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Schnitzereien

Wenn ich spät abends noch raus muß, um zu einer Beratung zu fahren, dann tue ich das natürlich mit zwiespältigen Gefühlen. Auf der einen Seite bliebe ich lieber zu Haus im Warmen, auf der anderen Seite freut es mich natürlich, daß das Geschäft läuft.

Die Familie, zu der ich gestern Abend kam, hatte zuvor schon über zwei Stunden auf den Hausarzt gewartet, dann unseren Männern beim Abtransport im Weg zur Seite gestanden und wartete nun auf mich. Über das lange Warten hatte man Hubger bekommen, weshalb eine der weiblichen Verwandten in der Küche stand und irgendeine lukullische Unaussprechlichkeit auf der Basis von Saumagen und Zwiebeln briet.

Das ist insofern nichts Ungewöhnliches, als daß ich solche Situationen häufiger schon erlebt habe. Wenn dann das Schlimmste vorbei ist und das Adrenalin wieder abgebaut wird, merkt man zuerst die körperlichen Bedürfnisse, dann müssen alle mal aufs Klo und dann will man was rauchen, essen und trinken.

Während ich also dort saß und die Familie beriet, schwirrte -nahezu greifbar- dieser Zwiebelduft durch die Luft was nunmehr in mir ebenfalls einen großen Hunger auslöste.
Auf dem Rückweg hielt ich deshalb Ausschau nach irgendeinem Imbiss. Egal ob Curry-Fettschlauch oder ostanatolisches Schabefleisch vom Gammelspieß, ich hätte alles gegessen, doch leider war nirgendwo mehr auf und bis zu den goldenen Bögen war es mir zu weit.

Umso glücklicher war ich, als ich zu Hause auf dem Herd einen Bräter entdeckte, in dem meine Frau einen Rollbraten vorgebraten hatte. Es würde ja sicherlich nicht auffallen, wenn ich mir ein Endstück davon abschneide.
Herrlich! Meine Frau ist wirklich eine gute Köchin, doch während ich noch kauend in der Küche stehe, fällt mir siedendheiß ein, daß ausgerechnet die Endstücke meiner Frau besonders gut schmecken und eins davon hatte ich soeben gegessen. Ach was, wenn man jetzt auf der anderen Seite auch noch das Endstück abschneidet, fällt das gar nicht auf.
Hmmm, wenn ich es mir so recht betrachte sieht der Rollbraten jetzt wieder ganz normal aus.
Verschmiert man die beiden Enden jetzt mit etwas Soße, dann sieht es…. doof aus. Nein, ich kann das so nicht lassen, wenn ich ehrlich bin, fällt es nämlich sofort auf, daß ich mich an den Endstücken vergangen habe, da hilft auch die Soßenpackung nichts.
Doch mir kommt eine Idee. Wenn ich jetzt eine Pfanne heiß mache und nur die Enden des Rollbratens auf den Pfannenboden drücke, dann versiegele ich den frischen Anschnitt mit Hitze und es sieht garantiert wieder aus, als sei nichts gewesen.
Dummerweise will der Rollbraten aber nicht auf dem Anschnitt stehenbleiben. Ich erkenne sofort, daß die Auflagefläche zu klein ist und weiß, daß man nur dadurch Abhilfe schaffen kann, indem man an beiden Enden noch eine Scheibe vom Braten abschneidet. Lecker!
Jetzt bleibt er auch aufrecht in der Pfanne stehen, doch muß ich zugeben, daß er jetzt schon reichlich kurz aussieht. Da hilft nur eins: Man muß den Braten aus diesem Netz befreien und rundherum ein bißchen abschälen. Dann wird er schlanker und nimmt wieder die korrekte Form an. Dann noch etwas Soße drüber und kein Mensch merkt was.

Gut, mein Bauch ist ziemlich voll, der Braten hat nur noch die Form eines Zahnstochers und alles andere hat sich schon beim Abnehmen des Netzes in lauter kleine Fitzelchen aufgelöst.
Im Grunde habe ich nur noch ein Bratenfragment und eine Menge Soße…
Das merkt die!
Wetten?
Ich krieche mit einen schlechten Gewissen ins Bett und stelle mir den Wecker. Ich muß unbedingt vor meiner Frau wach werden. Dann könnte ich Kaffee kochen, Brötchen holen, sie ganz liebevoll wecken und bei dem netten Frühstück ganz beiläufig den Rollbraten ins Gespräch einfließen lassen. Wir würden dann einen neuen kaufen und alles wird gut.
Steht sie hingegen vor mir auf, sieht sie sofort die Bescherung und ist schon entsprechend geladen, wenn ich dann in die Küche komme.

Ich muß unbedingt der Erste sein, der wach wird!
Am Morgen klingelt mein Wecker, doch er klingelt ohne daß ich ihn wahrnehme. Meine Frau allerdings ist beim ersten Ton hellwach, rüttelt an meiner Schulter: „Tom, aufstehen, dein Wecker klingelt.“ Ich verstehe aber nicht, was sie sagt, ihre Stimme dringt wie durch Watte an mein Ohr. Wieder rüttelt sie mich an der Schulter und endlich lässt Morpheus mich los.
Sofort fällt mir mein Sündenfall am heimischen Herd wieder ein, ich fahre hoch, sitze halb schlafend im Bett und krähe meine Frau an: „Ich hab den Rollbraten gegessen!“

Sie tut, was Frauen in solchen Fällen immer tun, sie guckt etwas mitleidig, tippt sich an die Stirn und sagt: „Männer!“


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Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 28. Mai 2012 | Peter Wilhelm 28. Mai 2012

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BigL
16 Jahre zuvor

Typisch Frau – armer Tom 😉 Aber…. woher kenne ich das bloß….? Woher kommt mir das so verdammt bekannt vor…?! 😉

Philipp
16 Jahre zuvor

Super 😀

Aber was soll Mann machen, wenn Mann Hunger hat…

LordJaxom
16 Jahre zuvor

Aufhören! Ich kann nicht mehr! *ROFL*

Hat sie nicht im ersten Moment geglaubt Du erzählst ihr was aus Deinen Träumen? Dann kam in der Küche vielleicht doch noch der Extraschock. Gibt’s ne Fortsetzung?

16 Jahre zuvor

You made my Day 😀

Aretin
16 Jahre zuvor

Deine Frau muß Dich echt lieben. Bei mein er wäre ich, im wahrsten Sinne des Wortes „totes Fleisch“…

Ma Rode
16 Jahre zuvor

auch wenn ich jetzt kräftig in die klischeekiste greife: finger weg vom kochtopf und geh lieber schippen, das kannst du besser!

Rena
16 Jahre zuvor

Erst den Braten auffuttern und dann mit Kaffee und Brötchen „Gut-Wetter“ machen wollen. Muss wohl wirklich an den Genen liegen. *g* Ist der Kopf noch dran?

Menni
16 Jahre zuvor

*lach* Nach dem Text musste ich erst nochmal auf die URL schauen, ob ich nicht versehentlich das Dreibeinblog angeklickt hab und nicht den Bestatter 😉 Das hätte original auch von Peter geschrieben sein können. Köstlich.

16 Jahre zuvor

Ahhh – hillffeee
Suuper – ich glaub, ich hätte erst eine Tirade von wegen „Nachts essen macht unschlank“ hören dürfen.

Frohe´(geht das überhaupt?) Feiertage

Louffi
16 Jahre zuvor

Nicht nur, dass heute der letzte Arbeitstag vor zwei herrlichen Urlaubswochen ist – ich kriege auch noch diesen großartigen Beitrag von dir zu lesen.

You made my day, too! 😀

MiniMoppel
16 Jahre zuvor

„dann will man was rauchen“

😎

Anubis
16 Jahre zuvor

Man spürte bei lesen förmlich die panische Angst … genial 😉

16 Jahre zuvor

Das erinnert mich an meinen Vater. Er hatte eine steife Hüfte und konnte sich nicht bücken. Darum hat meine Ma solche Leckereien immer in die Unterschränke gestellt.

16 Jahre zuvor

Saumagen und Zwiebeln:

Hier der neue Beweis: Tom ist aus Rheinland-Pfalz.. 😉

Hm, Ludwigshafen…oder doch Landau, das ist hier die Frage 😉

Sorry, natürlich will ich hier keine Identität aufdecken…
[nur mal so eine Frage: Was ist, wenn das Buch ein großer Erfolg wird… gibt es dann Lesungen von dir??? etc. … was ist dann mit der Anonymität?]

Na egal, ich habe jedenfalls schon mehrmals Pfälzischen Slang hier gelesen, sei es bankert oder eben: Saumagen..!

😉

Mac Kaber
16 Jahre zuvor

Es war Euer Rollbraten. Das geht ja noch. Ich kam nschts mal heim, hatte Hunger, Inventur im Kühlschrank, gut sortierter Inhalt. Braten gemampft. Anderntags die Frage meiner Frau: „Hast du etwa den Braten unserer Nachbarin gegessen? Mensch bei denen ist doch der Kühlschrank kaputt gegangen……..“

Jule
16 Jahre zuvor

Männer…

Glenn
16 Jahre zuvor

Um mal die Sache mit dem Rauchen anzusprechen. Schonmal einen Kunden gehabt der sich nach so einem Trauerfall-Adrenalinkick vor Dir einen Joint angesteckt oder sein Koks rausgeholt hat?

undertaker
16 Jahre zuvor

@Glenn: Kunden? Nein, die nicht.

16 Jahre zuvor

Soooo süß! ^_^

Robbi
16 Jahre zuvor

@Glenn:
Die Kunden sorgen wohl eher dafür, daß Tom und sein Team sich nach so manchem überstandenen Trauerfall nen Joint anstecken. Tom’s Identität wäre somit also geklärt: Cheech & Chong Bestattungen LOL

16 Jahre zuvor

@ undertaker

Kunden nicht? Wer dann? 😉

16 Jahre zuvor

Christian … ich denke, das zielte darauf ab, dass es sehr befremdlich wäre, wenn die Kunden auf seiner Bahre sich erstmal einen Johnny drehen (können?!) 😉

Thomas
16 Jahre zuvor

Klingt irgendwie nach dem „Mr. Bean“-Effekt.

Je mehr man es versucht zu richten, desto schlimmer wird es 🙂

undertaker
16 Jahre zuvor

@Christian und SaltyCat: Wer das Bog aufmerksam liest, der weiß wer wann was raucht. Ich jedenfalls rauche Marlboro und solange die kein Zeug in die Kippen packen, kiffe ich nicht.

16 Jahre zuvor

Jetzt habe ich auch Hunger…

Ronin
16 Jahre zuvor

Oh das könnte ich auch sein! Immer naschen!

Was rauchen angeht: Ich zieh West Silver oder Lucky Strikes in den Kopf!

Ute
16 Jahre zuvor

Das ist jetzt aber nicht wirklich genau so passiert, wie es da oben steht, oder? *g*

Da könnte sich ja selbst Kishon noch ’ne Scheibe von abschneiden! *ROFL* (No pun intended)

Tanja
16 Jahre zuvor

Knuffig!!

gruftigirl
16 Jahre zuvor

@Robbi
LOL

@Tom
Wer´s glaubt 😉

martin
16 Jahre zuvor

hast du das bei Kishon geklaut?

TickleMeNot
11 Jahre zuvor

*Lachtränen wegwischt*




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