Ich kann Speckstein nicht leiden. Wenn man sowieso übergewichtig ist, sollte man sich nicht noch mit Gegenständen umgeben, die eine zusätzliche Gefahr der Verfettung schon im Namen tragen.
Aber selbst wenn Speckstein jetzt beispielsweise den Namen Weichstein trüge, so würden mir dennoch die daraus gefertigten Gegenstände nicht gefallen, die meine Frau sammelt.
Seitdem der nahezu sprachlose tschechische Zeichentrick-Maulwurf in den sechziger Jahren auf dem Bildschirm aufgetaucht war, ist meine bessere Hälfte eine Liebhaberin kleiner, knuffeliger Maulwurffiguren.
Dabei herrscht seit Jahrzehnten zwischen mir und einer Frau ein -nicht durch menschliches Dazutun zu befriedender- Streit darüber, ob der Maulwurf nun Pauli, Willi oder Krtek heißt.
In einer Vitrine im Wohnzimmer sammelt die Beste also diese Maulwurffiguren, welche aus Plüsch, welche aus Gips, andere aus Holz und manche eben aus Speckstein.
„Guck mal, ist der nicht süß?“ frage ich und halte meiner Frau einen weiteren Speckstein-Grottenolm vor die Augen, einen neuen Maulwurf, den ich ganz günstig bei ibäi ersteigert habe. Meine Frau liebt Maulwürfe und ich habe ihr schon ganz viele geschenkt.
„Ich sammele doch keine Schweinchen?“ sagt sie und wendet das Teil in ihrer Hand.
„Das ist ein Pauli, Du Doofi, Du!“
„Dann stell ihn in die Latrine, zu den anderen“, sagt sie.
„Vi-trine heißt das, Du Oberdoofi.“
„Meinetwegen.“
„Sag bloß, der gefällt Dir nicht? Der ist doch voll süß.“
„Der ist häßlich, grottenhäßlich, der sieht aus wie eine Kreuzung aus Mastodon und Warzenschwein.“
„Und ich habe gedacht, ich mache Dir eine Freude damit.“
„Machst Du ja auch, Du bist wirklich sühüüüüß!“
Normalerweise hasse ich ja verniedlichende, verkindlichende Vokalverdoppelungen, beziehen sie sich aber auf mich, dann könnte ich dahinschmelzen. Ich liebe meine schöne Hausziege und gönne ihr im tiefsten Grunde meines Herzens natürlich ihre Maulwurf-Sammelleidenschaft, wenngleich ich nicht umhin kann, sie ständig damit zu ärgern.
Gut, sie ärgert mich ja auch: „Wenn irgendwas nur ein bißchen blinkt und ’ne Batterie reinkommt und wenn’s dann noch piepsen kann, dann kaufst Du Dir das doch sofort, sogar wenn Du gar nicht weißt wofür das ist.“
Stimmt natürlich so jetzt auch wieder nicht. Als Beispiel könnte ich einen tragbaren Uterus-Sonographen anführen, den ich im September 1987 ganz günstig hätte erstehen können, aber dann doch nicht genommen habe.
Okay, meine Frau hatte mir damals mit meinem Schlips kurzzeitig die Blutzufuhr zum Gehirn und die Sauerstoffzufuhr unterbunden und ich konnte im entscheidenden Moment nicht ja sagen, aber Fakt ist und bleibt, daß ich den Sonographen damals nicht gekauft habe.
Ähnlich war es mit einem Container voller Funkgeräte russischer Bauart aus den Beständen der ehemaligen Volksarmee, die ich 1994 zu einem Spottpreis angeboten bekam. Meine Frau und ich standen mit dem anderen Bietern in einer Halle, meine Frau so halbschräg hinter mir. Als der Auktionator den Posten mit den herrlichen Funkgeräten (jedes mit 6 Knöpfen und 3 Blinklämpchen!) zum Aufruf brachte, fiel meiner Frau ihr Auktionskatalog herunter und als ich mich danach bückte, setzte mich ein kurzer Tritt von hinten in die externen Weichteile kurzfristig so außer Gefecht, daß ich es vor lauter konvulsischem Zucken und einer spontan eintretenden Körperverkrümmung nicht fertig brachte, meine Bieterkarte hochzuheben. Außerdem stockte mir der Atem derartig, daß außer einem leisen, heiseren „Uaaaaah“ nichts aus meinem Mund kam.
Als ich mich umdrehte, deutete meine Frau nur wortlos mit dem Zeigefinger auf einen über zwei Meter großen Barbaren aus dem östlichen Kaukasus, der hinter mir stand und sich laut lachend freute, weil er inzwischen den Zuschlag für den Container mit den Funkgeräten bekommen hatte.
Aber je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr bezweifle ich, daß der Hüne es gewesen ist, der mich getreten hat. Vielleicht war es doch der Holländer mit den schlechten Zähnen, der neben ist gestanden hat…
So hat halt jeder seine Macken, aber immerhin kann ich mich in meiner Vita rühmen, derjenige zu sein, der den Uterus-Beschaller und die Funkgeräte achtlos links liegen gelassen hat, während meine kleine Nervensäge (diesen Begriff verwende ich synonym für Frau und Tochter) noch nie an irgendeinem maulwurfähnlichen Gegenstand vorbei gegangen ist.
Und weil man als guter Ehemann die Marotten seiner lieben Frau nicht nur duldet, sondern die innere Verbundenheit zu ihr auch noch deutlicher manifestieren möchte, kauft man ihr halt hin und wieder auch mal ein Stück für ihre Sammlung.
Immerhin ist das eine ganz praktische Sache, ich muß mir über Geschenke keine Gedanken machen. Egal ob Geburtstag, Hochzeitstag, Weihnachten, ich kaufe immer irgendeinen Maulwerfer und gut isses.
Wenn ich vor der beleuchteten Vitrine stehe und mir die ganzen Maulwürfe da so anschaue, dann habe ich fast den Eindruck, daß die meisten sogar von mir sind. Gott, was kauft man doch in seinem Leben für einen Scheiß zusammen!
Neulich sitze ich am Computer und stöbere bei einem bekannten Online-Auktionshaus ziellos vor mich hin.
In der Rubrik „Seltsames und Nutzloses aus kubanischen Operationssälen“ hat ein mit 24 Volt zu betreibender Gnorks-Epilisatomat mein Interesse geweckt. Na ja, ich weiß nicht ganz genau, was das für ein Apparat ist, aber im Hinterkopf habe ich eine vage Vorstellung davon, was es ganz sicher nicht ist. Das und die Tatsache, daß wenigstens sechs blinkende Lämpchen an der kleinwagengroßen Kiste sind, lassen mich mal einen Euro darauf bieten. Also wirklich, ein Euro ist nichts! Gar nichts! Den kann man auch mal für was Vages bieten, oder?
Gut, das Ding ist nur für Selbstabholer… fliegt Ryan-Air eigentlich auch für 19 Euro nach Kuba?
Das Auktionsende ist erst in drei Stunden und ich nutze die Zeit, um ein wenig weiter zu suchen und stoße doch tatsächlich auf einen ganz besonders häßlichen Maulwurf. Der wird meiner Frau gefallen, denke ich und lese den Auktionstext durch. Ich erfahre, daß es sich um einen original uramerikanischen Maulwurf handelt, die Nachbildung des Maulwurfgottes des Itschipintschi-Stammes und geformt aus Original-Indianerkacke.
Den muß man auch nicht selbst abholen und er soll per Sofort-Kauf nur 2 Euro kosten, Anbieter ist „schmunzelmaus274“ und die schreibt in ihrem Auktionstext weiter:
„So, langsam wachsen mir die Maulwürfe über den Kopf. Aus irgendeinem Grund schenkt mein Mann mir seit Jahren zu allen möglichen Gelegenheiten Maulwürfe. Dabei mag ich, außer dem kleinen Fernsehmaulwurf und echten Maulwürfen, gar keine Maulwürfe. Mittlerweile habe ich eine ganz stattliche Sammlung, von der ich mich nun trenne. Bieten Sie hier auf ein besonders schönes Stück. Viel Spaß beim Bieten!“
Moooment!
Ich lasse meine batteriebetriebene, piepsende Blinkemaus fallen, stoße beim Davonsausen meinen Schreibtischstuhl um, nehme auf der Treppe zwei Stufen auf einmal und platze oben in die Wohnung.
Da sitzt sie, die Verräterin, die Hinterhältige, die Maulwurfhasserin und ebenso verschreckt wie ertappt, läßt sie eine kleine Postversandbox und einen Maulwurf aus Porzellan hinter ihrem Rücken verschwinden. „Es ist nicht so, wie Du denkst!“
Ha! Erwischt!
Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:
Keine Schlagwörter vorhanden
Oh Mist! Und ich dachte, ich könnte jetzt endlich den kleinen Specksteinrest, den ich da noch habe, in was Nützliches verschenken…
Salat
Sind Sie mit einem Herrn Kishon verwandt?
Alle guten Dinge fallen auf einen zurück oder landen bei ibäh …
Wir müssen also für die Silberhochzeit alle zusammenlegen. Bis dahin hat hoffentlich jemand einen batteriebetriebenen Blinkmaulwurf mit Fernbedienung aufgetrieben.
hahahaha… 😀
es ist nicht so wie du denkst… 1 Satz .. 1000 Anwendungsmöglichkeiten 🙂
@2: Das habe ich schon oft gedacht. Dieser bissige Spott, diese Selbstironie. Eigentlich ein Wunder, dass der Verlag von Tom nicht schon einen Band mit seinen witzigsten Familiengeschichten herausgebracht hat. Das wäre sicherlich ein Renner.
Wolle Maulwurf kaufe?
Autschn!
Nachtrag:
Der Kishon-Vergleich hat sich mir auch aufgedrängt.
Doch Kishon ist ja (wie passend) tot.
Mhm, manchmal denke ich, dass wir hier bereits in einem Eheberatungs-Ratgeber und -Benimmweblog geraten sind. Ich mag ja falsch liegen, aber etwas vermisse ich doch langsam den Bezug zum eigentlichen Thema, nicht nur mit diesem Beitrag.
Ma Rode, die nicht nörgeln will, aber mal freundlich nachfragt …
Ma Rode: es ist immernoch Toms Blog. Warum sollte er dann nicht auch mal was privates schreiben dürfen?
Ich finde diese Geschichten klasse. Zeigt doch viel Menschlichkeit und auch die Liebe zu Deiner Familie
Hast du auch die teuerste Maschine im ganzen Krankenhaus, die Maschine mit dem „Bing“? 😉
wußte gar nicht, daß der auch einen Namen hatte. „Der kleine Maulwurf“ – lief in den 80er Jahren unter diesem Titel in der Trickfilmkiste (DDR-Fernsehen 17.00 Uhr – Wochentag weiß ich nicht mehr) und war zusammen mit der Wasserspinne meine Lieblingsfigur. Das waren noch Zeiten…
@ MA Rode: So war es hier doch schon immer. Mal was Erheiterndes, mal was Trauriges, mal was Unterhaltsames, mal was Sachliches, mal was über Bestattungen, mal was über die Familie. Mir gefällt die bunte Mischung am allerbesten.
Finds gut und klasse so, mein Bestatterweblog, jeden Morgen meine erste Lektüre.
Aber Benimmratgeber oder Eheratgeber? Davon habe ich hier wirklich noch nichts gelesen.
@ 10: Ma Rode, also ich finds grade gut, daß die Themen in Toms Block bunt gemischt sind. Und wenn ich mirs recht überlege: Maulwürfe und Bestatter haben doch auch was gemeinsam…
Ups, ich meinte natürlich „Blog“ und nicht „Block“.
Schwarzen Tee kriegt man von Laptop und Screen mit vorsichtigem Tupfen wieder ab. Anders sieht es mit der Tastatur aus.
Immer noch prustend – der Sam!
Boah da flunkert deine Frau aber ganz schön, wenn Sie schreibt das es sich um eine Nachbildung des Maulwurfgottes des Itschipintschi-Stammes und geformt aus Original-Indianerkacke handelt. Ich kenne auch dein leid Tom, meinen Mann muss ich auch regelmäßig vor solchen Blinke-Dingern wegzerren.
Btw: Ich möchte nun nicht wissen, wieviele User nun diesen Namen bei dem Auktionshaus eingetippt haben. 😉
[quote]Liebhaberin kleiner, knuffeliger Maulwurffiguren.[/quote]
Und insgeheim nennt sie die Figuren auch nicht Pauli, sondern „Tom“
Der Maulwurf in seiner Art als Grabexperte ist nämlich nichts Anderes als ein Symbol für dem Undertaker. Zumindest so, wie seine Frau ihn sieht, knuffelig, ständig unterwegs, ein wenig Blind (zumindest, wenn es um ihre neue Frisur geht oder so). Klein sowieso, Frauen neigen wohl generell dazu, ihre Männer zu verniedlichen, das gibt ihnen dieses trügerische Gefühl der Überlegenheit.
Wäre es nicht besser gewesen, wenn du das nie erfahren hättest? Schließlich stehst du jetzt vor der Aufgabe für Geburtstage usw. was passendes zu finden. Aber das sollte dir ja eigentlich nicht so schwer fallen. 😉
@ 19: Aua, der hat gesessen…
Also ich an Toms Stelle hätte mir ja den Spaß erlaubt und den Maulwurf ersteigert und ihn der werten Gattin geschenkt. Wäre sicher lustig geworden. 🙂
und was wurde aus dem Gnorks-Epilisatomaten?
Im Original heisst der Maulwurf einfach nur „Maulwurf“ (Krtek auf Tschechisch). Den Namen Pauli bekam er m.W. nach nur durch den WDR verpasst.
Klasse..ich will mehr davon 🙂 Ich musste echt herzhaft lachen 🙂
Tjäih!
Sehr schön, Klasse Artikel, gern wieder, toller eBayer äh….Blogger 😉
Herzlich geöacht!
@19: Den Gedanken hatte ich auch schon. Muß Tom sich nun Gedanken machen, wenn seine Frau die Maulwürfe loswerden will? Steht er als nächster auf der Liste zu entsorgender Dinge?
@28: Wenn sie beginnt, auffallend viele Fotos vom Göttergatten zu schießen, sollte er auf jeden Fall vorsichtig werden. Weil alles, was zu ebay soll, vorher fotografiert wird…
Und ist das jetzt eine der typischen Cliffhanger-Stories? Wie ging es weiter? Was wurde aus dem Maulwurf? Hat Tom mitgeboten? Wie geht es seiner Frau? Was gibt es nächstes Jahr von Tom zum Geburtstag, Weihnachten etc. für Frau Tom? Fragen über Fragen, die noch unbedingt geklärt werden müssen… 🙂
Irgendwie glaube ich, dass Tom in nächster Zeit diverseste Maulwurfspenden bekommen wird.
😉
Biete Op-Maschine für Speckstein-Maulwurf.
Ups wurde gerade ein Mailwurf draus. Auch nicht schlecht. 🙂
@Tobias (24):
Bist du sicher, dass der Zeichentrick-Maulwurf Pauli genannt wurde? Ich kann mich nur an einen Maulwurf namens Pauli erinnern, und das war der Comic-Maulwurf aus „Fix und Foxi“.
„In der tschechischen Originalfassung heißt der Maulwurf „Krtek“. […] Bekannt wurde die Figur im Westen Deutschlands durch Die Sendung mit der Maus unter dem Namen „Willi“. In einer Videoedition lief er teilweise unter dem Namen „Pauli“.“
Quelle: Wikipedia
*g* ich musste hier grad herzhaft lachen ^^ wäre dir das nicht aufgefallen ….. ich glaub deine frau hät irgendwann nen raster bekommen warum du immer wieder mit dem selben maulwurf ankommst wenn sie den doch gerade endlich los war ^^
Zum Ersten: Ich finde es gut, dass Du (Tom) auch sowas schreibst. Immer nur Tod und Trauer macht das ganze doch recht trübsinnig. Außerdem lässt es auch etwas hinter die Fassade schauen.
Zum Zweiten: Solche Geschichten bringen mich immer zum schmunzelnund ich muss unwillkürlich an meine Freundin denken. Ich schätze mal meinen Tick versteht die manchmal auch nicht. *Blick über Osziloskop, Spannungs- und Frequenzgenerator sowie diverse Rechner schweifen lass*
Zum Dritten: Irgendwie schießt mir [url=http://www.youtube.com/watch?v=WENefcFrjmU]dieses Lied[/url] durch den Kopf. Ich denke mal das werde ich zu meiner Hochzeit spielen lassen (sollte ich jemals zu diesem Freitod bereit sein *g*).
Schenk ihr doch ein ganz originelles Zubehör:
Beim nächsten Gassigehen nimmst Du einen Eimer und Schäufelchen mit. Damit sammelst Du einen Mundschmißhaufen (pol. correkte Bezeichnung) auf einer Wiese ein. Baust ihn heimlich im Garten sorgfältig auf, und läßt eines ihrer schönsten Sammlerstücke oben herausschauen. Das toppt jedes Osternest.