Hässliche Szenen bei der zweiten Etappe der Tour de France am Sonntagnachmittag (6. Juli 2025)! Die vorletzte Bergwertung führte 8,5 Kilometer vor dem Ziel durch den Ort Saint-Etienne-au-Mont. Dabei fuhren sie an einem Friedhof vorbei, wo sich tatsächlich mehrere Zuschauerinnen und Zuschauer auf Grabsteine gestellt hatten, um einen Blick auf die Radsportler werfen zu können1.
Als ich vor ein paar Jahren auf dem Friedhof war, um ein Grab zu pflegen, bekam meine damals noch kleine Tochter Langeweile und hat sich auf die steinerne Umrandung des Nachbargrabes gesetzt und einen Kranz aus Gänseblümchen geflochten.
Kurz darauf erschien eine Frau, die mit dem Grab nichts zu tun hatte, und begann eine Schreierei mit uns. Was uns denn einfiele? Ob wir denn kein Schamgefühl hätten? Wir seien pietätlose Schmierlappen und Drecksschweine (im Dialekt Dreggsäu).
Ähnlich ist es mir in meiner aktiven Zeit als Bestatter einmal gegangen. Um auf einer engen Urnengemeinschaftsgrabstätte einen kleinen Gedenkstein ablegen zu können, musste ich vorsichtig auf ein benachbartes Grab treten. Nur mit dem Fuß auf blanker Erde.
Da kam damals ein älteres Ehepaar und der Herr schüttelte ständig seinen spitzen Gehstock in meine Richtung, während er „Grabschänder“, „Arschloch“ und „Des zeig isch bei dene an!“ schrie.
Ich finde, es ist überhaupt nicht pietätlos, wenn ein kleines Kind sich völlig unbedarft und brav auf eine Steinumrandung eines Grabes setzt. Und wenn jemand, um arbeiten zu können, auf ein Grab treten muss, ist das auch völlig in Ordnung.
Was mich wundert, ist die Dreistigkeit und Leichtfertigkeit, mit der Menschen andere beschimpfen. Die Leute haben jeglichen Respekt verloren.
Respekt verloren haben auch die Sportfans, über die oben im Zusammenhang mit der Tour de France berichtet wird. Ich finde, dass das überhaupt nicht geht. Man darf sich nicht auf Grabsteine und Gräber stellen, nur um besser ein Sportereignis beobachten zu können.
Auf dem einen Friedhof gab es weit und breit keine Bank, auf die sich meine Tochter hätte setzen können. Auskunft des Friedhofsmannes: „Wir haben nicht mehr so viele Bänke, die wurden uns alle kaputtgemacht, deshalb stellen wir keine neuen mehr auf.“
Im anderen Fall hatte ich dort zu arbeiten. Das sind in meinen Augen gute Gründe, auch mal Fünfe gerade sein zu lassen.
Aber, um ein Sportevent zu sehen oder ein Popkonzert o.ä., das ist für mich kein guter Grund, die Gräber von Verstorbenen mit Füßen zu treten.
Wie siehst Du das? Bin ich da hinsichtlich meiner Tochter zu nachsichtig gewesen? Geht das für Dich in Ordnung, was die Sportfans in Frankreich gemacht haben?
Bildquellen:
- tour1: Google Earth
- tour-tt: Eurosport
- tour3: Eurosport
Fußnoten:
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Grabschändung ist für mich, wenn etwas (vorsätzlich) beschädigt wird. Einen Stein wird man durch Draufrumstehen kaum beschädigen können. Daher finde ich, dass man das durchaus einmal tolerieren kann. Ist ja nur an diesem einen Tag, dann ist die Tour de France da durch und kommt nicht wieder.
Genauso sehe ich übrigens die Sache mit deiner Tochter. Und für Kinder habe ich sowieso deutlich mehr Verständnis als für intolerante, engstirnige Erwachsene.
Natürlich müssen das Ausnahmen bleiben. Nicht dass „Grabsteinstehen“ noch zur Mode wird.