„Das habe ich ja noch nie gehört? Hannelore, sag doch auch mal was!“
„Was?“
„Hannelore, du sollst auch mal was sagen!“
„Wozu?“
„Zu dem, was der Mann da gesagt hat.“
„Hat der was gesagt?“
Der Mann da, das bin ich und die beiden sind Helga und Hannelore, zwei Schwestern, die einen ebenso gemeinsamen wie alleinstehenden und derzeit toten Cousin beerdigen lassen müssen.
„Hannelore, jetzt paß doch auch mal ein bißchen auf. Der Mann hat gesagt, das mit dem Erwin gibt es nicht.“
„Natürlich gibt es unseren Erwin, wegen dem sind wir doch da.“
„Ja aber der Mann sagt wir können den Spruch nicht in die Zeitung schreiben.“
„Welchen Spruch?“
„Mein Gott, was bist du dämlich! Den Spruch vom Erwin, vom Errrwiiiiin!“
„Also Helga, ich weiß grad gar nicht, was Du von mir willst!“
„Der Mann da hat eben gesagt, wir können den Spruch nicht nehmen. Du weißt schon, Erwins Lieblingsspruch, den er bei jeder Gelegenheit gesagt hat. Mein Gott, wir haben doch vorhin noch drüber gesprochen.“
„Wir? Wir haben überhaupt nicht gesprochen, DU hast gesprochen!“
„Ja, weil Du auch nie in die Pötte kommst!“
„Was soll das denn jetzt heißen?“
„Das ich mir hier den Mund fusselig rede und du nur so dasitzt.“
„Schon mal auf die Idee gekommen, daß bei dir andere bloß nicht zu Wort kommen?“
Bevor die beiden unverheirateten und zusammenlebenden Schwestern sich hier noch endgültig entzweien, schalte ich mich in das Gespräch ein. Mir ist es im Grunde genommen egal, was die Leute sich für Texte und Sprüche für die Todesanzeige in der Zeitung aussuchen. Allerdings versuche ich immer dann beratend tätig zu werden, wenn das Ganze unpassend wird oder in unfreiwillige Komik ausartet. So erkläre ich Schwester Hannelore jetzt: „Also Ihre Schwester hat als Spruch für die Traueranzeige vorgeschlagen: ‚Seid beim Abschied leise, Erwin‘, normalerweise heißt der Spruch aber ‚Sag beim Abschied leise Servus‘.“
„Also ich kann mich überhaupt nicht dran erinnern, daß Erwin das überhaupt jemals gesagt hat.“
„Aber Hannelore, wie kannst du das denn sagen? Erwin hat das IMMER gesagt! Wenn wir so schön bei ihm gefeiert haben, hat er das immer zum Abschied gesagt. Wir sollten leise sein beim Weggehen. Seid beim Abschied leise, Erwin.“
„Das hat er NIIIIIE gesagt!“
„Doch, hat er!“
„Hat er nicht!“
„Hat er doch!“
„Ich kenn das weder mit Erwin noch mit Zufluß.“
„Meine Damen“, mische ich mich ein: „nicht Zufluß, sondern Servus.“
„Und was soll ein Servus sein?“ will Helga wissen.
„Das ist ein Gruß wie er zum Beispiel in Österreich verwendet wird“, sage ich und füge hinzu: „Soviel ich weiß stammt die Zeile ‚Sag zum Abschied leise Servus‘ aus einem Lied von Peter Kreuder.“
„Also der Erwin war nie in Österreich, nein, sie müssen sich irren, das heißt eindeutig: Seid beim Abschied leise, Erwin.“
„Also Helga, wenn der Mann da sagt, daß der Kerl nicht Erwin sondern Servus hieß, dann laß uns das doch schreiben: Seid beim Abschied leise, Servus.“
„Ich kenne keinen Servus und unser Erwin hieß Erwin und so soll es auch in der Anzeige stehen.“
„So, und was soll denn der Spruch ihrer Meinung nach bedeuten?“ frage ich mal vorsichtig und Helga hat auch eine Antwort parat:
„Das soll bedeuten, daß wir jetzt still und leise um ihn trauern sollen.“
„Dann könnte man aber auch einfach schreiben: In stiller Trauer“, gebe ich zu bedenken.
Hannelore formt mit den Lippen stumm ‚In stiller Trauer‘ nach und nickt. Helga überlegt kurz und sagt dann:
„Ja oder so, das ist auch nicht schlecht.“
Puuh, Glück gehabt. Also wird der Erwin morgen in stiller Trauer in der Zeitung stehen. Gut, wenn die es partout gewollt hätten, wäre die Anzeige auch mit „Seid beim Abschied leise, Erwin“ erschienen, aber so ist es besser, vor allem weil die Schwestern auf einmal wieder ganz versöhnlich miteinander umgehen. Und das haben sie nur dem Mann da zu verdanken.
Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:
Schlagwörter: erwin, Lektorin A, servus
omg ist das Leben hart^^.
in stillen Tauben
das schaezle.
Jroßahrtisch – einfach jrohßartisch! Isch lahh misch kapott!!!
Welchem Manta?
Das könnte auch ein Sketch von Loriot sein, aber das Leben schreibt eben auch tolle Geschichten.
Soll ich jetzt klugscheißern?
Der Gruß „Servus“ bezeichnet nicht das Gegenüber als Sklaven, sondern der Grüßende unterwirft sich damit selbst. Vergleiche den Gruß „Untertänigster Diener“. Läuft auf dasselbe hinaus.
Schade, der Spruch von Erwin hätte mal was gehabt!
@Lobo: ja, Loriot hat gut beobachtet.
Also, jemanden als Sklave zu bezeichnen.
Dann sagt man doch lieber sers 🙂
Kurz zum Klugscheißen: „tschau“ = „ciao“ ist genau das selbe wie „Servus“, nämlich aus einem norditalienischen Dialekt (glaube, es ist Venezianisch) für „schiavo“ = „Sklave“.
Servus (auch Sers) ist ein traditioneller, freundschaftlicher Gruß in großen Teilen Mitteleuropas. Er ist von Saarland, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Franken, im Vogtland und in Österreich bis nach Slowenien, Kroatien („Servus“ oder auch „Serbus“), Ungarn („Szervusz“/„Szervusztok“, „Szia“/„Sziasztok“), Slowakei („Servus“), Rumänien („Servus“),Südtirol („Servus“) und Polen („Serwus“) gebräuchlich. Er kommt aus dem Lateinischen (servus, lat: „der Sklave“, „der Diener“) und bedeutet in Kurzform „Ich bin Dein Diener“ oder „zu Diensten“
„In stiller Trauer“ – naja, so still waren die beiden nun auch wieder nicht…
In stiller Trauer überliest jeder als dahingefloskelte Phrasenhülse. Dagegen hat: „Seid beim Abschied leise, Erwin!“
was Nachdenkliches. So eine Art Vermächtnis. Was könnte er damit gemeint haben? Auf alle Fälle regt es die Leser zum sinnieren an. So bringt die Anzeige in meinen Augen mehr.
Es gibt eine Webseite, die sich ausschließlich mit skurrilen Todesanzeigen beschäftigt. Teilweise finden sich dort sehr amüsante, jedoch gut gemeinte Entgleisungen.
Zu finden unter: http://www.todesanzeigensammlung.de/
Mein absoluter Favorit, ist die letze Todesanzeige im Bereich Adelige (Frau Ilse von Hinten).
Sorry, nicht in der Kategorie Adelig, sondern unter „Sprachlich unüblich“.