwachsenden Neonazis seien so primitiv und doof, von denen gehe keine wirkliche Gefahr aus.
Ich sag‘ dann immer, daß die Nazis damals auch primitiv und doof gewesen sind.

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