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Puli

Ich habe schon viel erlebt wenn sich junge Leute bei mir vorstellen. Aber die heutige Spontanbewerbung war doch besonders bemerkenswert.

Der junge Mann hatte sich wohl extra fein gemacht, um hier wegen einer Praktikantenstelle vorzusprechen. Gegen seine Frisur habe ich im Prinzip nichts, man könnte das Zeug ja theoretisch abschneiden. Ich weiß auch gar nicht genau, wie man diese Zottel nennt, Sandy meint, das seien Dreck-Locks oder so ähnlich gewesen, so sahen sie auch aus. Damit man diese Dreck-Locks nicht so sieht, hatte sich der junge Captain Cook ein rotes Kopftuch ungebunden, wo diese Zottel nur hinten rausguckten. Gibt’s da nicht auch so einen Hirtenhund aus Ungarn, der so eine Frisur hat, den Puli?

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Damit man das rote Kopftuch nicht so sieht, hatte er oben drauf noch eine weiße Baseball-Kappe aufgesetzt, die er auch nicht während des Gesprächs mit mir abnahm. Nee, ist ja auch kalt draußen. Warum aber waren oben und unten auf dem Schirm der Kappe noch die goldenen Aufkleber mit der Größe und der Herstellerfirma drauf? Ist das jetzt modern so?

Immerhin hatte sich Captain Cook eine saubere Hose geliehen, vermutlich von seinem schwer übergewichtigen Großvater, denn das Buchsenhinterteil hing in Kniehöhe. Damit sie unten nicht zu lang ist, hatte er die Socken hinten über die Hosen gezogen, was sich malerisch von den nicht zugebundenen Turnschuhen abhob.

Doch, es bringt wirklich was, wenn man sich für ein Vorstellungsgespräch fein anzieht. Man will ja schließlich Eindruck machen.

Kaum saß der Junge, klingelte sein Handy mit dem Liedchen „Dein Arsch ist geil“ oder so…
Captain Cook zückte das Gerät aus den Tiefen seiner Hosentaschen, vermutlich um es abzuschalten. Dann würde er sich sicherlich sogleich entschuldigen…
Doch nein, er klappt das Teil auf und unterhält sich mit jemandem, der „Alda“ heißen muß. Aber er sagt nicht, daß der „Alda“ nochmals anrufen soll oder daß er ihn gleich zurückruft, sondern Captain Cook legt die Beine übereinander und diskutiert mit „Alda“ in einer Sprache, die wohl eindeutig der deutschen Sprachfamilie zuzuordnen ist, die ich aber nicht verstehe und das ganze vier Minuten lang.
Ich spitze inzwischen einen Bleistift an und frage mich, ob dieser Mensch allen Ernstes glaubt, ich würde ihn einstellen.
Das glaubt er aber tatsächlich, denn er sagt mir unverblümt, daß er in einer Gruppe ist. Die macht jeden Tag Musik und es könne sich nur noch um Lichtgeschwindigkeitseinheiten handeln, bis sie bei einem Casting als Weltstars entdeckt würden. Unterdessen, bis sich dieser Welterfolg einstellt, müsse er ja arbeiten und da wäre es doch völlig okay, wenn er bei einem Bestatter anfangen könne. Zunächst mal als Praktikant und dann vielleicht fest.

Ohne daß ich etwas dazu sagen kann, plappert er weiter: „So als Praktikant das wäre voll gut, so zwei, drei Stündchen am Tag hätte ich Zeit.“

„Zwei, drei Stündchen“, wiederhole ich staunend und er nickt freudig, sieht, daß ich ihn verstehe und fährt fort: „Ja genau, am besten so zwischen 14 und 16 Uhr, danach hab ich Proben und Auftritte.“

Nein, das bringe ich nicht übers Herz, ich kann diesen angehenden Weltstar nicht durch profane Arbeit an der Entwicklung seiner Karriere hindern. Deshalb schicke ich ihn mit den besten Wünschen wieder fort.

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(©si)