Mitarbeiter/Firma

Schuhkartons

Udo Fuhlst hat sich sogar in etwas Schwarzes gezwängt. Einen guten Anzug hat er zwar, aber der entspricht eher seinem ganz persönlichen Geschmack und ist irgendwas zwischen großkariert und kleingeblümt. Thomas Gottschalk, der Entsendete, hätte da seinen Spaß dran gehabt.
Nee, das sei kein Problem, er habe da noch was anderes, beruhigte uns Fuhlst und als Manni ihn dann abends um 22 Uhr vor unserer Tiefgarage traf, als die beiden zu einem gemeinsamen Einsatz aufbrechen wollten, da ist er aus allen Wolken gefallen.

Schwarze Turnschuhe in Riesengröße, eine schwarze Latzhose und ein schwarzes Cowboyhemd mit weißen Nähten.

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Wenigstens hat Manni im Lager noch einen schwarzen Bestatterkittel gefunden, den der Fuhlst wie ein Jäckchen anziehen konnte. Zuknöpfen war nicht drin, aber so sah man wenigstens die Rückenaufschrift „Buffalo Bill“ nicht.

„Na ja, wird schon gehen“, hatte Manni gegrummelt und gehofft, daß es in der Wohnung, wo die alte Frau Kleinert abzuholen war, schummrig genug ist, daß die Angehörigen unseren Hünen nicht so genau betrachten können.
„Ja, ich kauf mir ja noch was“, hatte Fuhlst gegrinst und die beiden machten sich auf den Weg.

Am Sterbeort ist es so, daß Manni immer erst einmal zu den Angehörigen geht, die Lage peilt, sein Beileid ausspricht und sich anschaut, wo und wie der jeweilige Verstorbene liegt.
Dieses Mal war alles problemlos. Die Angehörigen saßen in der Küche, standen also im Schlafzimmer nicht im Weg, die Gänge und Flure waren breit genug, also alles in allem stand den beiden Fahrern eine relativ leichte Überführung bevor.

Fuhlst hatte aber nicht unten gewartet, sondern kam Manni auf der Treppe schon mit der Trage entgegen.
Nun ist die Trage nicht besonders schwer. Aber auseinandergeklappt ist sie sperrig und unhandlich, aber Fuhlst hatte sie, wie ein Serviertablett auf einer Hand und hoch über dem Kopf.
„Hast Du den Koffer mitgebracht?“ fragte Manni und Fuhlst schüttelte nur den Kopf.
Manni seufzte und ging die zwei Stockwerke hinunter, um den Bestatterkoffer zu holen. Unterwegs entschied er sich, lediglich zwei Paar Gummihandschuhe aus dem Koffer zu entnehmen, dann brauchten sie sich nachher nicht auch noch um den Koffer zu kümmern. Es stand sowieso nicht an, daß an der Verstorbenen noch im Sterbehaus etwas gemacht werden musste.

Als Manni wieder in die Wohnung kam, nickte er den Angehörigen in der Küche kurz zu, erklärte nochmals mit wenigen Sätzen wohin die Verstorbene jetzt gebracht würde und daß die Familie am nächsten Tag ins Bestattungshaus kommen solle. Dies und das sei mitzubringen…
Hinter Manni polterte es etwas und er eilte ins Schlafzimmer.
Herr Fuhlst hatte die Verstorbene allein auf die Trage gelegt, so ein 60 Kilo-Mütterchen ist für ihn überhaupt kein Problem und wollte gerade die Trage wieder wie ein Kuchentablett hochnehmen.

„Mensch, das geht so nicht!“ zischte Manni ihm zu: „Das machen wir jetzt schön zusammen.“

„Ach was“, meinte Fuhlst, „Du bist mir nur im Weg. Geh Du mal mit den Leuten sprechen, ich tu die Oma eben runter.“

„Nix da!“

Nur widerwillig ließ Fuhlst sich helfen und so trugen Manni und Udo Fuhlst die Trage dann zu zweit, die Treppe hinunter.

Manni war ziemlich aufgebracht darüber und schimpfte am nächsten Morgen in meinem Büro.
Ich beruhigte ihn und erinnerte ihn an seine ersten Tage und Wochen bei uns.
Da ist auch nicht auf Anhieb alles glatt gelaufen.
Außerdem gibt es so viele sehr schwere Verstorbene, daß ich weiß, daß Manni noch sehr froh sein wird, daß er nun nicht mehr der Einzige starke Mann in der Firma ist. Der Fuhlst wird ihm noch gute Dienste leisten, denn muss er sich nur ziehen.

Einen Lacher hat Antonia noch produziert, als sie mit einem Katalog in der Hand dazu kam und uns fragte, ob wir meinen, ob dem Herrn Fuhlst wohl Größe 52 passt…

Ich habe abgewunken und den Neuen in die Stadt zu einem Konfektionsschneider geschickt. Da bekommt man recht günstig Anzüge so halbwegs nach Maß. Gut, bei ihm musste ich 25% Aufschlag bezahlen, aber dann war er wenigstens gut angezogen.

Es ist wirklich schon fast lustig, wenn Fuhlst beispielsweise eine Urne in den Händen hält. Das sieht so aus, als ob Manni oder ich eine Cola-Dose halten. Die Urne verschwindet fast in seinen Händen.
Auch wenn Fuhlst etwas schreibt und einen Kugelschreiber hält, man sieht den Kuli kaum.

Einen Tag später war Manni wieder voll versöhnt. Während er nochmal ins Büro gegangen war, um die Lieferliste abzugeben, hatte Udo Fuhlst die 20 angelieferten Särge mal eben vom Laster gehoben. Das sieht aus, als wenn er Schuhkartons stapeln würde.

Und während er da so stapelt, klebt Sandy an der Scheibe meines Bürofensters wie ein Saugnapf und schaut ihm zu…
Antonia meint ja nur: „Der Fuhlst? Geh mit weg! Ich hab mir gerade ein Bett bei IKEA gekauft, da bin ich froh, daß das mich aushält!“

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(©si)