Allgemein

Schrecklich

orgel

Ich führe die Kundin durch unsere Dauerliegemöbelabteilung und sie findet alle Särge „gräßlich“, „schrecklich“ und „abscheulich“.
Nun gut, es kann ja sein, daß einem Kunden so gar nichts aus unserem Sortiment gefällt und deshalb weise ich darauf hin, daß wir auch andere Särge, auch von Designern, im Katalog haben.

„Die sind auch schrecklich!“

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„Ja, an was hatten Sie denn gedacht?“

„Jedenfalls nicht an so einen Sarg, egal wie der aussieht.“

„So ganz ohne Sarg wird es aber nicht gehen.“

„Die erinnern mich alle so an Tod und Leiche.“

„Das ist nun mal bei Särgen so.“

„Schrecklich!“

Sie läuft herum, fingert jeden Sarg an, tippt mit der Fußspitze die am Boden stehenden Särge an und schließlich:

„Dann nehm‘ ich den da. Mein Vater wird sich zwar im Sarg herumdrehen, aber wenn Sie so gar nichts haben.“

„Wir haben über vierzig Särge direkt im Angebot. Da kann man ja wohl nicht sagen, daß wir gar nichts haben.“

„ich wollte aber mal was ganz anderes, nichts was mit Tod zu tun hat. Aber gut wir haben ja jetzt einen.“

Ich wende mich der Ecke mit der Endwäsche zu und will ihr eine Deckengarnitur zeigen, doch sie winkt ab:

„Schrecklich! Sowas von mordbide!“

Ja, sie hat wirklich mordbide gesagt. Ich hebe nur hilflos die Schultern und sage: „Sie können auch was von zu Hause nehmen.“

„Von zu Hause? Ach Du meine Güte und das soll ich dann am Ende noch selbst waschen, oder?“

„Die Sargwäsche braucht man nicht zu waschen, die wird doch mitbeerdigt.“

„Aber nicht bei uns!“

Ja, wie hat die Gute sich das vorgestellt? Daß man die Sargwäsche kurz vor dem Begräbnis immer herausnimmt, wäscht und gegen eine geringe Leihgebühr dem Bestatter zurückgibt?

Das erklärt sie mir dann aber auch sofort:

„Sie wollen mir doch nicht erzählen, daß diese teuren Sachen alle in der Erde verschwinden? Die holen sie sich doch wieder und verkaufen die erneut.“

„Nein, machen wir nicht.“

„Naja, einen Sarg habe ich ja jetzt. Das Geld dafür lasse ich Ihnen gleich da und dann ist ja alles erledigt.“

„Ganz so einfach ist das nicht, wir müssten schon noch wissen, wo wir Ihren Herrn Vater abholen müssen, auf welchen Friedhof er kommt und wie der Rest ablaufen soll.“

„Das könnte Ihnen so passen. Dann machen Sie so alles für uns und schreiben eine dicke fette Rechnung. Nein nein, das machen wir alles selbst. Sie holen meinen Vater am Kreiskrankenhaus ab und bringen ihn zum Südfriedhof. Den ganzen Rest erledigen wir.“

„Meinetwegen, aber die Überführung und das Einbetten sind auch nicht kostenlos.“

„Wieso das denn? Ich habe doch schon einen Sarg ausgesucht, den bezahle ich Ihnen jetzt auch sofort. Und liefern müssten Sie den ja sowieso, da können Sie auch eben meinen Vater reinlegen, das wird ja nicht die Welt kosten.“

„Ich mache Ihnen einen anderen Vorschlag: Sie gehen zur Pietät Eichenlaub, die sind viel besser für Sie geeignet.“

„Ach, jetzt wo Sie merken, daß bei mir nichts zu holen ist, wollen Sie mich wegschicken?“

„Nein, aber jede Mühe verdient ihren Lohn und wenn wir für Sie tätig werden sollen, müssen Sie auch für die einzelnen Punkte bezahlen.“

„Gut, dann lege ich noch zwanzig Euro drauf und sie übernehmen eben alles.“

„Nein, wir bleiben dabei: Sie gehen woanders hin, okay?“

Es rauschte ein wenig und kalter Wind fegte durch unsere Liegemöbelabteilung, als sie unser Haus mit wehenden Fahnen und dem Ruf „Frechheit!“ verließ.

Fehler durch Lektorin Anya bereinigt.

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Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#Lektorin A #schrecklich

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